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Medikamentenabhängigkeit Medikamentenabhängigkeit: Suchtrisiko auch durch Appetitzügler

Von Sabine Henning 13.09.2002, 19:38

Halle/MZ. - Mit Appetitzüglern fing es an. "ZumSchluss war mir egal, was ich genommen habe",sagt Rosemarie Hermann aus Stulln (Bayern).Die 54-Jährige war 14 Jahre lang medikamentensüchtig.Schätzungsweise 1,4Millionen Menschen inDeutschland leiden nach Angaben der Bundeszentralefür gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Kölnunter dieser Sucht. Etwa zwei Drittel davonsind Frauen.

Die Abhängigkeit beginnt oft schleichend -etwa mit einem ärztlichen Rezept. "Frauenwerden mehr Medikamente als Männern verschrieben",erläutert Alexa Franke, Psychologieprofessorinan der Universität Dortmund. Doch auch freikäufliche Schmerzmittel bergen eine Missbrauchgefahr,wenn sie neben schmerzstillenden Substanzenanregend wirkendes Koffein enthalten, weißKarin Mohn, Leiterin des Projektes Frauen-Medikamente-Selbsthilfebei der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren(DHS) in Hamm. Appetitzügler, die Amphetamineenthalten, stellen ein weiteres Suchtrisikodar.

Frauen leiden häufiger als Männer unter Depressionen,Schlaf- und Angststörungen, sagt die PsychologinKarin Elsesser von der Universität Wuppertal.Daher kämen sie auch häufiger mit Medikamentenin Kontakt, die abhängig machen könnten. Zudemkönnten abhängige Frauen häufig weniger gutihre Bedürfnisse formulieren und eigene Angelegenheitenvertreten, sagt Psychologieprofessorin Franke.Diese Frauen schluckten sprichwörtlich mehrherunter.

Medikamentenabhängige erleben sich oft eherals krank denn als süchtig. "Sie denken: Ichnehme doch nur das, was mir der Arzt verschriebenhat", sagt Franke. Doch bei bestimmten Beruhigungsmittelnkönne bereits nach siebentägiger Einnahmeeine Abhängigkeit entstehen.

Z-TITEL: "Eine Sucht äußert sich zumeist darin,dass die Dosis gesteigert und Medikamentegehortet werden." Karin Mohn Hauptstellegegen die Suchtgefahren

Generell sollten das Risiko einer Abhängigkeitmit dem Arzt besprochen und der Beipackzettelernst genommen werden. Medikamente seien nurals letzte Möglichkeit anzusehen, rät Franke.Besser geeignet seien Entspannungsübungen,Training gegen Rückenschmerzen oder der Besucheiner Kopfschmerzsprechstunde.

Ein Warnsignal für bereits bestehenden Tablettenmissbrauchsei etwa, wenn ein Mittel vorausschauend eingenommenwerde - beispielsweise, um bei einem wichtigenTermin Kopfschmerzen vorzubeugen, sagt KarinMohn. "Eine Sucht äußert sich zumeist darin,dass die Dosis gesteigert und Medikamentegehortet werden." Panik komme auf, wenn keineTabletten zur Verfügung stünden. "Ein Kennzeichenist auch, sich selbst und andere über dieMenge der eingenommenen Medikamente zu belügen."

Wenn eine Frau derartige Anzeichen bei sichbemerke, solle sie sofort einen Facharzt aufsuchen,rät Franke. Die Medikamente sollten jedochauf keinen Fall ohne ärztliche Begleitungabgesetzt werden. Der Entzug sei fürchterlich:Angstzustände, Erstickungsnot und Krämpfekönnten auftreten. Daher sollte die Entwöhnungnach Möglichkeit in einer Klinik erfolgen.Ein sechsmonatiger Klinikaufenthalt mit anschließenderPsychotherapie war auch für Rosemarie Hermannder Wiederbeginn eines Lebens ohne Alkoholund Tabletten.

<$7>Sie habe gelernt, gelassener mit Anforderungenumzugehen. Warnsignale ihres Körpers nehmesie bewusster wahr. Jetzt schont sie sich,anstatt Medizin zu nehmen.

Adressen von örtlichen Hilfeangebotenvermittelt die Deutsche Hauptstelle gegendie Suchtgefahren, PF 1369, 59003 Hamm, Ruf:02381/90150, E-Mail: [email protected]