Laktose-Intoleranz Laktose-Intoleranz: Krank durch Milch und Milchprodukte

Hattingen/Bonn/dpa. - Nach dem Kantinenessen machen starke Blähungen zu schaffen. Milchkaffee und Schokokekse lösen Durchfall aus. Die Ursache solcher permanenter Verdauungsstörungen kann Laktose-Intoleranz - Milchzucker-Unverträglichkeit - sein. Betroffene durchleiden bis zur richtigen Diagnose häufig überflüssige und unangenehme Untersuchungen. Ist die Krankheit jedoch erkannt, beseitigt eine laktosearme Ernährung meist alle Symptome. Je nach Empfindlichkeit sind Milchprodukte und laktosehaltige Lebensmittel dann tabu oder müssen reduziert werden.
Dabei ist das Verzichten auf milchhaltige Nahrungsmittel für erwachsene Menschen eigentlich ein natürliches Verhalten. Lediglich Säuglinge waren ursprünglich in der Lage, Laktose mit Hilfe des Enzyms Laktase zu verdauen. Erst mit der Viehhaltung wurde Milch als Lebensmittel für Erwachsene entdeckt. Durch Mutation setzte sich schließlich über Generationen die Fähigkeit durch, Milchzucker auch im Alter verdauen zu können. Laktose wird dabei zu Galaktose (Schleimzucker) und Glukose (Traubenzucker) gespalten und von der Darmwand aufgenommen.
Fehlt das den Milchzucker spaltende Enzym Laktase oder ist es nur eingeschränkt aktiv, passiert dieser den Dünndarm und wird im Dickdarm bakteriell zu Gasen und organischen Säuren zersetzt. Typische Beschwerden sind nach Angaben des Facharztes Udo Rabast von der Medizinischen Klinik der Katholischen Kliniken Ruhrhalbinsel in Hattingen (Nordrhein-Westalen) dann Blähungen, Darmgeräusche, Durchfall und krampfartige Bauchschmerzen. «Viele Betroffene haben bis zur richtigen Diagnose eine Odyssee hinter sich», sagt Dagmar Kihm-Schreiber aus Homburg, die eine Selbsthilfegruppe betreut.
«Die Mehrzahl der Weltbevölkerung entwickelt den Laktasemangel im Kindesalter, vor dem fünften Lebensjahr», erklärt Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Bonn. Die Häufigkeit der Laktose-Intoleranz schwankt aber auch von Land zu Land: So vertragen etwa fast alle Schwarzafrikaner oder Indianer keine milchzuckerhaltigen Speisen und Getränke. Erwachsene Nord- und Mitteleuropäer haben in der Regel mehr Freude am Milchgenuss.
Dennoch gibt es auch unter ihnen etliche, deren Enzym nur vermindert tätig ist. «Nach vorsichtigen Schätzungen besitzen rund 14 Prozent der deutschen Bevölkerung eine erworbene Laktose-Intoleranz», so Antje Gahl. Jeder Siebte, das heißt rund 11,4 Millionen Deutsche, leidet darunter. Ein angeborener Defekt ist jedoch sehr selten.
Als Ursache für die Unverträglichkeit bei Erwachsenen wird eine Schädigung der Darmschleimhaut durch Virusinfekte diskutiert. Sie könne auch eine Begleiterscheinung verschiedener Erkrankungen des Dünndarms wie beispielsweise der Zöliakie sein, die durch das in allen Getreidesorten vorkommende Klebereiweiß Gluten ausgelöst wird, sagt Gahl. Bekannt ist das gehäufte Auftreten der Krankheit auch bei Patienten mit einem Reizdarmsyndrom und auch bei Divertikulose, Ausstülpungen im Dickdarm. «Entgegen früheren Annahmen kann die fehlende Laktaseaktivität nicht wieder stimuliert werden.»
Bei Verdacht sei der so genannte Wasserstoff-Exhalationstest die sicherste Methode, erkärt Facharzt Rabast. Nach Verabreichen einer hohen Dosis Laktose wird über einen bestimmten Zeitraum der Wasserstoffgehalt in der ausgeatmeten Luft gemessen. Erhöhte Werte sind ein Indikator, dass Milchzucker nicht abgebaut wird.
Bei einen positiven Befund helfen eine fundierte Ernährungsberatung und Selbsthilfegruppen weiter. In den meisten Fällen müsse Milchzucker nicht völlig gemieden werden, sondern ein Reduzieren der täglichen Gesamtmenge sei schon ausreichend, ist die Erfahrung der Ernährungsberaterin Ursula Michels aus Leverkusen. Sie hat sich auf Laktose-Intoleranz spezialisiert und rät: «Jeder muss für sich austesten, wieviel er verträgt.»
Anhand von Lebensmittellisten können Betroffene ausrechnen, wie viel Milchzucker sie aufnehmen: Schnittkäse habe kaum Laktose, aber zehnmal so viel Kalzium als Milch, weiß Michels. Deshalb empfiehlt sie ihn allen Betroffenen als wichtige Kalziumquelle. Milch und Milchpulver finden sich der Expertin zufolge in Süßwaren, Backwaren, Wurstwaren, Tütensuppen und Fertiggerichten. Auch Tabletten können Laktose als Trägersubstanz enthalten.
Nur bei Einladungen, Restaurantbesuchen oder im Urlaub rät Michels zu Enzympräparaten, die gleichzeitig mit der Mahlzeit eingenommen werden. «Entscheidend ist, dass die Laktase zusammen mit der Laktose im Darm ankommt.» Im normalen Alltag sei aber auf jeden Fall eine Ernährungsumstellung vorzuziehen. Denn Enzyme in Tablettenform gelten als Nahrungsergänzungsmittel und werden von den Krankenkassen nicht bezahlt.