KRANKES HERZ „Muss ich sterben?“ - Ärzte in Halle bieten Therapie für Herz und Psyche
Manche Menschen fühlen sich herzkrank, obwohl sie es nicht sind. Das Problem beginnt oftmals im Kopf. Eine Therapieform in Halle setzt genau dort an und .

Halle (Saale) - Viele herzkranke Patienten stecken in einem Teufelskreis. Weil sie sich ihrer Probleme und der möglichen Konsequenzen bewusst sind, hören sie gewissermaßen ständig in sich hinein. Kleinste Unregelmäßigkeiten etwa des Herzschlags werden als Alarmsignal gewertet, auch wenn sie harmlos sind. Das bereitet Stress und Stress kann krank machen – auch herzkrank.
Eine multimodale Therapie soll Patienten helfen, aus diesem Kreis auszubrechen. Davon gibt es in Deutschland noch recht wenige Angebote, eines davon in Halle. Die beiden Ärzte Dr. Petra Schirdewahn, Internistin und Kardiologin, sowie Dr. Thilo Hoffmann, Chefarzt der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie am Diakoniekrankenhaus in Halle, haben es gemeinsam mit der Techniker Krankenkasse ins Leben gerufen.
Kardiologie: Was steckt hinter der multimodalen Therapie?
Körperliche und mentale Gesundheit hängen eng miteinander zusammen. Manche Herzpatienten beispielsweise klagen auch dann noch über Beschwerden, wenn die Behandlung längst erfolgreich abgeschlossen ist. Der Patient lebt aber nach wie vor mit den Ängsten, die eine Herzkrankheit nun mal mit sich bringt. Er hört in sich hinein, kleinste Unregelmäßigkeiten des Pulses oder Herzschlags werden als krankhafte Symptome ausgelegt.
Das versetzt wiederum das Gehirn in Stress, weil es als zentrales Steuerungsorgan auf die mutmaßliche Gefahr reagieren muss. Wenn dieser Stresszustand zum Dauerzustand werde, mache er krank, sagt Petra Schirdewahn. Das sei der mentale Teil des Problems, der ebenfalls therapiert werden müsse. Psychokardiologie – dieser Fachbegriff bündelt das Thema.
Psychokardiologie: Was erwartet die Patienten während der Therapie?
Die Patienten kommen regelmäßig in Gruppen zusammen. Eine Physiotherapeutin und eine Psychologin betreuen die Teilnehmer fachlich. Auf dem Programm stehen Sport, Entspannungstraining (Qigong, die progressive Muskelentspannung, Phantasiereisen und Atemtherapie). Dazu kommt eine Art theoretische Schulung für Herz und Psyche in der Gruppe. „Die Patienten erfahren für sie relevante Dinge rund um Herz und Psyche“, sagt Thilo Hoffmann. Die Therapie in der Gruppe erweist sich dabei als außerordentlich wirksam. „Das hätten wir so nicht vermutet“, stellen beide fest. Die Patienten erleben, dass sie nicht allein das Problem haben, sie tauschen sich aus, machen sich gegenseitig Mut.
Wie funktioniert unser Herz? Was beeinflusst den Puls? Um diese Fragen geht es letztlich. „Die Patienten sollen ein besseres Gefühl für ihren Körper bekommen“, sagt Schirdewahn. Nicht jeder Stolperer des Herzens sei kritisch. Das müssten Betroffene wissen. Im besten Fall bekommen laut der Kardiologin die Patienten auf diese Weise ein Gefühl dafür, wann Unregelmäßigkeiten letztlich völlig normal sind, und wann sie damit besser zu ihrem Arzt gehen. Hoffmann bezeichnet das als „individuelles Stressmanagement“.
Warum ist Stressmanagement für Herzkranke so wichtig?
Angst um die eigene Gesundheit führt zu Stress, Stress wiederum macht krank. „Es gibt kognitiv und es gibt emotional gesteuerte Ängste“, erklärt Schirdewahn. Bei der Therapie gehe es unter anderem darum, die kognitiven – also vom Verstand gesteuerten – Ängste abzubauen. Wer den Toleranzbereich für gesunden Puls oder Herzschlag kennt, so der Ansatz, gerät nicht schon bei der kleinsten Unregelmäßigkeit in Panik.4 Warum macht Stress eigentlich krank?
Stress fördert Entzündungen im Körper, die sogenannte Neuroinflammation. Entzündungen wiederum können Ursache für ein krankes Herz sein. „Deshalb ist es so wichtig, zum Beispiel Patienten mit Vorhofflimmern die Angst zu nehmen und ihnen den Umgang mit Ihrer Erkrankung zu erklären“, sagt Schirdewahn. „Die Entzündung – dieser Stress – muss raus aus dem Körper.“
Wie kommt die Entündung aus dem Körper?
Den eigenen Körper besser verstehen lernen, dazu ausreichend Bewegung, gesunde Ernährung und die richtige Atmung – das sind die Anknüpfungspunkte für die Mediziner. Wobei der Erfolg mit der Bereitschaft der Patienten steht und fällt.
„Die Patienten müssen Eigenverantwortung übernehmen“, sagt Schirdewahn. Zugleich plädiert sie dafür, dass die Ärzte das mit klaren Ansagen unterstützen. Es nütze nichts, wenn der Patient den Ratschlag bekomme, weniger Alkohol zu trinken oder sich mehr zu bewegen, so ihre Überzeugung. Das sei ihr zu schwammig. Wer ein krankes Herz habe, brauche klare Vorgaben: gar keinen Alkohol, deutlich weniger Zucker und jeden Tag zweimal 30 Minuten Sport beziehungsweise Bewegung. Wobei die Medizinerin einschränkt: Es müsse nicht alles auf einmal sein. „Wir dürfen die Patienten auch nicht überfordern.“
Körperliche Belastung: Was ist mit positivem Stress?
Stress kann zunächst einmal positiv sein, wenn eine Aktivität damit verbunden ist. Wer etwa Nordic Walking betreibt, strengt sich schließlich an, belastet sich. Und das sei durchaus gut, erklären beide Mediziner. Und die Betroffenen müssten es genau so empfinden: Es ist gut für mich.
Bei Patienten mit Herzinsuffizienz darf nach den Worten der Kardiologin Stress jedenfalls nicht dazu führen, dass sie in ein Schonverhalten verfallen – sich also gar keine körperliche Belastung mehr zutrauen.
Herzpatienten: Warum gehört Sport zur Therapie?
Sport baut nachweislich Stress ab. Herzpatienten neigen aber mitunter dazu, Anstrengungen mit Rücksicht auf ihr krankes Organ zu vermeiden. Das führt zum genannten Schonverhalten. Was aber falsche Rücksicht ist und genau ins Gegenteil umschlagen kann. Dass ihnen Sport gut tut, soll deshalb auch eine Erfahrung der Therapie sein.
Und damit den Teilnehmern mögliche Ängste genommen werden, joggen oder walken sie in Begleitung einer Physiotherapeutin durch den Wald. „Auf diese Weise erfahren Herz-Patienten gewissermaßen unter fachlicher Aufsicht, dass ein erhöhter Puls nicht automatisch ein gesundheitliches Risiko bedeutet“, erklärt Hoffmann. Diese Erfahrung sei wichtig, um nach der Therapie eigenständig besser abschätzen zu können, welche Belastung im Normbereich ist. „Solche moderierten Therapiegruppen sind wichtig für die Patienten“, sagt Hoffmann.
Wie finden Herzpatienten zur multimodalen Therapie?
Ansprechpartner dafür finden sie in der Praxis der Kardiologin Petra Schirdewahn in Salzatal und über die psychosomatische Klinik des Chefarztes Thilo Hoffmann im Diakoniekrankenhaus in Halle. Wer in eine Therapie-Gruppe will, muss sich letztlich an seine Krankenkasse wenden. Dort erfolgt die Eintragung in die Teilnehmerliste. Allerdings tragen nicht alle Kassen die Kosten. Das Angebot in Halle ist deshalb zurzeit nur für Versicherte der Techniker Krankenkasse, der AOK und der IKK gesund plus eine Option.
Welche Erfahrungen gibt es mit den Therapiegruppen?
Nach Angaben der beiden Ärzte haben bisher 15 Gruppen mit zusammen rund 100 Teilnehmern die Therapie absolviert. Sie dauert jeweils sieben bis acht Wochen. Die Resonanz sei überaus positiv, sagen die Mediziner. Viele Teilnehmer würden nach der Therapie weiter Sport machen, andere die Entspannungsübungen.
Letztlich hänge der Erfolg vom Patienten ab, sagt Schirdewahn. Wer seinen Alltag aktiv gestalte, Sport treibe, tue etwas Gutes für sein Herz. Diese Einsicht ist nach ihren Worten das A und O der Therapie. Wer sich nur auf die vom Arzt verschriebenen Tabletten verlasse, vergebe sich Chancen auf ein stressfreieres Leben.
Hier gibt es Rat und Hilfe
Praxis Petra Schirdewahn, Mail: [email protected]; Sekretariat Thilo Hoffmann: [email protected]