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Karies bei Kleinkindern Karies bei Kleinkindern: Zahnteufel ohne Chance

Von Kerstin Metze 16.08.2015, 09:08
Am besten lernen die Kleinen frühzeitig spielerisch den Umgang mit der Zahnbürste.
Am besten lernen die Kleinen frühzeitig spielerisch den Umgang mit der Zahnbürste. Prodente Lizenz

Halle (Saale) - Karies ist auch in Sachsen-Anhalt rückläufig. Mit einer Ausnahme: „Bei kleinen Kindern nimmt die Zahl kariöser Zähne zu“, wie Dr. Carsten Hünecke, Referent für Öffentlichkeitsarbeit im Vorstand der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt, betont. Im Schnitt sind bei jedem Kind zwischen drei und sechs Jahren 1,35 Zähne nicht gesund.

Fluorid ist ein wirksames Mittel zur Kariesvermeidung: Es hilft bei der Anreicherung des Zahnschmelzes mit Mineralien und verbessert die Widerstandsfähigkeit. In einigen Ländern wird Fluorid dem Trinkwasser beigefügt; in Deutschland ist das nicht erlaubt. Wissenschaftlich erforscht ist, dass das Fluorid am effektivsten wirkt, wenn es direkt mit dem Zahnschmelz in Berührung kommt. Zahnärzte empfehlen deshalb, die Fluoridgabe über Zahnpasta zu sichern, statt Fluoridtabletten zu nehmen.

Ursache seien in erster Linie die ständige Verfügbarkeit von Süßem sowie die mangelhafte Sensibilisierung von vielen Eltern und Erzieherinnen für eine frühzeitige Zahnpflege.

Frühzeitig Zahnarzt besuchen

Um das zu ändern, werben die Zahnärzte in Sachsen-Anhalt bereits seit dem Jahr 2000 mit dem Zahngesundheitspass dafür, den Zahnarzt frühzeitig aufzusuchen, um fachkundig erste Anzeichen für kariöse Schäden oder gar eine alle Frontzähne befallende frühkindliche Karies („Nuckelflaschenkaries“) zu entdecken und zu beheben.

Das Gesetz sieht zahnärztliche Untersuchungen bislang erst bei Kindern ab zweieinhalb Jahren vor. Die Barmer-Gek hat gemeinsam mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung als erste Krankenkasse im Land die dentale Frühprävention deutlich ausgeweitet: Die zahnmedizinische Prävention wird seit April 2014 bereits ab dem Alter von sechs Monaten kostenlos ermöglicht. Mädchen und Jungen zwischen sechs und 30 Monaten können demnach zwei Früherkennungsuntersuchungen beim Zahnarzt nutzen. Dabei wird unter anderem das Kariesrisiko eingeschätzt, wie Barmer-Gek-Landesgeschäftsführer Axel Wiedemann erklärt.

„Zahnteufel - bei uns nicht!“

Im Saalekreis, in dem es in puncto Zahngesundheit bei Kindern schlechter bestellt ist als im Landesdurchschnitt, hat die Jugendzahnärztin beim Gesundheitsamt, Dr. Juliane Hertwig, gemeinsam mit der Landes-Zahnärztekammer ein besonderes Projekt gegen schlechte Zähne angekurbelt: „Zahnteufel - bei uns nicht!“ Dabei sollen schon die Krippenkinder lernen, wie Zähneputzen funktioniert und dass ein Zahnarztbesuch auch Spaß machen kann und nicht zwingend mit Angst oder Schmerzen verbunden ist.

Hertwig leitet die Aktion bei den 69 Mädchen und Jungen der Kita „Zwergenhäuschen“ in Merseburg. Der Zahnärztin zufolge hatten bei ihrem ersten Besuch 25 Prozent der Kinder behandlungsbedürftige Gebisse. „Ziel meiner regelmäßigen Besuche ist es, die Kinder ab dem ersten Lebensjahr zu begleiten und sie kariesfrei in die Schule zu entlassen“, sagt die Zahnärztin. Und siehe da: Es gibt sichtbare Erfolge. „Ein Mädchen, das vier schlechte Zähne hatte, ist jetzt saniert und ein Vorzeigekind“, wie Hertwig sagt.

Es habe zwar vieler Eltern- und Erzieherinnengespräche bedurft, bevor die Knirpse heute wie selbstverständlich mit der Zahnbürste vor den Waschbecken stehen und sich auch in den Mund schauen lassen. Und in anderen Kindereinrichtungen gebe es noch viel Skepsis. Aber im „Zwergenhäuschen“ sei man vom Erfolg überzeugt. Zähneputzen gehöre dort jetzt zum Alltag wie Windelnwechseln.

„Es ist wichtig, mit den Eltern zu arbeiten, ihnen Wissen zu vermitteln“, sagt Hertwig. So erkläre sie immer wieder, dass es falsch sei, mit Kindern eine Zahnarztpraxis zu betreten und zu sagen: Du musst keine Angst haben, das tut gar nicht weh. „Dieser Satz suggeriert den Kindern meist genau das Gegenteil - nämlich eine potenzielle Gefahr“, warnt die Zahnärztin.

Gravierende Auswirkungen

„Zahnärzte und Wissenschaft sind sich einig, dass die zahnmedizinische Prävention schon mit dem ersten durchbrechenden Zahn einsetzen muss“, sagt Hünecke. Sein Rat: „Sobald sich das erste Zähnchen zeigt, sollte mit dem Zähneputzen begonnen und das Kind einem Zahnarzt vorgestellt werden, damit es sich an die Atmosphäre gewöhnt.“ Der Zahnarzt könne bereits erste Anzeichen kariöser Läsionen diagnostizieren und behandeln, ohne gleich zum Bohrer greifen zu müssen. Ziel sei es, die gefürchtete frühkindliche Karies wirksam zurückzudrängen. Bei diesem Erkrankungsbild büßen bereits Dreijährige ihre oberen Frontzähne komplett ein.

Und das habe gravierende Auswirkungen auf die Sprachentwicklung, auf soziale Kontakte und auch auf das Essverhalten. „Ein intaktes Milchgebiss ist entscheidend dafür, im späteren Leben gesunde Zähne zu haben“, sagt auch die Kreiszahnärztin Juliane Hertwig.

Weitere Informationen und Ratschläge gibt es bei der zahnärztlichen Patientenberatungsstelle unter Telefon 0391/739 3912 und im Internet unter www.zahnaerzte-sah.de (mz)

Im Merseburger „Zwergenhäuschen“: Kreiszahnärztin Juliane Hertwig (rechts) zeigt Jean, Lara, Lucie und Elias (von links) die richtige Zahnpflege. Mit dabei ist Anja Schäfer, Mitarbeiterin im zahnärztlichen Dienst des Kreises.
Im Merseburger „Zwergenhäuschen“: Kreiszahnärztin Juliane Hertwig (rechts) zeigt Jean, Lara, Lucie und Elias (von links) die richtige Zahnpflege. Mit dabei ist Anja Schäfer, Mitarbeiterin im zahnärztlichen Dienst des Kreises.
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