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Jugend Jugend: Laute Musik im Auto ist riskant

Von Felix Rehwald 28.03.2006, 18:07
Voll auf die Ohren: Laute Musik im engen Auto trifft mit fast unvermindertem Schalldruck auf das Trommelfell. (Foto: dpa)
Voll auf die Ohren: Laute Musik im engen Auto trifft mit fast unvermindertem Schalldruck auf das Trommelfell. (Foto: dpa) DVR

Freiburg/München/dpa. - Mit der Wattzahl ihrer Musikanlagehalten es viele Autofreaks wie mit der Leistung ihres Motors: jegrößer, desto besser. Und das Potenzial der eingebauten Endstufen,Bassboxen und Hochtöner wird unterwegs nur zu gerne ausgereizt. Dochmit voller Dröhnung herumzukurven, geht nicht nur den Nachbarn aufdie Nerven. Viele Autofahrer bedenken nicht, dass sie durch lauteMusik ihre Hörzellen ruinieren und sich Verkehrsrisiken aussetzen.

«Wer sich auf Dauer im Auto "zudröhnt", dem droht ein bleibenderGehörschaden», warnt Michael Deeg, Sprecher des DeutschenBerufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte in Freiburg. Selbst die abWerk eingebauten Musikanlagen erreichten heute Lautstärkepegel, «diedeutlich über dem Gehör schädigenden Maximum liegen.» Der Richtwertdafür liegt laut Deeg bei 85 Dezibel (dB).

Solche Lautstärken sind zwar auch mit der Hifi-Anlage imWohnzimmer locker möglich. Das Risiko, durch laute Musik Hörschädenzu erleiden, ist dem Mediziner zufolge jedoch im Auto potenziell vielgrößer: «Der Raum ist kleiner und in sich abgeschlossen. Dadurch wirdein viel größerer Schalldruck aufgebaut.»

Dieser Druck trifft im Ohr des Fahrers nahezu ungemindert auf dieHörzellen. Durch die Dauerbelastung kommt es laut Deeg zum sogenannten Schwellenschwund-Phänomen. Dabei nehmen Betroffene auch beiStille ein permanentes Rauschen wahr. «Die Sinneszellen haben durchdie Einwirkung der Schallwellen einen Schaden erlitten», erklärt derOhrenarzt. Bei kurzzeitiger Belastung können sie sich zwar wiedererholen - bei Dauerbelastung jedoch nicht. Die Folgen sind dannSchwerhörigkeit oder dauerhafte Ohrgeräusche, so genannter Tinnitus.

Deeg vergleicht die Vorgänge im Ohr mit der Reaktion einesKornfelds im Wind: Wie die vom Wind gebogenen Getreidehalme richtetensich auch die Hörzellen im Ohr nach lauter Musik normalerweise wiederauf. Bei starkem Sturm - also großer Lautstärke über längere Zeit -werden die Halme - die Hörzellen - jedoch unrettbar platt gedrückt.

Für Hubert Paulus vom ADAC-Technikzentrum in Landsberg (Bayern)sind leistungsstarke Audio-Anlagen längst das Hauptproblem, wenn esum die Lärmbelastung von Fahrzeuginsassen geht. «Das Lärmniveau derFahrzeuge ist heute insgesamt deutlich niedriger als noch vor einigenJahren.» Seit die Motoren gekapselt und im Motorraum Dämmmaterialieneingebaut werden, seien Motorgeräusche im Innenraum kaum noch alsgesundheitliche Belastung zu betrachten. Die Außengeräusche dürftenbei der Typzulassung ohnehin bestimmte Werte nicht überschreiten.

Stärker wahrnehmbar als die Motor- seien die Windgeräusche. «Diesind zwar mitunter unangenehm, aber von der Lärmbelastung her keinProblem», sagt der Fahrzeugexperte. Mit Hilfe aerodynamischer Tricks,zum Beispiel an bestimmten Stellen angebrachter Spoiler, versuchtendie Hersteller außerdem, diese Geräusche so gering wie möglich zuhalten.

Um Hörschäden vorzubeugen, empfiehlt Michael Deeg, die Musikanlageim Auto so einzustellen, dass die Lautstärke noch als angenehmempfunden wird. Das dürfe durchaus auch einmal etwas lauter sein -«aber nicht so laut, dass es knallt.»

Während Deeg mit dem Wort «knallen» hier irreparable Hörschädenumschreibt, versteht es Almut Schönermarck durchaus wörtlich: Durchlaute Musik im Auto erhöhe sich die Gefahr, dass es knallt - also dasUnfallrisiko - deutlich, sagt die Leiterin der Verkehrsmedizin beimADAC in München: «Je lauter die Musik im Auto ist, desto schlechterist die Reaktion des Fahrers.» Laute Musik sei ein erheblicherAblenkungsfaktor.

Gerade im unübersichtlichen Stadtverkehr, der viel Aufmerksamkeitverlangt, ist das nach Almut Schönermarcks Worten gefährlich für dieVerkehrssicherheit. So kann es zu einem «Informationsstau» kommen,bei dem das Gehirn wichtige Informationen nicht mehr rechtzeitigverarbeitet. Außerdem sei die Alarmierungsfunktion des Gehörseingeschränkt, wodurch Geräusche nicht mehr wahrgenommen werden.

Diese Erkenntnisse der Unfallforscher hat Schönermarck in ihrerZeit als Notärztin oft hautnah erlebt. In Musik vertiefte Autofahrerhätten den mit Martinshorn heranbrausenden Rettungswagen schlichtüberhört und die Retter in brenzlige Situationen gebracht. Da ist esleicht vorstellbar, dass die «volle Dröhnung» im Auto auch andereVerkehrsteilnehmer gefährden kann: Wer die Musik so laut stellt, dasser selbst ein Martinshorn nicht mehr wahrnimmt, hört eine Hupe schongar nicht, und im Zweifelsfall ist ein Crash unvermeidlich.

Das kann - von den Unfallfolgen abgesehen - für Musikfans teuerwerden. Schönermarck berichtet von einem Fall, in dem ein Autofahrerwegen Fahrerflucht verurteilt wurde. Er hatte ein anderes Autogerammt und war einfach weitergefahren - weil er das Radio so lautgestellt hatte, hatte er von dem Zusammenprall nichts mitbekommen.Damit so etwas nicht passiert, empfiehlt Almut Schönermarck, inunübersichtlichen Situationen eines zu tun: «das Radio ausschalten.»

Laute Musik lenkt vor allem im Stadtverkehr ab - das Unfallrisiko steigt deutlich. (Foto: dpa)
Laute Musik lenkt vor allem im Stadtverkehr ab - das Unfallrisiko steigt deutlich. (Foto: dpa)
DVR