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Hörstörungen Hörstörungen: Alarm im Ohr: Tinnitus und Hörsturz

11.02.2004, 12:40
Zermürbende Töne: Auf die Diagnose „Tinnitus“ folgt oft die mühsame Suche nach der richtigen Therapie. (Foto: dpa)
Zermürbende Töne: Auf die Diagnose „Tinnitus“ folgt oft die mühsame Suche nach der richtigen Therapie. (Foto: dpa) Deutsche Tinnitus Liga

München/Leverkusen/dpa. - Ständiges Rauschen, Pfeifen oder Dröhnen im Ohr - diese Plagen müssen rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland Tag für Tag ertragen. Die Zahl der chronisch vom so genannten Tinnitus Geplagten nimmt nach Angaben der Deutschen Tinnitus-Liga in Wuppertal jedes Jahr um 270 000 zu. Viele Patienten probieren unzählige Behandlungen aus, um die nervenzermürbenden Töne loszuwerden. «In hartnäckigen Fällen die richtige Therapie zu finden, kann schwierig sein», weiß Elke Knör, Vorsitzende der Tinnitus-Liga. Mehr als die Hälfte der Patienten wechsele den Therapeuten, und fast ebenso viele brechen eine begonnene Behandlung ab.

«Bei rund einem Drittel aller Betroffenen verschwindet der Tinnitus von selbst», sagt Privatdozent Markus Suckfüll, Oberarzt der Hals-Nasen-Ohrenklinik der Universität München. Einen chronischen Tinnitus zum Verschwinden zu bringen, sei aber so gut wie ausgeschlossen. Betroffene können jedoch lernen, ihre Wahrnehmung so zu trainieren, dass sie die Ohrgeräusche nicht mehr bemerken.

«Die Krankheit ist nicht das Pfeifen, sondern die Tatsache, dass der Betroffene damit nicht umgehen kann», sagt Suckfüll. Mit Hilfe von Verhaltenstherapien und so genannten Retraining-Methoden lernen Tinnitus-Patienten, Angst und Belastung zu bewältigen und die Geräusche zu ignorieren.

Ein Teil der Retraining-Therapie besteht darin, Stille zu meiden, weil die Ohrgeräusche in ruhiger Umgebung lauter wirken. Leise Entspannungsmusik zum Einschlafen ist ein einfaches Mittel. In manchen Fällen hilft ein so genannter Tinnitus-Masker, die Wahrnehmung abzulenken. Das kleine Gerät trägt der Patient am Ohr, wo es ein leises Rauschen aussendet, das die Ohrgeräusche überdeckt.

Nicht nur wegen der psychischen Belastung ist es für chronisch Tinnitus-Geplagte wichtig, ihre Wahrnehmung umzustellen. «Wenn sich der Betroffene auf das Geräusch fixiert, kann sich der Effekt verselbstständigen», sagt Suckfüll. In manchen Fällen entsteht eine Fehlsteuerung im Gehirn, die sich mit Phantomschmerzen vergleichen lässt: Das Gehirn signalisiert anhaltend störende Geräusche - auch dann noch, wenn sie objektiv verstummt sind.

Auch viele Hörsturz-Betroffene leiden unter Ohrgeräuschen. Der plötzliche Gehörverlust wirkt sich unterschiedlich stark aus: Die Beschwerden reichen von einer vorübergehenden Beeinträchtigung bis zum Ertauben. Begleitet wird der Hörsturz häufig von Pfeifen und Druckgefühl im Ohr.

«Die Zahl der Hörstürze in Deutschland nimmt zu», beobachtet Elke Knör. «Sogar Kinder und Jugendliche sind immer häufiger von Hörsturz und Tinnitus betroffen», so die Expertin der Tinnitus-Liga.

«Wer einen plötzlichen Gehörverlust bemerkt, sollte am nächsten Tag zu einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt gehen», rät Markus Suckfüll. «Wenn ein Schaden im Innenohr nicht schnell behandelt wird, kann er auf Dauer bestehen bleiben», warnt auch der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Franz-Josef Ganz in Leverkusen.

Was den Hörsturz verursacht, ist bisher unbekannt. Die meisten Ärzte gehen von einer Durchblutungsstörung im Innenohr aus. Stress und seelische Belastung können eine Ursache sein. «Das ist jedoch eine reine Vermutung», betont Suckfüll. «Andere mögliche Ursachen sind Vireninfektionen oder rheuma-ähnliche Autoimmuneffekte.» Das Innenohr sei zu klein für eine Diagnose. Deshalb seien mehrere umfassende Untersuchungen nötig, um die Ursache zu entdecken.

Um dem Hörsturz vorzubeugen, rät Franz-Joseph Ganz zum Stressabbau: «Das geht nur mit regelmäßigem Sport und gesunder Ernährung.» Großer Lärm sollte vermieden werden. «Bei absoluter Ruhe erholen sich die Ohren in sehr kurzer Zeit», erläutert Ganz.

So unklar die Ursache, so umstritten ist auch die richtige Behandlung beim Hörsturz. «Ich behandle 98 Prozent meiner Hörsturz-Patienten mit Infusionen», sagt Franz-Josef Ganz. Die über ein bis zwei Wochen täglich verabreichten Infusionen sollen das Blut verdünnen und damit für eine verbesserte Durchblutung des Innenohres sorgen. Diese Therapie ist zum Standard geworden.

«Allmählich setzt sich aber ein zunehmendes Verständnis für die Unterschiede durch», sagt Markus Suckfüll. Je nach Art der Hörstörung und dem Allgemeinbefinden des Patienten reicht die Palette der Therapiemöglichkeiten von einer Behandlung mit Kortison über Infusionen bis hin zu einer Blutreinigung. Wenn keine Behandlung geholfen hat, werden Patienten sogar erhöhter Sauerstoffzufuhr in einer Druckkammer ausgesetzt.

Bei der auch H.E.L.P.-Apherese genannten Blutreinigung lassen sich die Patienten für ein bis zwei Stunden an einen Apparat anschließen. Dabei werden bestimmte durchblutungsstörende Stoffe aus dem Blut herausgefiltert. Die Therapie komme vor allem für Menschen in Frage, die ihren Hörsturz innerhalb von ein bis zwei Wochen behandeln lassen, sagt Suckfüll. Laut Elke Knör von der Tinnitus-Liga ist diese Behandlung aber nur dann sinnvoll, wenn der Patient an einer krankhaften Stoffwechselstörung leidet. Die Krankenkassen haben das Verfahren bisher nicht zugelassen, so dass die Patienten die Kosten von rund 1000 Euro selbst tragen müssen.