Hohe Akzeptanz von Alternativmedizin in Deutschland
Berlin/dpa. - Deutschland ist nach Angaben der Berliner Charité EU-Spitzenreiter bei der Nutzung von Alternativmedizin. Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung in Deutschland nehmen die Angebote von Akupunktur bis hin zur Traditionellen Chinesischen Medizin in Anspruch.
Das teilte Charité-Ärztin Claudia Witt in Berlin mit. Damit liege die Akzeptanz in Deutschland vor Frankreich (50 Prozent), der Schweiz (40 Prozent) oder Großbritannien (20 Prozent). Witt tritt Ende Mai an der Charité die erste deutsche Uni-Professur zur Erforschung der Alternativmedizin an.
Am beliebtesten bei deutschen Patienten sind nach Witts Angaben Naturheilverfahren wie Wasseranwendungen. 65 Prozent der Frauen und rund die Hälfte der Männer griffen darauf zurück. Homöopathie nähmen in Deutschland 15 Prozent der Bevölkerung in Anspruch, bei Akupunktur seien es 9 Prozent. Viele Patienten nutzten die Angebote auch in Kombination mit der klassischen Schulmedizin. Nach Witts Erhebungen scheint es jedoch eine Art Prototyp für alternative Heilmethoden zu geben: Es seien in der Regel jüngere, gut gebildete Menschen mit chronischen Krankheiten - häufiger Frauen als Männer.
Berührungsängste gegenüber Alternativmedizin sieht Witt bei der Ärztezunft schwinden. «Jeder dritte bis vierte niedergelassene Arzt greift heute auf Akupunktur zurück», sagte die Professorin. 5000 Mediziner hätten eine Zusatzqualifikation in klassischer Homöopathie erworben - im Unterschied zum Heilpraktiker ohne ärztliche Approbation. Einige Krankenkassen erstatteten inzwischen Akupunktur-Kosten bei Rücken- oder Knieproblemen. Skeptisch blieben vor allem die Uni-Kliniken: Ihnen fehlten handfeste Belege für den Nutzen.
An der Charité will Witt Studien zur Alternativmedizin nun vorantreiben. Sie möchte unter anderem herausfinden, warum manche Patienten mehr davon profitieren als andere. Ein Problem wird die Professorin aber wohl nicht schnell lösen können: In bisherigen Studien ist zwar die Wirksamkeit mancher alternativer Heilmethode bestätigt worden. «Doch die Wirkmechanismen sind teilweise oder gar nicht bekannt», sagte Witt. Der Lebensstil und der Glaube an eine Therapie spielten dabei sicher auch eine Rolle.
Finanziert wird der neue Charité-Lehrstuhl mit einer Million Euro fünf Jahre lang von der Karl und Veronika Carstens-Stiftung. Bisher gebe es in Deutschland 3 Professuren für die Patientenversorgung mit Alternativmedizin - aber keinen für die Forschung, sagte Witt.