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Gründe für Stimmversagen sind oft vielfältig

Von Sabine Maurer 06.05.2009, 07:20

Weilmünster/dpa. - Wenn die Stimme versagt, kann es dafür viele Gründe geben: ein Infekt, Überbelastung oder Knötchen auf den Stimmbändern. Meist ist eine Heiserkeit nach wenigen Tagen verschwunden, doch bei manchen Menschen wird sie chronisch.

«So eine lange Krankheitsdauer ist die absolute Ausnahme», sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sprach- und Stimmheilkunde, Prof. Rainer Schönweiler von der Universität Lübeck. In der Regel seien die Patienten mit chronischen Leiden etwa nach neun Monaten und ungefähr 20 Logopädie-Stunden wieder beschwerdefrei. Ausnahmen seien zum Beispiel Krebskranke, sie benötigen jahrelange Behandlungen.

Das gilt auch für Menschen wie Helga Klein Klein aus Berlin, die jahrelang nur flüstern konnte. Wegen psychischer Probleme hatte es ihr im Wortsinne die Sprache verschlagen. Durch Angst und Stress bei ihrer Arbeit als Immobilienverwalterin verkrampfte sie derart, dass sie nicht mehr sprechen konnte. Bei einem Aufenthalt im bundesweit einzigen Akutkrankenhaus für Stimm- und Spracherkrankungen im hessischen Weilmünster kam ihre Stimme immerhin zeitweise wieder.

Doch nicht nur psychische, auch organische, hormonelle und neurologische Störungen schlagen auf die Stimme. Sogar eine nach einem Bandscheibenvorfall erhöhte Körperspannung kann die Stimme negativ beeinflussen. Die Folgen können weit reichen: So haben die Menschen Probleme im Beruf oder können ihn gar nicht mehr ausüben. Sie ziehen sich zurück, gehen kaum mehr aus dem Haus und nicht mehr ans Telefon. Manchmal folgen auf die Sprachlosigkeit Panikattacken.

Die Betroffenen arbeiten zudem meist in Berufen, in denen sie sehr viel sprechen müssen. Nach Schönweilers Erfahrung sind das vor allem Lehrer, die in unruhigen Klassen ihre Schüler übertönen müssen. Auch Callcenter-Mitarbeiter und Verkäufer gehören oft zu seinen Patienten.

«Wir behandeln auch zunehmend alte Patienten», ergänzt Prof. Antoinette am Zehnhoff-Dinnesen, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie in Münster. Denn bei alten Menschen nimmt unter anderem die Elastizität der Stimmbänder ab, auch die Schleimhäute werden trockener. Ein Schlaganfall kann die Stimme komplett zum Verstummen bringen.

Heiser wird eine Stimme, wenn der komplizierte Bewegungsablauf der Stimmbänder nicht mehr richtig funktioniert. Zum Sprechen werden sie in Schwingung versetzt. Sind diese Schwingungen unregelmäßig, etwa wegen einer Schwellung, klingt die Stimme rau. Behaucht, also ungewöhnlich zart, hört sie sich an, wenn sich die beiden Stimmbänder nicht berühren, zum Beispiel bei einer Lähmung. «Als chronisch gilt eine Heiserkeit, wenn sie nach drei Monaten immer noch da ist», erläutert Schönweiler.

Ist die Stimme oft oder über eine längere Zeit heiser, empfiehlt sich der Gang zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Dieser untersucht unter anderem den Kehlkopf. Viele Patienten werden zum Logopäden geschickt und dort in der Regel insgesamt 20 Stunden behandelt. «Bei seelischen Ursachen sollte auf jeden Fall ein Psychologe hinzu gezogen werden», sagt am Zehnhoff-Dinessen. «Denn sonst kommt vielleicht die Stimme wieder, aber der Patient kriegt ein Magengeschwür.»

Beim Logopäden lernen einige Patienten erstmals ihre eigene Stimmlage kennen. Laut Schönweiler sprechen ein bis zwei Prozent der Bevölkerung in einer falschen Tonlage. Die Folgen sind überlastete Stimmbänder.

* Der Name wurde auf Wunsch der Betroffenen geändert.

Die Klinik für Stimm- und Spracherkrankungen des Klinikums Weilmünster in Hessen behandelt als einzige Akutklinik Deutschlands funktionelle, organische und psychogene Stimmstörungen. Zu den Patienten gehörte zum Beispiel eine Callcenter-Mitarbeiterin, die plötzlich nicht mehr sprechen konnte. Einer Bankangestellten musste eine Zyste auf dem Stimmband entfernt werden. Es dauerte Wochen, bis sie wieder Worte über die Lippen brachte. Ein Kellner konnte nach einem Monat wieder sprechen. Er hatte seine Stimme überbeansprucht und sich so eine Stimmbandlähmung zugezogen.