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Gesundheit Gesundheit: Kleine Winzlinge mit großer Funktion

Von Arnd Petry 16.03.2007, 12:20
Schuld ist die Schilddrüse - häufige Niedergeschlageneit kann auch mit einer Überfunktion der Nebenschilddrüse zu tun haben.(Foto: dpa)
Schuld ist die Schilddrüse - häufige Niedergeschlageneit kann auch mit einer Überfunktion der Nebenschilddrüse zu tun haben.(Foto: dpa) Jens Schierenbeck

Hamburg/Frankfurt/Main/dpa. - Sie sind kaum größer als eineLinse und dabei lebenswichtig: die Nebenschilddrüsen. Kommen sieihrer Arbeit nicht nach, äußert sich das häufig in Muskelkrämpfen.Sind sie überaktiv, drohen Müdigkeit, Depressionen oderBluthochdruck. Oft kann dann nur eine Operation helfen.

Die Nebenschilddrüsen haben eine einzige Aufgabe: Sie produzierenein Hormon, das für die Regulierung des Kalziumhaushalts wichtig ist,erklärt Prof. Jochen Kußmann, Leiter der Klinik für EndokrineChirurgie im Klinikum Eilbek in Hamburg. Um wirken zu können,benötigt das Hormon Vitamin D. So wie bei der Schilddrüse kann esauch bei den Glandulae parathyroideae - wie Mediziner dieNebenschilddrüsen nennen - zu einer krankhaften Über- und auch einerkrankhaften Unterfunktion kommen. Verringern die Nebenschilddrüsendie Produktion ihres exklusiven Parathormons (PTH), sinkt derKalziumspiegel im Blut.

Häufigste Ursache ist eine Operation an der Schilddrüse, bei derdie kleinen Anhängsel mit entfernt wurden. Die Folgen einer nichtbehandelten Nebenschilddrüsen-Unterfunktion sind ernst: starkeMuskelkrämpfe am gesamten Körper, Bauchkrämpfe - und Teile desGehirns und der Herzmuskel können «verkalken».

Die Therapie ist schwierig: «Das Parathormon der Nebenschilddrüsekann ich funktionell nicht ersetzen», erklärt der niedergelasseneEndokrinologe Reinhard Santen aus Frankfurt. «Ich muss einen Umweggehen und kann nur die Auswirkungen behandeln.» Die Dauertherapiesieht eine lebenslange Gabe von Vitamin D und Kalzium vor.

Viel häufiger als die Unterfunktion ist die Überfunktion derNebenschilddrüse, der Hyperparathyreoidismus (HPT). Ursache ist invier von fünf Fällen eine - meist gutartige - Zellwucherung (Adenom),die zu einer vermehrten Ausschüttung von Parathormon führt. Dieklassischen Beschwerden von HPT werden als «Stein-, Bein- undMagenpein» zusammengefasst: Ist der Parathormonspiegel im Blut zuhoch, gelangt zu viel Kalzium ins Blut. In Niere und Galle bildensich Steine, die Kalziumabgabe schwächt die Knochen (Osteoporose) unddie Magenschleimhaut schmerzt, weil der erhöhte Parathormonspiegel zueiner erhöhten Säurebildung im Magen führt.

So weit muss es aber nicht mehr kommen: Mit einfachen Tests lässtsich heute der Parathormonspiegel im Blut messen, um die Krankheitfrüh zu erkennen. «Wenn man ganz sicher gehen will, prüft man nochdie Kalziumausscheidung im Urin und macht ein Szintigramm», sagtKußmann. Dabei wird dem Patienten eine schwach radioaktiveFlüssigkeit gespritzt, die sich in den Nebenschilddrüsen anreichert.Auch Ultraschalluntersuchungen helfen, vergrößerte Drüsen aufzuspüren.

Dank der aktuellen diagnostischen Möglichkeiten sind neue Symptomedazugekommen, die man der Nebenschilddrüsenüberfunktion zuordnenkann: Beispielsweise Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Knochen- undGelenkschmerzen, Oberbauchschmerzen, Sodbrennen oder Bluthochdruck.Aber auch Depressionen können ihren Ursprung in der vermehrtenParathormonproduktion haben - ein Grund, warum Prof. Kußmann demStoff auch den Namen «Hormon der Traurigkeit» gibt.

Wurde die vergrößerte Nebenschilddrüse als Ursache identifiziert,wird meist operiert. Nur wenn der Patient zu alt oder krank für eineOperation ist, setzen Ärzte auf Osteoporosemedikamente, die denKnochenabbau hemmen sollen und den Kalziumspiegel senken. Erfahrungbraucht ein Operateur vor allem für die Suche nach den Drüsen - denndie vier bis acht Winzlinge können laut Kussmann wandern.