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Wie wir fit und zufrieden werden Gesunde Angewohnheiten

Viele Menschen wollen gesünder, fitter, zufriedener und glücklicher werden. Tatsächlich kann man mit Mini-Gewohnheiten solche Ziele erreichen. Zwei Expertinnen erklären das Prinzip.

Von Bettina Lüke 02.07.2024, 06:00
Es kann zu einer guten Angewohnheit werden, sich selbst jeden Tag ein Lächeln vor dem Spiegel zu schenken.
Es kann zu einer guten Angewohnheit werden, sich selbst jeden Tag ein Lächeln vor dem Spiegel zu schenken. Foto: DPA

Mit kleinen Veränderungen das Leben verbessern, dadurch ein anderer Mensch werden – das versprechen zahlreiche Instagram-Postings („Tu diese drei Dinge, um das zu werden“) und fast genauso viele Bücher. Aber funktioniert das wirklich? Mit Mini- und Mikrogewohnheiten als Instrument ein besseres Gefühl erzeugen?

Ja, aber nur, wenn man weiß, wie und was sich damit verändern lässt und was vielleicht auch nicht, sagen Fachleute. Die eigenen Gewohnheiten zu überprüfen, könne das Selbstbewusstsein fördern, resilienter machen und sogar Spaß bringen, sagen die Gesundheitswissenschaftlerinnen Susanne Kobel und Olivia Wartha. Sie haben das Buch „111 Healthy Habits“ geschrieben und listen darin solche gesunden Angewohnheiten („habits“) auf.

Es funktioniert eher nicht, gleich zig neue Gewohnheiten in den Alltag einbauen zu wollen: von um 5 Uhr aufstehen bis zum Notieren von Dankbarkeitslisten oder Tagebuchschreiben am Abend. Anders geht es besser.

Fragen an sich selbst

Wie weiß jemand, welche Gewohnheit für ihn richtig ist? Indem er sich Fragen stellt, findet der Betreffende heraus, welche Gewohnheiten lohnenswert sind. „Jeder sollte wirklich nach dem eigenen Gefühl gehen: Was interessiert mich, was ist wichtig für mich? Was brauche ich?“, sagt Susanne Kobel. Und dann schauen: Was gehört dazu? Und womit fange ich an? Es sei wichtig, mit kleinen Schritten zu beginnen. Die Gewohnheit sollte zudem klein, überschaubar und leicht umsetzbar sein, erklärt die Expertin.

Was brauche ich, um mir etwas Neues anzugewöhnen?„Die Grundlage ist, dass man bereit ist, bewusst Zeit für sich selbst zu investieren“, sagt Wartha. Das können 30 Sekunden oder zwei Stunden am Tag sein. Hauptsache, es werde regelmäßig gemacht. Über das Belohnungssystem im Gehirn entwickeln wir Freude darüber, etwas zu schaffen. „Und dieses Gefühl möchten wir am nächsten Tag auch haben“, sagt Wartha.

Was eine Studie belegt

Wie lange dauert es, bis eine Gewohnheit verinnerlicht ist?Die Dauer, um eine Gewohnheit zu etablieren, variiert stark. Eine Studie aus dem Jahr 2009 berichtete von Zeiträumen zwischen 18 und 254 Tagen, die Probanden brauchten, um eine Gewohnheit zu etablieren, sagt Wartha. Das deutet darauf hin, dass der Prozess immer ein individueller ist, der von der Art der Gewohnheit und der Persönlichkeit abhängt.

Gibt es Gewohnheiten, die das mentale Wohlbefinden besonders fördern?Auch das ist individuell verschieden. Aber: In fast jeder steckt die Möglichkeit, und es können auch ganz einfache sein – wie das Lächeln im Spiegel jeden Morgen. „Das macht in mir schon ganz viel, braucht keine 20 Sekunden. Damit habe ich schon was für mich getan“, sagt Kobel. Bereits mit solchen Mini-Handlungen wird etwa die Selbstwahrnehmung gestärkt.

Wie lassen sich Gewohnheiten in den Alltag integrieren?Effektivität lässt sich über die Verknüpfung mit täglichen Routinen erreichen. „Zum Beispiel Kaffee kochen: Da habe ich ein paar Sekunden, bis der Kaffee durchgelaufen ist und kann eine neue Gewohnheit einfach mit dieser verknüpfen und etwa eine kurze Meditationsübung machen.“ „Habit stacking“, also eine Gewohnheit auf eine andere draufsetzen, so nennt das der US-Autor S. J. Scott. Auf diese Weise erleichtert man es dem Gehirn, neue Verbindungen zu bilden und zu lernen.

Die Gewohnheitsschleife

Eine effektive Habit-Stacking-Routine besteht aus drei Elementen und bildet eine sogenannte Cue-Reward-Schleife, eine Gewohnheitsschleife: Cue: Der Auslöser, der die Routine in Gang setzt. Dies kann eine bestehende Gewohnheit, ein bestimmter Ort oder eine bestimmte Zeit sein. Routine: Die neue Gewohnheit, die etabliert werden soll.

Reward: Die positive Verstärkung (Belohnung), die dazu beiträgt, die Gewohnheit aufrechtzuerhalten. So lassen sich auch schlechte Gewohnheiten mit guten ersetzen: „Es ist ziemlich schwer, schlechte oder alte Gewohnheiten loszuwerden. Deshalb empfehlen wir immer, sie zu ersetzen“, sagt Kobel.

Chips vor der Klotze

„Wenn ich mir immer die Schüssel Chips vor den Fernseher mitnehme und ich will mir das aber abgewöhnen, brauche ich eine Ersatzhandlung“, erläutert sie. „Entweder setze ich mich erst gar nicht vor den Fernseher und gehe lieber eine Runde spazieren, oder ich nehme mir eine Schüssel Trauben mit. Dann habe ich schon wieder was zu tun und es fällt mir überhaupt nicht schwer.“

Was, wenn es nicht klappt und ich nicht durchhalte?„Sich selbst verzeihen, ist das Wichtigste. Es ist nicht schlimm, wenn man einen Habit mal vergisst“, meint Kobel. Ihr Tipp: Lieber mit einer oder zwei kleinen Gewohnheiten starten. Das hilft nach ihren Worten dabei, Überforderung zu vermeiden und die Motivation aufrechtzuerhalten.

Manchmal hilft es auch, einen günstigeren Moment zu wählen. „Wenn ich mit dem kalten Duschen am Neujahrstag anfangen möchte, wird es nix. Da friere ich halt nur. Aber im Sommer bin ich vielleicht total offen dafür, weil es einfach passt“, so Wartha. „Nur weil es einmal nicht gepasst hat, kann es ein andermal ja sehr gut klappen und zur Gewohnheit werden.“

Auch sinnvoll: Schauen, wer oder was einen unterstützen würde. „Hilft es mir, wenn ich eine Freundin mitmachen lasse? Oder hilft es mir, wenn ich mir einfach vornehme: Ich mache das jetzt einen Monat. Danach belohne ich mich mit irgendwas“, sagt Wartha. „Manche Menschen motiviert es schon, wenn sie jeden Tag einen Haken im Kalender machen und stolz sind, es geschafft zu haben.“

Was mache ich mit meiner Zeit?

Und wenn ich keine Zeit dafür habe?„Beobachtet man einfach mal einen Tag lang, wo die Zeit hingeht, merkt man unter Umständen, dass man offensichtlich Zeit für 20 oder 30 Minuten Social Media hatte. Die hätte man ja aber auch anders verwenden können“, sagt Kobel. Für eine kurze Yoga-Session zum Beispiel. Und wieder kommt das Stichwort „Habit stacking“ in Spiel: Wer sich etwa beim Zähneputzen oder Telefonieren regelmäßig auf die Zehenspitzen stelle, könne Belastungen und Folgeschäden für Hüfte und Wirbelsäule deutlich reduzieren, so die Gesundheitswissenschaftlerinnen.

Ob und wie jemand die kleinen Gewohnheiten oder Habits etablieren könne, hänge auch davon ab, wie groß und komplex sie für den einzelnen seien, erklären die Expertinnen. Also: Wie knifflig ist es für mich persönlich? Für den einen ist es vielleicht ganz einfach, ein bestimmtes Habit zu integrieren, aber für den anderen vielleicht überhaupt nicht, weil er oder sie bisher einen anderen Lebensstil oder eine andere Priorisierung im Leben hatte.

Welche Fehler sollten vermieden werden?Etwas komplett umzukrempeln: „Wenn ich sage, ich starte jetzt mit einer völlig neuen Morgenroutine, die ganz anders ist als das, was ich vorher gemacht habe, kann das nur schiefgehen“, sagt Wartha. Ein weiterer Fehler ist, sich etwas auszusuchen, was nicht zu einem passt. Wartha: „Wenn ich immer mit ganz viel Aversion ein bestimmtes Habit mache und das eigentlich gar nicht möchte, dann wird es mir wahrscheinlich auch langfristig nicht guttun.“