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Gefahr unter Wasser: Druckkammern retten Taucher

Von Aliki Nassoufis 20.08.2007, 09:01

Berlin/dpa. - In zehn Meter Tiefe hatte Sandra Trobisch plötzlich eine Art Schlaganfall. Sofort raste ihr schlaffer Körper ungebremst an die Wasseroberfläche - obwohl die erfahrene Taucherin für einen sicheren Aufstieg eigentlich noch mehrere Minuten gebraucht hätte.

Die Folge: Die 31-Jährige war kurz ansprechbar, doch schon bald war ihre linke Körperhälfte gelähmt und die junge Frau wurde bewusstlos. Nur eine sofortige Behandlung in einer speziellen Druckkammer konnte ihr helfen.

Bundesweit gibt es rund 20 dieser Sauerstoffüberdruckkammern, die für die Behandlung derart schwerer Tauchunfälle rund um die Uhr einsatzbereit sind. Eine von ihnen steht im Berliner Zentrum für hyperbare Sauerstofftherapie und Tauchmedizin am Vivantes Klinikum im Friedrichshain. Dort werden regelmäßig mehr als 3000 Taucher aus Berlin und Brandenburg, aber auch Leipzig, Hamburg und Köln betreut.

«Unter Wasser ist der menschliche Körper einem viel größeren Druck ausgesetzt als an Land», erklärt der Leitende Arzt der Stabsstelle für Notfallmedizin am Berliner Klinikum, Henrik Schierz. «Dadurch wird Stickstoff im Gewebe gespeichert.» Deswegen müssen Taucher beim Auftauchen regelmäßig längere Pausen einlegen, damit der Körper den angesammelten Stickstoff wieder an das Blut abgeben und über die Lunge abatmen kann.

«Wer das nicht tut, riskiert sein Leben», erklärt der 50 Jahre alte Intensivmediziner Schierz, der seit 1991 mit der Berliner Druckkammer arbeitet. Denn wenn man zu schnell auftaucht, sprudelt der überschüssige Stickstoff wie bei einer vorher geschüttelten Brauseflasche in den Blutgefäßen und kann diese verstopfen. Genauso, wie es Gerinsel bei einem Schlaganfall tun. Das führt bei der sogenannten Taucherkrankheit zu einem Kribbeln an den Armen oder Beinen, Schmerzen in den Gelenken oder kleinen Blutergüssen. Im schlimmsten Fall - wenn die Gasblasen ins Hirn oder Rückenmark gelangen - drohen den Tauchern wie Sandra Trobisch die gleichen Symptome wie bei einem Schlaganfall, Bewusstlosigkeit oder eine Querschnittslähmung.

Rund 1,6 Millionen Menschen aus Deutschland tauchen regelmäßig. Nach Expertenangaben sind bis zu 600 000 von ihnen organisierte Sporttaucher. Die anderen gehen vor allem während ihres Urlaubes unter Wasser. Jedes Jahr erleiden mehrere Hundert dabei einen Tauchunfall, teilweise mit lebensbedrohlichen oder sogar tödlichen Folgen.

Oft kann bei einem Tauchunfall nur noch eine sofortige Therapie in einer Druckkammer helfen. Wie in einem U-Boot liegen oder sitzen die Patienten dort unter grellgrünen Armaturen und angeschlossen an unzählige Schläuche, Kabel und Monitore. In einem simulierten Tauchgang wird der Druck in der Kammer langsam erhöht, bis virtuelle 18 Meter Tauchtiefe erreicht sind. Dabei wird den Patienten reines Sauerstoff gegeben, damit der gefährliche Stickstoff endgültig aus dem Gewebe verdrängt und über das Blut zur Lunge transportiert wird.

Sandra Trobisch hat die Therapie in der Druckkammer ebenfalls geholfen. Die erste Intensivversorgung erhielt sie gleich nach ihrem Unfall im Februar auf Fuerteventura. Als sich ihr Zustand etwas gebessert hatte, kam sie zur weiteren Behandlung nach Berlin. Insgesamt zwei Monate lang musste sie fast jeden Tag für mehrere Stunden in die Druckkammer. Doch auch nach Abschluss der Therapie hat sie noch immer Beschwerden. Der linke Arm ist etwas schwächer als früher und manchmal fallen ihr Wörter nicht ein.

Die Freude am Tauchen hat ihr der Unfall dennoch nicht genommen. «Ich war zwar seit dem Unfall nicht mehr Tauchen, aber die Sehnsucht ist weiterhin da», sagt Trobisch, die vor ihrem Unfall bereits rund 300 Tauchgänge ohne Komplikationen absolviert hatte. Die Unterwasserwelt mit Korallenriffen, riesigen Fischschwärmen und seltenen Tierarten habe es ihr angetan. «Aber ob ich tatsächlich wieder Tauchen gehe, weiß ich nicht», sagt Trobisch. «Immerhin hätte mein Leben ja auch schon beim letzten Mal zu Ende sein können.»