Fitness-Test Fitness-Test: Jünger, fit und glücklich
Halle (Saale)/MZ. - Federnd wäre zu viel gesagt. 90 Kilo federn nicht. Selbstbewusst und routiniert sind bessere Worte, um den neu gewonnenen Laufstil zu beschreiben. Das zeigt sich etwa darin, dass ich den unbestreitbar vorhandenen Bauchansatz nicht mehr unwillkürlich straffe und nicht mehr glaube, beschleunigen zu müssen, als mir eine junge Frau entgegenläuft. Erhobenen Hauptes ziehe ich inzwischen mein Tempo durch, auch ein derart langsames wie jetzt gerade. Früher als Gelegenheitsjogger - mit Betonung auf Gelegenheit - wäre es mir peinlich gewesen, derart zu schleichen. Heute weiß ich: Gerade mit diesem Tempo und in diesem Herzfrequenz-Bereich bin ich mitten in der Fettverbrennungszone unterwegs! Ich kann es brutzeln hören!
Und ich keuche dabei nicht mehr wie noch zu Beginn der acht Wochen Lauftraining, die ich unter den Fittichen der Sportmediziner des halleschen Instituts für Leistungsdiagnostik und Gesundheitsförderung (ILUG) geleistet habe. Ja, ich bin fit, ich stehe gut im Training, was freilich so verwunderlich nicht ist: In jeder Woche habe ich das Pensum von immerhin vier Stunden und 40 Minuten locker erfüllt. Die Trainingsuhr an meinem Handgelenk hatte es mir aufgebrummt, und ich habe durchgehalten. Genau 45 Stunden und 43 Minuten - reine Laufzeit. Ein Schulterklopfen ist da angebracht.
Training als Jungbrunnen
"Michael", hat beim Abschlusstest - nach Fragebogen, Auswertung meiner Trainingsergebnisse in der Uhr, EKG und Krafttest - der Computer ausgespuckt, "Ihr Body-Age beträgt 42 Jahre." Ja! Erschütternde 47 waren es noch zur Eingangsuntersuchung vor acht Wochen bei realen 43 Jahren. Was für ein Jungbrunnen!
Und nun die schlechte Nachricht: Abgenommen habe ich praktisch nicht. Obwohl ich beim Laufen 30 822 Kilokalorien verbrannt habe, wie die Trainingsuhr an meinem Handgelenk gemessen hat. Mein nach Jugend lechzender Körper hat Muskeln angesammelt. 1,6 Prozent eklige, reine Fettmasse wurden ab-, 800 Gramm prachtvoller roter Fasern aufgebaut. Was wiederum nur ein Minus an Körpermasse von 800 Gramm bedeutet. Nicht viel, zugegeben. Aber ich fühle mich straffer an, wird erzählt. Im Übrigen ohne Hungern.
Bei disziplinierterer Ernährung wäre ein biologisches Alter von 39 bestimmt drin gewesen. Vielleicht werde ich später mal drei Mahlzeiten im Abstand von vier bis fünf Stunden zu mir nehmen neben bis zu drei Liter energiearmen Getränken täglich. Erst recht werde ich keine Sport- und Energydrinks zu mir nehmen, sie enthalten zu viele Kohlenhydrate. Ich werde Nüsse, pflanzliches Öl und Fisch essen und die wohlschmeckenden tierischen Fette in Salami, Mettwurst und Schmalz meiden. Auch kein Schnitzel mehr panieren. Keine Kekse mehr naschen. Nur noch gering verarbeitete Lebensmittel verspeisen. Bald.
Ihre Werte verbessert haben alle 46 Probanden, die mit mir am AOK-Fitnesscoach teilgenommen haben. Weitere 29 mühen sich noch. Der Andrang war groß: 147 wollten mitmachen, es musste ausgelost werden. Für AOK-Mitglieder kostenlos, viele zahlten für Trainings- und gleichzeitige Ernährungsberatung aber auch 200 Euro. Lediglich zwei Frauen haben abgebrochen, die eine ist nie losgelaufen, die andere musste aus beruflichen Gründen abbrechen, will aber wieder einsteigen. Alle anderen sind durchgejoggt, gewalkt, geradelt. "Und alle, die bisher ausgewertet wurden, haben im Schnitt 2,8 Kilogramm verloren. Nicht durch Hungern, sondern durch die Kombination aus Bewegung und bewusster Ernährung", sagt mein persönlicher Fitness-Coach Marco Spielau, Mitarbeiter des Instituts, gertenschlank und durchtrainiert. So schöne Ergebnisse werden freilich vor allem in der Gruppe der Übergewichtigen erzielt. Außerdem gibt es noch die Bewegungsmuffel und die Alltagsgestressten, bei denen ich an den Start ging, und bei denen die Ausbeute nicht ganz so groß ist.
"Wir wollen Menschen, die sich auch geistig noch nie mit Sport und Training beschäftigt haben, Kompetenz vermitteln", hatte mir Institutschef Professor Kuno Hottenrott gesagt. Das hat geklappt. Wohl im wesentlichen dank der Trainingsuhr. Sie war mit ihren wöchentlichen Kontrollmeldungen unser Chef, unser Trainer, mein persönlicher Diktator. Christiane Gulla bestätigt den Eindruck. Hatte ich je vermutet, Trainingsweltmeister zu sein, die Wittenbergerin stellt mich in die Schatten. Sie ist Rad gefahren, vier Stunden, 80 bis 100 Kilometer in der Woche. 1,70 Meter groß, hat sie von über 81 Kilogramm mehr als zehn abgenommen. "Ich bin jetzt körperlich so, wie ich mich immer gefühlt habe. Vorher, das war gar nicht ich selbst." Den Unterschied zwischen uns, gewichtsverlustmäßig, macht die Ernährung. Wie ich bereits befürchtete. Die Radlerin hat sich strikt an die umfangreichen Ernährungstipps gehalten. Ich nicht.
Coach-Programm geht weiter
Das Gesundheitscoach-Programm am ILUG ist ein Erfolg. Und das Projekt wird weitergehen. Interessenten können sich jederzeit bewerben. "Die Besonderheit des Projekts liegt in der Kombination von individuellem Bewegungsprogramm und Trainingsbetreuung sowie Ernährungsberatung über einen längeren Zeitraum. Das gibt es noch nicht", so Institutschef Hottenrott. Wichtig sei vor allem die Nachhaltigkeit. Das scheint zunächst zu funktionieren. Viele Teilnehmer haben eine weitere Betreuung vereinbart, sehr viele haben auch ihre Trainingsuhr gekauft. Diese Krücke brauche ich nicht mehr. Bewegung ist den meisten von uns Bedürfnis geworden.
Kaum messbar ist ein weiteres Ergebnis: Laufen, auch langsames, macht jenseits der Fettverbrennung auch glücklich. Ein lockerer Zwei-Stunden-Lauf ist einige Wochen nach der Teilnahme kein Problem mehr. Ich befinde mich in der Nachhaltigkeitsphase und erwäge ernsthaft, sie meine Prä-Marathon-Phase zu nennen. Ich muss nur noch aus der Weihnachtspause raus finden.