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Ernährungsmythen Ernährung: Ist Rotwein gut fürs Herz? Mythen rund um die Ernährung

27.06.2019, 08:00
Jonglieren mit den richtigen Lebensmitteln - Mathias Plauth findet es gar nicht schwer. 
Jonglieren mit den richtigen Lebensmitteln - Mathias Plauth findet es gar nicht schwer.  Andreas Stedtler

Halle (Saale) - Eier erhöhen den Cholesterinspiegel. Eine späte Mahlzeit macht dick. Rotwein ist gut fürs Herz... Es gibt unzählige solcher Regeln für eine gesunde Ernährung. Aber ist es in jedem Fall sinnvoll, sich nach ihnen zu richten? Ernährungsmediziner Professor Mathias Plauth, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Städtischen Klinikum Dessau, hat für die MZ einige der weit verbreiteten Ernährungsmythen unter die Lupe genommen. Er erklärt, was dahinter steckt:

Nach 18 Uhr essen, ist für die schlanke Linie ungünstig.

In dieser Absolutheit ist das nicht richtig. Ob ich zunehme oder nicht, ist eine Frage der Kalorienbilanz des Tages. Trotzdem ist es nicht verkehrt, sich an diese Regel zu halten. Warum? Eine längere Phase, in der wir nichts essen, also etwa zwischen 18 Uhr abends und 6 Uhr morgens, ermöglicht es dem Körper, an die Reserven zu gehen, sprich: den Fettabbau einzuschalten. Die Mediziner sprechen von Lipolyse.

Wenn wir zwischen den Mahlzeiten zu geringe Pausen haben, dann ist der Tank ständig voll, der Körper bezieht die benötigte Energie stets aus dem, was wir zu uns nehmen. Ist der Tank aber leer, muss er die Vorräte anzapfen. Anders gesagt - um Fett abzubauen, ist es wichtig, dass der Körper für eine gewisse Zeit am Tag auf Reserve schaltet. Nach der letzten Mahlzeit dauert es etwa sechs Stunden, bis das geschieht. Wenn dazu noch Alkohol getrunken wird, vergeht noch mehr Zeit, weil Alkohol diesen Prozess bremst.

Diese Essenspause muss übrigens nicht zwangsläufig in der Nacht eingelegt werden. Wichtig ist es, überhaupt mal zwölf Stunden lang nichts zu essen. In unserem Kulturkreis mit den klassischen drei Mahlzeiten bietet sich die Nacht aber an. Deswegen ist es ein guter Ratschlag, nach 18 Uhr nichts mehr zu essen.

Der Verzehr von Brot macht dick.

Das ist eine Zuspitzung, in der aber viel Wahrheit steckt. Brot hat nämlich eine ziemlich hohe Kaloriendichte. Mit 200 Gramm Vollkornbrot nehmen wir etwa 400 Kilokalorien zu uns. Mit 200 Gramm Weißbrot sogar 500. Zum Vergleich: Die gleiche Menge Salzkartoffeln enthält lediglich 140 Kilokalorien. Wer glaubt, mit einem Vollkornbrötchen etwas Gesundes zu essen, der sollte wissen, dass bereits 100 Gramm davon 220 Kilokalorien aufweisen. Selbst Bratkartoffeln schneiden dagegen noch besser ab. Nicht zu reden davon, dass im Brot auch noch jede Menge verstecktes Salz steckt.

Früher galt: Eine dicke Scheibe Brot und darauf eine dünne Scheibe Schinken. Heute sollte es besser heißen: Eine dünne Scheibe Brot, belegt mit mehren Scheiben Schinken. Die Kaloriendichte ist dann sehr viel günstiger.

Margarine auf dem Brot ist besser als Butter.

Also, das kann man so überhaupt nicht sagen. Fett hat eine sehr hohe Energiedichte. Mit einem Gramm davon nehmen wir neun Kilokalorien auf. Mehr als doppelt so viele wie mit einem Gramm Zucker (vier Kilokalorien). Wer seine Energiezufuhr drosseln möchte, muss also vor allem den Fettkonsum reduzieren. Dabei ist es für die Bilanz relativ egal, ob das Fett in Form von Margarine oder in Form von Butter konsumiert wird.

Für die lange von der Industrie propagierte Vorstellung, dass Margarine von der Fettzusammensetzung her gesünder als Butter sei, gibt es keinen schlüssigen Beweis. Im Gegenteil, die industriell aus Ölen hergestellten Produkte enthalten gehärtete Fette. Welche Probleme sich daraus ergeben können, ist bisher unzureichend untersucht.

Eier erhöhen den Cholesterinspiegel.

Das ist richtig. Aber für andere Lebensmittel, zum Beispiel Wurst- oder Käsesorten mit hohem Fettgehalt, trifft das ebenfalls zu. Also, es ist nicht nötig, Eier vom Speisezettel zu verbannen. Sicher ist es richtig, dass jemand, der einen erhöhten Cholesterinspiegel hat, nicht täglich zwei Eier essen sollte. Aber das Ei ist ein gutes Beispiel dafür, dass ein Lebensmittel nicht auf einen einzigen Bestandteil reduziert werden sollte. Zwar enthält ein Ei Cholesterin. Aber in ihm stecken auch viele gute Dinge, die der Körper braucht. Ich sage nur: hochwertiges Eiweiß.

Jeder Mensch sollte täglich etwa drei Liter trinken.

Ein einjähriges Kind wäre damit hoffnungslos überfordert. Und auch wenn wir nur über Erwachsene reden, ist das nicht richtig. Einen Menschen, der beispielsweise an einer schweren Herzschwäche leidet, den bringen sie mit drei Litern Flüssigkeit am Tag um. Außerdem - jemand, der am Hochofen arbeitet oder ein Feuerwehrmann, der in schwerer Schutzkleidung einen Brand bekämpft, hat einen viel höheren Flüssigkeitsbedarf als jemand, der in einem klimatisierten Büro am Schreibtisch sitzt. Ich will damit nur sagen: Solche pauschalen Aussagen haben ihre Grenzen. Ich würde es so formulieren: Jeder Mensch sollte sich von seinem Hausarzt beraten lassen, wie viel er unter Berücksichtigung seines Alters, seines Berufes und eventuell vorhandener Krankheiten trinken sollte.

Viele kleine Mahlzeiten sind besser als drei große.

Da ist etwas dran. Wir alle erleben es, dass sich zwischen den drei großen Mahlzeiten ein Hungergefühl einstellt. Dem sollten wir auch nachgeben - aber nicht, indem wir einen industriell gefertigten Schokoriegel verspeisen. Der verdirbt die Kalorienbilanz garantiert. Ich denke vielmehr an Fingerfood aus Gurke, Möhren oder Paprika. Das füllt den Magen, macht also satt und hat nur wenige Kilokalorien. 100 Gramm grüne Gurke schlagen in der Bilanz mit nur etwa zehn Kilokalorien zu Buche. 100 Gramm Möhren mit etwa 34 und 100 Gramm Paprika mit 37 Kilokalorien. Außerdem enthalten sie wichtige Vitamine und gesundheitsfördernde Pflanzenstoffe.

Vegetarische und vegane Ernährung ist per se gesund.

Hier muss differenziert werden. Für die vegetarische Ernährung gilt dieser Satz uneingeschränkt. Wer sich vegetarisch ernährt, also seinen Kalorienbedarf mit pflanzlichen Lebensmitteln deckt, der hat keine gesundheitlichen Nachteile. Zudem tut er der Umwelt etwas Gutes. Denn die Rind- und Schweinefleischproduktion erzeugt Unmengen schädliches Kohlendioxid. Bei pflanzlichen Produkten ist das verschwindend gering.

Wer sich vegan ernährt, verzichtet nicht nur auf Fleisch, sondern auf alle tierischen Produkte, also auch auf Eier, Milch oder Honig. Dabei sollte Vorsicht walten. Geschieht das nämlich nicht kontrolliert, besteht sehr schnell die Gefahr, dass dem Körper bestimmte Vitamine und Mineralstoffe nicht in der benötigten Menge zugeführt werden. Zum Beispiel das für viele Stoffwechselvorgänge notwendige Vitamin B12 oder auch Eisen. Besonders fatal ist das für wachsende Organismen, also für Kinder. Hier muss streng darauf geachtet werden, dass es nicht zu Mangelerscheinungen kommt.

Jeder Mensch braucht am Tag eine warme Mahlzeit

In diesem Spruch steckt Weisheit. Wenn wir unsere Lebensmittel heiß machen, also kochen, braten oder dünsten, dann sind sie für unseren Körper besser aufzuschließen und ihre Inhaltsstoffe sind besser zu verwerten. So ist es beispielsweise mit dem Eiweiß. Na, ja - und es wäre ohnehin nicht jedermanns Sache, ein Ei roh zu verspeisen. Aber auch für ganz viele Gemüsesorten gilt, dass ihre Inhaltsstoffe im gekochten Zustand für den Körper besser zu verwerten sind.

Wer lange genug hungert, nimmt ab.

Das ist ein ganz schlechter Spruch. Hungrige Menschen haben keine gute Lebensqualität. Hunger ist ein Signal des Körpers. Er meldet, dass er etwas zu essen braucht. Und dieses Signal sollte beachtet werden. Die Frage ist, ob der Mensch sofort jeder leichten Regung von Hunger nachgeben muss oder den Hunger auch mal für eine gewisse Zeit aushalten kann. Aber über das Hungern abzunehmen, das gelingt nicht.

Wer Rotwein trinkt, tut etwas für sein Herz.

So grundsätzlich kann man das nicht sagen. Es gibt viele ähnliche Aussagen. Drei Tassen Kaffee am Tag schützen vor Leberzirrhose, zwölf Nüsse pro Tag verlängern das leben um zwölf Jahre und und und. Alle diese Aussagen stammen aus epidemiologischen Studien, bei denen Menschen in ihrer realen Lebenswelt beobachtet werden und dann beispielsweise ein Zusammenhang zwischen ihrer Ernährung und ihrer Lebenszeit hergestellt wird. Das Ergebnis könnte dann lauten: Menschen, die besonders lange gelebt haben, die haben mehr Kaffee getrunken, rotes Gemüse gegessen oder jeden Tag ein Glas Rotwein getrunken. Damit ist aber überhaupt nicht gesagt, dass der Kaffee, das Gemüse oder der Rotwein der Grund für das lange Leben sind.

Was man sagen kann ist, dass ein moderater Rotweinkonsum das Risiko senken kann, an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zu versterben. Aber bleibt es beim moderaten Konsum? Alkohol, der viele Kalorien hat, gehört in unserer Gesellschaft sehr zum täglichen Leben. Dabei haben wir mit Übergewicht zu kämpfen. 25 Prozent der Bevölkerung weist eine Fettleber auf. Weshalb sie sich gänzlich vom Alkohol fernhalten sollten. Auch wenn Rotwein einen gewissen Schutz bieten kann - sollten wir Menschen, die bisher abstinent gelebt haben, nicht den Rat geben, täglich ein Glas davon zu trinken, damit sie keinen Herzinfarkt bekommen.

Übrigens: Es gibt auf der Welt große Menschengruppen, in deren Kultur Alkohol gar nicht vorkommt. Und die haben dadurch keine gesundheitlichen Nachteile.

Ein Schnaps nach dem Essen fördert die Verdauung.

Völlig falsch. Das Gegenteil ist richtig. Hochprozentige Getränke bremsen die Magenentleerung sogar. Der Eindruck, dass der Verdauungsprozess befördert wird, kommt daher, dass Alkohol die Muskulatur, die für den Weitertransport der Nahrung aus dem Magen in den Darm verantwortlich ist, entspannt. Das mildert das Völlegefühl, hat aber keinen Einfluss auf die Verdauung. Außerdem - Alkohol ist ein Zellgift. Auch der Verdauungstrakt muss sich dagegen wehren. Was Spuren im Dünndarm hinterlässt.

Fazit: Nicht alles hält bei den Ernährungsmythen einer genaueren Betrachtung stand. Manche stimmen in der vorgebrachten Absolutheit nicht. Aber viele enthalten einen wahren Kern.

(Aufgezeichnet von Bärbel Böttcher/mz)