Erfolgreich Abnehmen Erfolgreich Abnehmen: Adieu 160 Kilogramm
Halle (Saale) - Christoph Berndt ist 37 Jahre alt, 1,80 Meter groß und wiegt 160 Kilogramm. Er sagt: „Ich fühle mich damit überhaupt nicht wohl. Ich will runter von den Pfunden.“ Dafür ist der Mann bereit, sein Leben grundlegend zu ändern. Christoph Berndt lässt es zu, dass ihn die MZ ein Stück auf diesem Weg begleitet, dokumentiert, wie es ihm dabei ergeht. Das ist einerseits mutig, weil er Einblick in einen sehr persönlichen Bereich gewährt. Andererseits, so sagt er, spüre er dadurch einen Erfolgsdruck. „Ich möchte mir und anderen beweisen, dass eine Kehrtwende möglich ist“, begründet er den Schritt.
Doch wie hat es Christoph Berndt erst einmal geschafft, auf 160 Kilogramm Körpergewicht zu kommen?
Nun, der Löbejüner war schon als Kind das, was verniedlichend ein Wonneproppen genannt wird. Mit dem Sportunterricht in der Schule hatte er so seine Not. Doch der Spitzname „Dicker“ störte ihn nicht weiter. Der Junge fühlte sich nie ausgeschlossen.
Jojo-Effekt nach Extremdiät
Mit 25 Jahren brachte Christoph Berndt schon stolze 120 Kilogramm auf die Waage. Das war ihm dann doch zu viel. Es trugen wohl die Blicke der Frauen dazu bei, dass er einen ersten Versuch startete, abzunehmen. „Ich habe gehungert, nicht mehr als 1 000 Kilokalorien am Tag zu mir genommen und bin dazu noch ins Fitnessstudio gegangen“, erzählt er. 30 Kilogramm schmolzen weg wie Butter in der Sonne. Doch heute weiß Christoph Berndt, dass das der falsche Weg war. „So ein Programm hält niemand lange durch“, sagt er. Und es dauerte auch nicht lange, bis der sogenannte Jo-Jo-Effekt einsetzte. Das Gewicht stieg wieder an. Am Ende brachte er sogar mehr auf die Waage als vor seiner Hungerkur.
Das war auch genau die Zeit, als der gelernte Steinmetz seinen Beruf aufgeben musste - wegen Rückenproblemen. Erst 2006, drei Jahre später, konnte er mit einer Umschulung zum Groß- und Außenhandelskaufmann beginnen. Zwischendurch suchte er sich Gelegenheitsjobs. Unter anderem arbeitet er in der Halloren-Schokoladenfabrik. In der Confiserie-Abteilung, wo die besonders edlen Pralinen hergestellt werden. „Da darf man zwar nichts mit nach Hause nehmen, aber man darf essen“, sagt er. Der Job brachte ihm letztlich neben der Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, zehn Kilogramm Hüftgold ein.
Arbeit im Kuhstall macht schlank
Während der Umschulung, die bis 2009 ging, hatte der junge Mann dann kaum Bewegung - und er suchte auch keinen Ausgleich zur sitzenden Tätigkeit. Der kam erst wieder, als er nach dem Abschluss nicht gleich eine Stelle fand und wieder Aushilfsjobs annahm. So war er eine Zeit lang in einem Kuhstall beschäftigt. Da war Muskeleinsatz gefragt. „Ich war zwar nicht gerade schlank, aber es war im Rahmen“, beschreibt Christoph Berndt seine damalige Situation.
2011 wurde er dann Sachbearbeiter bei der halleschen Firma AVE - Abrechnungsgesellschaft für Ver- und Entsorgungswirtschaft. Sein Job ist es, deutschlandweit Abrechnungen für Stadtwerke zu erstellen. „Das ist Schreibtischarbeit“, sagt der 37-Jährige. „Ich bin schon froh, wenn ich mal zum Postfach gehen darf.“
Seit etwa vier Jahren nun hat Christoph Berndt so gut wie keine Bewegung. Ernährt hat er sich aber weiter wie ein Schwerarbeiter. Mit Steaks, Pizza und jeder Menge Fast Food. „Und dazu ein Bierchen.“
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Erschwerend kommt hinzu, was eigentlich von Vorteil ist. Christoph Berndt gab das Rauchen auf. Als Ausgleich dafür besorgte er sich jedoch Naschereien. Und noch etwas wirkte sich negativ aus die Ehescheidung: Der Trennungsschmerz - vor allem von seinem damals sechsjährigen Sohn - machte ihn zum Frustesser. Zwar hat er regelmäßig Kontakt zu Domenik. Doch das ist etwas anderes, als ihn täglich um sich zu haben. Um das plötzliche Alleinsein auszuhalten, saß er abends häufig vor dem Fernseher. Mit einer Tüte Chips.
Natürlich hat Christoph Berndt selbst gemerkt, wie sein Gewicht immer weiter anstieg. Zum Beispiel wenn ihm wieder mal eine Hose, die er aus dem Schrank nahm, nicht mehr passte. Das Treppensteigen fiel ihm immer schwerer. Und auch das Fahrrad, das er früher immerhin noch manchmal genutzt hat, blieb in der Ecke stehen. „Statt mich anzustrengen, habe ich alles vermieden, was mich aus der Puste gebracht hat“, sagt er. Es war ein Teufelskreis.
Schweißgebadet auf dem Weg zur Toilette
Schwerwiegende gesundheitliche Probleme stellten sich ein. Zum ersten Mal richtig bewusstgeworden ist dem Mann das, als er eines Nachts auf die Toilette musste und ihn dieser Gang total erschöpfte. „Der Puls raste und ich war schweißgebadet“, erzählt er. Zunächst dachte er, dass das im Zusammenhang mit seiner Schlafapnoe, das sind Atemaussetzer während des Schlafes, zusammenhängt. Beim Arzt wurde später Vorhofflimmern diagnostiziert, die häufigste Herzrhythmus-Störung. Mehrfach landete er seitdem deswegen in der Notaufnahme. Bereits dreimal musste sein Herz wieder in Takt gebracht werden. Zuletzt im Oktober 2014. „Der Eingriff hat mich sehr mitgenommen. Das wollte ich nicht ein viertes Mal erleben“, sagt Christoph Berndt. Sein Entschluss lautete: „Jetzt muss ich was tun.“
Bestärkt wurde er darin von seiner Kardiologin Dr. Petra Schirdewahn. „Für Christoph Berndt ist es aus meiner Sicht ,lebensnotwendig’, sein Leben zu ändern“, sagt sie. Die ausgeprägte Adipositas (Fettleibigkeit) und der daraus folgende Bewegungsmangel hätten nicht nur zu einem immer schwerer zu behandelndem Vorhofflimmern geführt, sondern auch zu einer dramatischen Zunahme der anderen Risikofaktoren für Herz und Gefäße wie zum Beispiel Diabetes mellitus, Hypertonie und Arteriosklerose. „Damit steigt sein Risiko, in den nächsten Jahren zum Beispiel einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden“, betont die Ärztin. Abgesehen davon könnten sich die eingeschränkte Lebensqualität, die psychischen und sozialen Belastungen, wiederum auf die körperliche Gesundheit auswirken.
Es klingt ganz einfach. Wer sein Gewicht reduzieren möchte, der muss Sport treiben und seine Ernährung überdenken. Und doch ist das ohne professionelle Hilfe oft schwer. Auch wenn es um viel weniger als etwa 50 Kilogramm geht, die Christoph Berndt abnehmen möchte. Das Institut für Leistungsdiagnostik und Gesundheitsförderung an der Martin-Luther-Universität unter Leitung von Professor Kuno Hottenrott bietet diese Hilfe. Es betreut ganze Mannschaften, Spitzen- aber auch Freizeitsportler. Und nun helfen die Mitarbeiter auch Christoph Berndt, den richtigen Weg zu finden. Wie gehen sie dabei vor?
Bevor Christoph Berndt sich ins Training stürzt, wird erst einmal getestet, welche Leistung er überhaupt erbringen kann, welche Belastung für ihn die Richtige ist, um optimale Effekte zu erzielen. Dazu führt Leistungsdiagnostiker Stephan Schulze - nachdem er eingehend nach Vorerkrankungen und Medikamenteneinnahme gefragt hat - eine Spiroergometrie durch. Das heißt, während Christoph Berndt auf einem Fahrradergometer bei wachsendem Widerstand abmüht, wird gemessen, wie sein Ausstoß von Kohlendioxid ist und welche Menge an Sauerstoff er aufnimmt. Beides wird ins Verhältnis gesetzt und die Experten können daraus beispielsweise ablesen, bei beziehungsweise bis zu welcher Belastung der Fettstoffwechsel aktiv ist, das heißt, eine gute Fettverbrennung erfolgt. In diesen sogenannten aeroben Bereich wird trainiert, wenn der eingeatmete Sauerstoff, der zur Muskulatur geliefert wird, ausreicht, um den Energiebedarf zu decken.
Ist das nicht der Fall, kommt der Trainierende in den anaeroben Bereich. Es wird vermehrt Laktat gebildet. Laktat ist das Salz der Milchsäure, ein Zwischenstoffwechselprodukt, das bei hoher Anhäufung zur Übersäuerung der Muskulatur führt. Das sollte beim Training vermieden werden und deshalb misst Stephan Schulze während der Anstrengung auf dem Ergometer alle zwei Minuten diesen Wert.
Zudem kann durch die Spiroergometrie die Leistungsfähigkeit der Lunge des Trainierenden exakt festgestellt werden.
Neben diesen Tests wird die Körperzusammensetzung ermittelt - also wie viel Körperfett, wie viel Körperwasser und wie viel fettfreie Masse ist vorhanden. Der Fachbegriff lautet Bioimpedanzanalyse. Bei Christoph Berndt ist der Fettanteil mit weit über 40 Prozent viel zu hoch.
Die Ausgangswerte sind bei Christoph Berndt nicht günstig. Stephan Schulze empfiehlt ihm, das Training ruhig anzugehen. Drei Einheiten in der Woche soll er sich zunächst vornehmen. Zweimal 20 bis 25 Minuten und einmal 15 bis 20 Minuten. Und eine Mischung aus Kraft- und Ausdauertraining soll es sein. Das Ausdauertraining kann als Erwärmung in das Krafttraining eingebaut werden. Der Leistungsdiagnostiker stattet den 37-Jährigen zudem mit einer Pulsuhr aus, auf der die Trainingseinheiten hinterlegt sind und auf der er ablesen kann, wie viel er geschafft hat. Sie wird in den nächsten Wochen regelmäßig ausgewertet. Mogeln ist unmöglich. Aber das will Christoph Berndt gar nicht. Er hat sich inzwischen in einem Fitness-Studio angemeldet und, wie er sagt, nach jedem Training „ein richtig gutes Gefühl“. Zudem bewegt er sich nun auch viel öfter im Freien, wandert beispielsweise mit seinem Sohn. Die Frage ist, wie sich die Aktivität auf seine Werte auswirkt. Das werden spätere Wiederholungsmessungen zeigen. Zunächst erhält Christoph Berndt eine ausführliche Ernährungsberatung, über die wir in der nächsten Woche berichten.
Petra Schirdewahn verweist auf eine Studie, die eindrücklich belege, dass Fettleibigkeit mit einem erhöhten Risiko für Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Schlafapnoe und Vorhofflimmern einhergeht. „Der Kampf gegen die Adipositas“, so die Kardiologin, „ist somit ein wichtiges Bindeglied und zugleich ein attraktives und selbst erreichbares Ziel in der Prävention für Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, betont sie.
Wie abnehmen?
Das sind deutliche Worte, die ihre Wirkung auf Christoph Berndt nicht verfehlen. Und er will ja etwas tun. Will abnehmen. Lange Zeit wusste er nur nicht wie? „Jeder im Freundes- und Bekanntenkreis hat eine andere Sportart vorgeschlagen. Jeder hatte eine andere Idee für eine Diät“, sagt er. Doch eingegangen ist er darauf nicht. „Ich hatte Angst davor, wieder etwas falsch zu machen“, sagt er. Christoph Berndt suchte professionelle Hilfe. Die bekommt er jetzt am Institut für Leistungsdiagnostik und Gesundheitsförderung, einem An-Institut an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Doch Christoph Berndt hat noch einen Grund, sein Leben zu ändern, der weit über die gesundheitlichen Aspekte hinausgeht. Das ist sein heute zehnjähriger Sohn. Domenik nennt ihn zwar „seinen Kuschelbär“. „Aber wer weiß wie lange noch“, sagt der Vater. „Ich möchte nicht, dass er sich eines Tages für mich schämen muss.“ Sein Ziel ist es, in zwei Jahren nur noch 100 bis 110 Kilogramm zu wiegen.
Dann könnten die beiden vielleicht auch gemeinsam im Harz an der Rappbodetalsperre mit der größten Doppelseilrutsche Europas ins Tal „fliegen“. Das ist ein großer Traum von Christoph Berndt. Doch dafür darf sein Gewicht nicht mehr als 120 Kilogramm betragen.
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