Drastische Anti-Raucher-Kampagne für Kinder
Hamburg/dpa. - Hamburg Bilder von Raucherbeinen, Tumore in Großaufnahme, erschütternde Berichte von Krebspatienten: Mit drastischen Mitteln versucht ein Projekt in Norddeutschland, Kinder vom Rauchen abzuhalten.
«Meine erste Zigarette habe ich im Gebüsch gefunden und dann geraucht, weil ich erwachsen wirken wollte.» Leise schildert der an Lungenkrebs erkrankte Andreas Köpke seinen jungen Zuhörern im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) in Hamburg, wie er als 15-Jähriger zum Kettenraucher wurde. Heute ist Köpke 41 Jahre alt. «Aber ich fühle mich wie 70 oder 80», erklärt der Handwerker den 9- bis 13-jährigen Schülern. Sein Krebs hat gestreut, Wirbel mussten versteift werden und jetzt die Chemo: «Ich fühle mich unglaublich müde.»
«Nichtrauchen ist cool» heißt das Projekt am UKE, mit dem Ärzte Kinder in den vierten bis siebten Klassen vom Rauchen abhalten wollen auch mit einer Spiegelung einer Lunge, die den Krebs ebenso drastisch zeigt wie Teerbrocken im schleimigen Sekret. «Das ist das, was die Raucher morgens aushusten», sagt Prof. Eckart Laack, Mitinitiator des Projekts, den stöhnenden Kindern im Hörsaal. Ärzte und Patienten haben auf diese Weise bereits mehr als 32 000 Schüler aus Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen vor den tödlichen Gefahren des Tabaks gewarnt.
Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält schonungslose Aufklärung für den richtigen Weg. Sie hat den Weltnichtrauchertag am 31. Mai daher unter das Motto «Ein Bild sagt mehr als tausend Worte» gestellt und setzt auf abschreckende Bilder auf Zigarettenschachteln. Nach dem jüngsten Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung raucht etwa jeder dritte Erwachsene. Pro Jahr sterben bundesweit 140 000 Menschen vorzeitig an den Folgen des Rauchens, zum Beispiel an Herzinfarkt und Schlaganfall. 3300 sind Opfer des Passivrauchens.
Laack erklärt die Statistik seinen jungen Zuhörern in klaren Worten: «Jeden Tag sterben in Deutschland 400 Menschen an den Folgen des Rauchens. Das ist so, als ob täglich ein großes Passagierflugzeug abstürzt.» Dass Raucher irgendwie anders sind, wissen die Schüler: «Die riechen oft komisch» oder «Sie sind faltiger». Aber dass im Zigarettenrauch mindestens 70 krebserregende Stoffe stecken, nur einer von zehn Lungenkrebs-Kranken überlebt und der Konsum einer Wasserpfeife dem Rauchen von 100 filterlosen Zigaretten entspricht all dies lässt die Schüler verstummen oder «Oh Gott!» rufen.
Ähnliche Projekte gibt es auch in Heidelberg, in Kaiserslautern und in der Nähe von Bonn. Bilder von Raucherbeinen und verstopften Arterien, Tumore in Großaufnahme wie verarbeiten die Kinder solche Eindrücke? «Nur wenige Schüler haben bei den Veranstaltungen, die wir jeden Donnerstag seit vier Jahren anbieten, den Saal verlassen», berichtet Laack. Wichtig ist nach Ansicht des Arztes aber eine ausreichende Vor- und Nachbereitung in der Schule.
«Der Besuch einer Klinik und die Schilderungen der Patienten sind kein Schock, sondern ein natürlicher Vorgang des Lebens. Das regt zum Nachdenken an», meint auch Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Die Aufklärung müsse auch so früh beginnen. Denn von den 12- bis 17-Jährigen griffen im Jahr 2008 bereits etwa 15 Prozent zur Zigarette. «Im Jahr 2001 waren es sogar 28 Prozent», berichtet die Expertin. Ursache für den Rückgang sei unter anderem, dass das Rauchen teurer geworden ist.
Im Umgang mit dem schwer kranken Andreas Köpke zeigen die Kinder keine Berührungsängste und wollen von ihm zum Beispiel wissen, ob Freunde nach seiner Krebsdiagnose auch mit dem Rauchen aufgehört haben und ob der Tabak-Qualm eigentlich im Hals brennt. Geduldig und sanft beantwortet Köpke alle Fragen. Nur zum Schluss appelliert er im ernsten Ton an die Schüler: «Fangt bloß nicht mit dem Rauchen an! Es schmeckt nicht, es kostet viel und es ruiniert eure Gesundheit.»
Kampagne gegen Rauchen: www.nichtrauchen-ist-cool.de (dpa)