Diagnose und Hilfe Diagnose und Hilfe: Wie geht man mit psychischen Erkrankungen um?

Halle - Jeder fühlt sich irgendwann einmal niedergeschlagen und lustlos. Wann aber liegt eine Depression vor und wie kann Betroffenen geholfen werden? Experten haben Fragen dazu beantwortet:
Dauer einer bipolaren Störung
Kristin F., Mansfelder Land: Treten bipolare Störungen lebenslang auf oder hören sie einfach auf?
Die Phasen einer bipolaren Störung können lebenslang immer wieder auftreten. Es besteht ein hohes Risiko, dass sie sich bis ins hohe Alter wiederholen. Es ist allerdings möglich, den Verlauf der Erkrankung mit einer prophylaktischen Therapie mit bestimmten Medikamenten, aber zusätzlich auch mit psychotherapeutischen Mitteln positiv zu beeinflussen. Unter einer solchen Therapie treten im besten Fall keinerlei Schübe mehr auf.
Jürgen K., Saalekreis: Vor drei Jahren hatte ich eine bipolare Störung. Seither habe ich keine manische Phase mehr erlebt. Muss ich damit rechnen, dass ich irgendwann wieder einen solchen Schub bekomme? Lässt sich das mit einer Blutuntersuchung feststellen? Ich bin jetzt 53 Jahre alt.
Normalerweise treten die ersten Krankheitsphasen einer bipolaren Störung in einem jüngeren Lebensalter auf. Eventuell waren bei Ihnen bereits früher leichte Phasen vorhanden, die Sie nicht als krankhaft wahrgenommen haben. Mit relativ großer Wahrscheinlichkeit kann bei Ihnen eine manische Phase wieder auftreten. Daher empfiehlt sich eine fachärztliche Behandlung.
In diesem Rahmen könnte auch entschieden werden, ob eventuell eine medikamentöse Prophylaxe sinnvoll ist. Eine Risikobeurteilung per Blutuntersuchung ist gegenwärtig nicht möglich.
Diagnose und Behandlung einer Depression
Ruth S., Burgenlandkreis: Ich war vor Jahrzehnten wegen schwerer Depressionen in psychi-atrischer Behandlung und bekomme etwa alle sieben Jahre kleine Rückfälle. Wie kann ich mich vor neuen Schüben schützen?
Eine Möglichkeit ist eine Rückfallprophylaxe auf medikamentösem Weg: Die Einnahme von Antidepressiva oder sogenannten Stimmungsstabilisatoren kann das Auftreten neuer Schübe verhindern beziehungsweise das gesunde Intervall verlängern. Als teilweise erfolgreich wäre auch der Umstand zu bewerten, das nachfolgende Erkrankungsepisoden deutlich weniger schwer ausgeprägt sind.
Unabhängig davon kann es sinnvoll sein, psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, um mit Stress oder Belastungssituationen allgemein besser klarzukommen beziehungsweise um Ihr Leben zu genießen und ein ausgewogenes Maß an Entspannung zu finden.
Luise P., Wittenberg: Ich nehme Tagprobleme mit in die Nacht, bin unruhig, grübele unentwegt. Diese Unruhe im Kopf hält so lange an, bis sich mein Problem gelöst hat. Leide ich unter Depressionen? Am Tag geht es mir gut.
Aus Ihren Schilderungen lässt sich schlussfolgern, dass Sie ein sensibler Mensch sind. Das ist kein Krankheitssymptom sondern eine prinzipiell sympathische Charaktereigenschaft. Wie Sie beschrieben haben, führt Ihr gelegentliches nächtliches „Problemewälzen“ zu keiner allgemeinen Beeinträchtigung Ihrer Leistungsfähigkeit. Insofern handelt es sich dabei auch nicht um eine krankhafte Erscheinung. Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen.
Paula H., Dessau-Roßlau: Mein Mann leidet seit er aus dem Arbeitsleben ausgeschieden ist und Rente bekommt unter schweren Depressionen. Trotz verschiedener Medikamente zeigt sich keine Besserung. Gibt es Hilfe?
Eine Depression wird meist von verschiedenen Faktoren ausgelöst. Eine Versetzung in den Ruhestand und die damit verbundene nachhaltige Veränderung der Lebenssituation kann durchaus eine depressive Störung nach sich ziehen. Unter solchen Umständen ist eine medikamentöse Behandlung allein nicht selten ohne ausreichende Wirkung. Im Falle eines anhaltenden Therapieversagens sollte auch ein Aufenthalt in einer Klinik in Betracht gezogen werden, da hier eine komplexe Behandlung auch mit verschiedenen nichtmedikamentösen Verfahren erfolgen kann.
Karin M., Zeitz: Seit mein Mann 2010 arbeitslos geworden ist, leidet er an Depressionen. Das nimmt mich so sehr mit, dass ich völlig am Ende bin. Wahrscheinlich könnte mir auch eine Gesprächstherapie helfen. Mir ist wichtig, dass ich zu einem Arzt gehen kann, zu dem ich Vertrauen habe. Wo bekomme ich schnell einen Termin bei einem solchen Facharzt?
Jeder hilfesuchende Patient, der einen Termin bei einem Facharzt benötigt, kann sich an die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt wenden unter Telefon 0391/6278 888. Die Mitarbeiter vermitteln Ihnen einen Termin bei einem Facharzt innerhalb von 14 Tagen. Da Sie vor allem psychologische Hilfe suchen: Die Kassenärztliche Vereinigung listet auf ihrer Internetseite alle Psychotherapeuten, sortiert nach Regionen, auf.
Schauen Sie unter www.kvsa.de in der Rubrik Patienten. Unter dem Schwerpunkt Psychotherapie stehen sämtliche Psychotherapeuten mit Telefonnummern und Sprechstunden-Zeiten, in denen Sie die Praxen garantiert erreichen. So können Sie einen Termin ausmachen. Hilfreich ist auch die Internetseite der AOK. Dort findet man den „Familien-Coach Depression“ mit Fragen und Antworten für Angehörige von Betroffenen.
Daniel S., Halle: Meine Frau (40) ist seit zwei Jahren extrem dünnhäutig, schnell gestresst, sieht alles negativ, kann sich nicht mehr freuen und ist inaktiv. Befindet sie sich in einer Depression? Wo finden wir Hilfe?
Nach Ihrer Schilderung liegt der Verdacht auf eine Depression nahe. Sie sollten Ihre Frau zu ihrem Hausarzt begleiten und das Problem ansprechen. Da die von Ihnen genannten Probleme auch mit körperlichen Erkrankungen zusammenhängen können, müsste dies zunächst untersucht werden.
Eine Schilddrüsenerkrankung beispielsweise, die auch depressive Stimmungen verursachen kann, lässt sich mit einer Blutuntersuchung diagnostizieren. Ihr Hausarzt wird auch erkennen, ob Ihre Frau an einer leichten oder schweren Depression leidet. Je nach Schweregrad wird er die Behandlung selbst übernehmen können, eventuell käme auch eine Kur für sie infrage, oder er wird sie zu einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie überweisen. Eine medikamentöse Behandlung in Zusammenspiel mit einer Psychotherapie, bei der Gespräche geführt werden, wäre möglicherweise hilfreich.
Tatjana L., Dessau-Roßlau: Mein Mann (70) leidet seit einem Jahr unter Depressionen und Panikattacken. Er nimmt Tabletten und war auch in einer Klinik. Nichts hilft und ich frage mich, ob mittlerweile nicht andere Medikamente ausprobiert werden sollten. Er kommt auch nicht sehr gut mit seinem Arzt zurecht. Was meinen Sie?
Grundsätzlich sagt man: Wenn eine Behandlung nicht innerhalb von vier Wochen greift und sich keinerlei Besserung einstellt, sollte man sie überdenken. Das kann auch bedeuten, andere Medikamente einzusetzen, gegebenenfalls auch in Kombination mit psychotherapeutischen Gesprächen. Ganz wichtig ist vor allem, dass Ihr Mann mit einem Arzt zusammenarbeitet, dem er absolut vertraut und dem er sich öffnen kann. Ist dies nicht der Fall, besteht eine denkbar ungünstige Voraussetzung für eine Heilung. Im Zweifelsfall sollte Ihr Mann also darüber nachdenken, den Arzt zu wechseln.
Worauf achten bei einem Behandlungsvertrag?
Doris L., Freyburg: Meine Tochter soll in Behandlung bei einem Psychotherapeuten und dort einen Behandlungsvertrag unterschreiben. Was ist das und worauf sollten wir dabei achten?
Tatsächlich verlangen Psychotherapeuten zunehmend, dass ihre Patienten einen sogenannten Behandlungsvertrag unterschreiben. Der dient jedoch in erster Linie dazu, Ausfallzeiten finanziell abzusichern, da viele Patienten häufig versäumen, ihre verabredeten Termine wahrzunehmen. Achten sollte man insbesondere darauf, dass so ein Vertrag regelt, wie lange vorher der Patient einen Termin absagen darf, ohne dass er den Ausfall aus eigener Tasche zahlen muss. Außerdem ist es wichtig festzuhalten, dass der Patient die Behandlung jederzeit beenden kann.
Paula S., Halle: Mir geht es nicht gut und meine Hausärztin meint, dass eine Depression vorliegen könnte. Wohin kann ich mich nun wenden?
Mit einer Überweisung von Ihrer Hausärztin können Sie sich an einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie beziehungsweise psychotherapeutische Medizin oder Nervenheilkunde wenden. Lassen Sie sich nicht davon abschrecken, dass Sie unter Umständen länger auf einen Termin warten müssen.
In akuten Notsituationen, wenn zum Beispiel lebensmüde Gedanken eine zunehmende Rolle spielen, können Sie sich jederzeit auch an das für Ihre Region zuständige psychiatrische Krankenhaus wenden.
Kornelia Noack und Dorothea Reinert notierten Fragen und Antworten. (mz)