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Jeder Zehnte betroffen Bluthochdruck bei Kindern: Fragen und Antworten

Von Bärbel Böttcher 01.08.2019, 08:00
Eine Bewegungstherapie, wie hier in der Kinderkurklinik Bad Kösen (Burgenlandkreis) ist bei der Behandlung des Bluthochdrucks im Kindesalter das A und O.
Eine Bewegungstherapie, wie hier in der Kinderkurklinik Bad Kösen (Burgenlandkreis) ist bei der Behandlung des Bluthochdrucks im Kindesalter das A und O. Andreas Stedtler

Halle (Saale) - Schlagen Sie in 20 Jahre alten medizinische Lehrbüchern nach, dann heißt es dort, dass Bluthochdruck im Kindesalter eigentlich gar nicht vorkommt“, sagt Prof. Dr. Ralph Grabitz, Direktor der halleschen Universitätsklinik und Poliklinik für Pädiatrie II. Er sei höchstens als Begleitsymptom anderer Erkrankungen angesehen worden, fügt der Kinderkardiologe hinzu. Heute gehen die Mediziner davon aus, dass bei etwa sieben bis zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen die Blutdruckwerte zu hoch sind.

Was hat sich geändert? Welche gesundheitlichen Folgen hat es, wenn eine arterielle Hypertonie, so lautet der Fachbegriff, bereits in jungen Jahren diagnostiziert wird? Und was kann dagegen getan werden? Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Welche Blutdruckwerte sind bei Kindern normal?

Anders als bei Erwachsenen können bei Kindern und Jugendlichen bis zum 16. Lebensjahr keine absoluten Zielwerte festgelegt werden. „Die Höhe des Blutdrucks ist abhängig von Alter, Größe, Gewicht und Geschlecht“, erklärt Grabitz. Bei einem Erwachsenen sei beispielsweise ein Wert von 125/85 Millimeter Quecksilbersäule nahezu optimal. „Ein sechs- oder siebenjähriges Schulkind hätte damit einen manifesten Bluthochdruck“, fügt er hinzu. Deshalb ist es nötig, den Kinder- oder Hausarzt zu fragen.

Durch welche Symptome macht sich Bluthochdruck im Kindesalter bemerkbar?

Es heißt, Bluthochdruck verursacht keine Beschwerden. Der Kinderkardiologe lässt das nur bedingt gelten. „Bluthochdruck bei Kindern macht sich oft durch Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Schwindel, Konzentrationsschwäche oder Unwohlsein bemerkbar“, sagt er. Das seien aber alles sehr unspezifische Symptome, die viele Ursachen haben können. Blutdruck sei eine davon.

Der Arzt zweifelt jedoch an, ob diese bei den jungen Patienten in jedem Fall in Betracht gezogen werde. Sein Appell lautet daher: „Auch bei Kindern und Jugendlichen muss der Blutdruck gemessen werden, und zwar wann immer sich dafür Gelegenheit bietet - beim Kinderarzt, beim allgemeinen Arzt, bei Schuleingangs- und Sportuntersuchungen.“

Welche Ursachen hat Bluthochdruck bei Kindern?

Zunächst einmal stellt Grabitz fest, dass zu hohe Blutdruckwerte im Kindesalter öfter als bei Erwachsenen Symptom einer anderen Krankheit sind, also, wie die Mediziner es nennen, sekundäre Ursachen hat. Das können Nierenerkrankungen, Stoffwechselstörungen, sprich: eine Überfunktion der Schilddrüse, oder angeborene Herzfehler sein. Auch bestimmte Medikamente, beispielsweise gegen ADHS, das sogenannte Zappelphilipp-Syndrom, steigern unter Umständen den Blutdruck.

Der Anteil der Kinder mit Hypertonie, bei denen eine solche sekundäre Ursache vorliegt, sei aber dennoch relativ gering. Viel häufiger seien Übergewicht und Bewegungsmangel Ursachen dafür. Die Zahl übergewichtiger und fettleibiger Mädchen und Jungen habe in den vergangenen Jahren beträchtlich zugenommen.

„Auch das Bewegungsmuster der Kinder und Jugendlichen zwischen drei und 18 Jahren hat sich grundlegend verändert“, sagt Grabitz. Seine Beobachtung: „Das Rumtoben im Freien ist im Laufe der Jahre und Jahrzehnte einfach weniger geworden.“

Ist das auch der Grund, warum heute schon bei relativ vielen Kindern Bluthochdruck diagnostiziert wird? Das spiele natürlich eine Rolle, sagt der Arzt. Allerdings sei noch vor 20 Jahren schlicht nicht gemessen worden. Hypertonie bei Kindern war, das bestätigen auch andere Mediziner, lange Zeit ein unterschätztes Problem.

Welche Folgen hat ein im Kindesalter unerkannter Bluthochdruck?

Wie bei Erwachsenen schädigt zu hoher Blutdruck auf lange Sicht die Gefäße. „Das heißt, es sind dann die Erwachsenen, die 20 Jahre früher als andere ihres Alters Probleme mit dem Herz-Kreislaufsystem bekommen, beispielsweise einen Schlaganfall erleiden und letzten Endes auch früher sterben“, sagt Grabitz. „Das muss nicht sein und das darf nicht sein“, fordert er.

Wie wird bei den Jüngsten die Diagnose gestellt?

„Das Blutdruckmessen ist bei Kindern mühsamer als bei Erwachsenen“, erklärt der Kardiologe. Zum einen würden dazu spezielle Manschetten gebraucht, deren Breite und Länge dem Oberarm des Kindes angepasst sein müsse. Ansonsten kämen falsche Werte, nämlich zu niedrige, heraus. Zum anderen seien Kinder unruhiger. Für die Messung werde daher mehr Zeit gebraucht. Unter anderem aus diesem Grund plädiert der Mediziner dafür, vor einer Diagnose auch bei den Jüngsten eine 24-Stunden-Messung vorzunehmen.

Wie wird Bluthochdruck dann behandelt?

„Ergibt die 24-Stunden-Blutdruckmessung, dass bei dem Kind tatsächlich Bluthochdruck vorliegt, muss zunächst geschaut werden, ob es dafür die sogenannten sekundären Ursachen gibt“, sagt Grabitz. Könne das ausgeschlossen werden, so sollten die jungen Patienten motiviert werden, ihren Lebensstil zu ändern, sprich: sich mehr zu bewegen, die Ernährung zu überdenken.

„Das steht an erster Stelle“, betont der Arzt. „Denn anders als bei Erwachsenen können sich bei Kindern und Jugendlichen die Gefäßveränderungen zurückbilden“, ergänzt er. Das sei das Ergebnis großer Studien. Das Motto laute: Früh erkannt - früh gebannt. Nur als letzte Möglichkeit sollten Medikamente eingesetzt werden. (mz)

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