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Bei Fibromyalgie hilft nur ganzheitliche Behandlung

Von Philipp Laage 04.08.2010, 07:16

Bad Pyrmont/dpa. - Schmerzen am ganzen Körper, Schlafstörungen und Erschöpfungszustände: Die Symptome der Schmerzkrankheit Fibromyalgie sind diffus, Betroffene gelten schnell als eingebildete Kranke. Abhilfe schafft nur ein Gesamtpaket aus Medikamenten, Physio- und Psychotherapie.

Das Fibromyalgie-Syndrom kommt relativ häufig vor. Ein bis zwei Prozent der Bevölkerung seien betroffen, sagt der Rheumatologe Wolfgang Brückle, Chefarzt an der Klinik «Der Fürstenhof» in Bad Pyrmont. Heute gingen viele Mediziner davon aus, dass die Krankheit durch unterschiedliche Belastungen körperlicher und seelischer Art, aber auch genetische Faktoren ausgelöst wird. Neben langanhaltendem Stress spiele eine Überlastung durch Pflegesituationen, aber auch zu geringe körperliche Aktivität eine Rolle. Manche Ursachen ließen sich auch in der Kindheit der Erkrankten finden. All diese Faktoren könnten wiederum hormonelle Stressreaktionen auslösen, die zu einer übertriebene Schmerzempfindlichkeit führen.

Die Kernsymptome des Fibromylagie-Syndroms sind chronische Schmerzen in mehreren Körperregionen, Schlafstörungen und das Gefühl eines nicht erholsamen Schlafs, erklärt Winfried Häuser. Der leitende Arzt am Zentrum für Schmerztherapie des Klinikums Saarbrücken zählt vermehrte körperliche Müdigkeit, Erschöpfung und Konzentrationsstörungen als weitere Anzeichen auf. Viele Patienten klagen außerdem über erhöhte Reizempfindlichkeit oder Magen-, Darm- und Harnblasenprobleme, Niedergeschlagenheit und Antriebsmangel.

Weil die Ursache der Schmerzen nicht auszumachen ist, würden viele Betroffene als eingebildete Kranke abgestempelt, sagt Brückle. «Heute wissen die Ärzte, dass sich Schmerzen verselbstständigen können und dann über die Zeit chronisch werden.» Das Gehirn nehme in einer Endlosschleife Schmerzen wahr, die keine Ursache im Sinne einer Körperverletzung haben. Auch die natürlichen Abwehrmechanismen, die bei Gesunden den Schmerz abmildern, funktionieren nicht mehr richtig.

Der Alltag eines Menschen mit Fibromyalgie sei deshalb schwierig und von Stress und Erschöpfung geprägt, erläutert Ulrike Eidmann. Sie ist Ansprechpartnerin des Fibromyalgie-Gesprächskreises der Deutschen Rheuma-Liga und war als langjährige Betroffene an der Erstellung einer Patienten-Leitlinie beteiligt. «Das fängt schon morgens beim Aufstehen an, wenn der Körper sich wie ein Bleianzug anfühlt.» Muskelbeschwerden und geschwollene Hände beeinträchtigten viele Aktivitäten. Oft trete erst ein bis zwei Stunden nach Tagesbeginn eine Verbesserung ein, wenn die Medikamente zu wirken anfangen.

Viele Patienten bekommen die Diagnose erst nach mehreren Jahren und erfolglosen orthopädischen Behandlungsversuchen, sagt Häuser. «An Fibromyalgie wird vor allem bei jungen Patienten und Männern noch zu selten gedacht.» Einige Mediziner täten sich außerdem mit der Diagnose von Krankheiten schwer, die nicht durch Labor- oder Röntgenuntersuchungen bestätigt werden können. Viele Betroffenen würden darüber hinaus schnell in die psychosomatische Schublade gesteckt, ergänzt Eidmann. Dabei sei die psychische Belastung teilweise erst eine Folge der Krankheit. Im weiteren Verlauf könne dann jedoch die Psyche die körperlichen Beschwerden verstärken.

Heilbar ist das Fibromyalgie-Syndrom nicht. Wichtig sei, dass die Patienten die richtige Diagnose bekommen und ausführlich über das Krankheitsbild informiert werden, ergänzt Brückle. «Nur so können die Betroffenen psychisch entlastet werden und einen Weg finden, mit der Krankheit besser umzugehen.» Häuser rät grundsätzlich zu einer ganzheitlichen Therapie. Es gebe allerdings keine Therapieform, die bei jedem Patienten wirkt.

Die Leitlinien empfehlen zum Beispiel Ausdauertraining, Wärmeanwendung oder Psychotherapie. Bewegung und Wärme können dazu beitragen, den Schmerz zu verringern, eine psychologische Beratung hilft Brückle zufolge, das Selbstvertrauen der Betroffenen zu stärken. Medikamente könnten die gesamte Behandlung unterstützen. Vor allem Antidepressiva und Antiepileptika kommen zum Einsatz, um die Schmerzen, Schlafstörungen und Verspannungen, aber auch Ängste und die allgemeine Befindlichkeit der Patienten positiv zu beeinflussen. Sie wirken direkt auf die Schmerz- und Stressschleifen im Gehirn, helfen jedoch nicht allen Patienten.

«Ich würde Betroffenen raten, die Erkrankung zu akzeptieren», sagt Eidmann. Viele Patienten neigten dazu, die Verantwortung auf den Arzt abzuschieben. Aber es gehe vor allem darum, die eigenen Grenzen des Möglichen auszuloten und selbst neue Dinge zu probieren. «Welche Therapiemaßnahmen Linderung bringen und wirklich helfen, weiß der Betroffene meist am besten.» Auch der Austausch mit anderen Erkrankten bringe Verständnis und neue Anregungen mit sich.

Deutsche Rheumaliga: www.rheuma-liga.de

Infos zur Medikamenten-Therapie: http://dpaq.de/Fibromyalgie-Medikamente

Literatur: http://dpaq.de/Fibromyalgie-Literatur

Klinikum Saarbrücken: http://dpaq.de/ozRbP

Klinik Der Fürstenhof: www.klinik-der-fuerstenhof.de