Aufmerksamkeitsstörung bei Erwachsenen Aufmerksamkeitsstörung bei Erwachsenen: Ein ständiger Kampf um den Überblick
Ahrensburg/dpa. - Der Existenzgründer hat tausend Ideen im Kopf - doch er lässt sich ständig ablenken. So oder ähnlich geht es Menschen mit einem so genannten Aufmerksamkeitsdefizit, auch ADS/ADHS genannt. Das Leiden ist vor allem als «Zappelphilipp-Syndrom» bei Kindern bekannt. Dass auch Erwachsene davon betroffen sein können, ist weniger geläufig.
Einige Menschen haben eine Veranlagung zur Aufmerksamkeitsschwäche. Normalerweise haben sie als Erwachsene zu kaschieren gelernt, dass sie sprunghaft und impulsiv sind. Es gibt jedoch auch den stillen Typ. Im Innern ist er jedoch hoch aktiv. «Er ist hin- und hergerissen», erklärt der Facharzt Lothar Imhof aus Ahrensburg bei Hamburg. Diese Menschen litten ungemein. Das führe zu Aktionsarmut und in der Folge zu massiven Selbstwertproblemen.
Oft kommen Erwachsene wegen ganz anderer Probleme in die Praxis des Spezialisten für psychotherapeutische Medizin: «Sie sind depressiv, klagen über berufliche oder partnerschaftliche Belastungssituationen. ADS kann die Ursache sein.» Imhof fragt nach der Lebensgeschichte, lässt Fragebögen ausfüllen und erhebt eine strukturierte Vorgeschichte der Krankheit. «Um die Diagnose ADS bei Erwachsenen zu stellen, muss nachgewiesen werden, dass die Symptome durchgängig im bisherigen Leben auftauchten.»
Betroffene sind oft unfähig zu planvollem Handeln und fallen durch mangelnde Selbststeuerungsfähigkeit auf. Generell führt ADS - im Zusammenspiel mit übersteigertem Bewegungsdrang (Hyperaktivität) als ADHS bezeichnet - zu teils schwerwiegenden Beeinträchtigungen bei vielen geistigen Fähigkeiten.
Als Ursache wurde bisher eine Art Stoffwechselstörung im Stirnhirnbereich ausgemacht. Es kommt zu minimalen Funktionsstörungen bei der Weiterleitung von Reizen entlang der Nervenbahnen. Diese Reizleitung basiert auf so genannten Neurotransmitterstoffen wie Dopamin und Noradrenalin, die der Körper selbst produziert. Bei ADS-Betroffenen ist diese Versorgung aus dem Gleichgewicht.
Viele Patienten fühlen sich erleichtert nach der Diagnose. Endlich verstehen sie, was mit ihnen los ist. «Unpünktlich bin ich weiterhin. Aber ich gehe anders damit um», berichtet Anne Liegel aus Uttenreuth bei Erlangen.
Zappeligen Kindern, die unter einer Aufmerksamkeitsstörung leiden, werden häufig stimulierende Substanzen wie Ritalin verschrieben. Dieses Mittel ist für Erwachsene allerdings nicht zugelassen. Es wird nach Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums nur im Ausnahmefall verschrieben. «Methylphenidatpräparate - Ritalin ist nur eines von mehreren - erleichtern dem Patienten, achtsamer und kontrollierter zu sein. Dosis und Intervalle müssen auf den Einzelfall angepasst werden, und regelmäßig muss eine Verlaufskontrolle stattfinden», erläutert der Psychiater Martin Winkler aus Lüneburg.
Winkler, der auch Koordinator eines Patienteninformationsprojekts der Europäischen Union ist, nennt als weitere Hilfe das Trainieren von Fertigkeiten wie Zuhören, Konfliktmanagement und Selbstorganisation sowie eine Stärkung des Selbstwertgefühls.
Informationen: Bundesverband Aufmerksamkeitsstörungen/ Hyperaktivität (BV-AH), Postfach 60, 91291 Forchheim (Tel.: 09191/70 42 60, Fax: 09191/348 74)