Aquarium und Streichelzoo - wie Tiere heilen helfen
Berlin/dpa. - Sei es der Streichelzoo im Seniorenheim oder der verspielte Labrador, der regelmäßig die Kinder auf der Krebsstation eines Krankenhauses besucht: In immer mehr sozialen Einrichtungen gehen Tiere ein und aus - mit erstaunlich positiven Auswirkungen auf die Menschen.
«In vielen sozialen und pflegerischen Arbeitsbereichen sind tiergestützte Therapieansätze nicht mehr wegzudenken», sagt Prof. Dennis Turner, Präsident des Internationalen Dachverbands für die Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung, vor dem «2. Mensch-Tier-Kongress» (25. bis 27. September). Mehr als 400 Fachleute treffen sich dazu in Berlin, auch interessiertes Publikum ist willkommen.
Ärztin Anke Prothmann von der Technischen Universität München hat bereits an der Universität Leipzig beste Erfahrungen mit Tier-Therapien in der Kinderpsychiatrie gesammelt. «Es muss nicht immer der Ritt auf dem Delfin sein», sagt sie. «Da ist das Kosten-Wirkungs-Verhältnis meist zu ungünstig.» Viel mehr setzt sie auf «normale» Haustiere wie Pferde und vor allem Hunde, mit denen die Kinder in den Therapiestunden arbeiten. «Die Tiere sind eine Art Schleusenöffner», sagt Prothmann. «Ihre Zuwendung und Aufmerksamkeit ist an keinerlei Bedingungen geknüpft.»
Erstaunliche Effekte habe diese uneingeschränkte Präsenz bei kindlichen Psychosen, bei Magersüchtigen, bei Depressiven, aber auch bei Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS) auf das Wohlbefinden der Patienten - und damit auch auf den Verlauf der ergänzenden Therapiegespräche. «Auch bei Autisten fanden wir die meisten Interaktionen mit Tieren, an zweiter Stelle mit Menschen und dann erst mit Objekten», berichtet Prothmann von einer Studie.
In Deutschland setzen rund 40 Prozent aller Krankenhäuser Tiere in der Behandlung psychisch auffälliger Kinder und Jugendlicher ein. Dabei reicht das Spektrum von der konkreten Therapie mit einem Hund oder auf dem Rücken eines Pferdes bis hin zu sogenannten tiergestützten Projekten, bei denen schlicht die Begegnung mit Tieren ihre wohltuende Wirkung entfaltet. «Das kann der Streichelzoo sein oder der Hund des Pflegers oder ein Kaninchen, das in der Gruppe gepflegt wird», sagt der emeritierte Prof. Erhard Olbrich (Zürich), ein Doyen der Fachrichtung.
Deshalb sei das Zusammensein mit Tieren auch für alte Menschen so wichtig. «Selbst ein Aquarium oder die Vogelvolière erfüllen wichtige Funktionen», erläutert Olbrich. Denn das Betrachten der Tiere führe zur positiven Sammlung, zur Konzentration auf etwas Schönes, beruhige, senke den Blutdruck. Noch mehr Effekte hat die Begegnung mit Tieren, die gestreichelt werden können. «Tiere machen das Seniorenheim zum Daheim», sagt Olbrich. «Hunde wittern oft, was für die Menschen jeweils angesagt ist. Sie kommunizieren nicht verbal, sondern sprechen Empathievermögen und das Erfahrungssystem der alten Menschen an. In einen Tagesraum mit sechs alten Menschen, die zuvor vor sich hin starrten, wird ein Hund plötzlich Bewegung bringen.» Soziales und emotionales Miteinander seien die Folge.
Hinzu kommt das Berühren: «Viele Alte wissen im Alter gar nicht mehr, wohin mit ihrer ungelebten Liebe, die sie niemandem mehr schenken können.» Menschen mit Alzheimer-Demenz profitierten deshalb ebenfalls von der Begegnung mit Tieren, erklärt Olbrich. Teile des Nervensystems - etwa das tiefer liegende Erfahrungssystem - warteten nur darauf, angesprochen zu werden. Menschen besäßen eine evolutionär angelegte Affinität zu anderen Lebewesen, die sogenannte Biophilie.
«Wir müssen nicht alle Oldies mit Tieren beglücken, aber dort, wo sie ersehnt werden, sollten sie bereitgestellt werden», sagt Olbrich. Nicht zuletzt habe sich gezeigt, dass selbst das Pflegepersonal von der Anwesenheit der Tiere profitiere: «Angesichts des ständigen Arbeitsdruckes erfahren viele durch die freie Begegnung mit Tieren wieder ein bisschen mehr von dem, was sie ihren Beruf einmal wählen ließ.»
Weitere Infos: www.mensch-tier-kongress.de