Leben mit Prostata-Krebs Angst vor dem „Männer“-Krebs
Mediziner aus Sachsen-Anhalt beantworten beim Telefonforum Fragen zu Diagnostik und Therapie von Prostata-Krebs. Zum Beispiel: Warum heute mehr beobachtet als operiert wird.

Prostata-Krebs ist eine Diagnose, die bei Betroffenen und ihren Angehörigen große Ängste und viele Fragen auslöst. Die Krankheit betrifft hauptsächlich Männer in der zweiten Lebenshälfte. Jährlich erkranken etwa 60.000 Menschen. Es gibt verschiedene Formen von Prostata-Krebs, von weniger aggressiven bis hin zu lebensbedrohlichen Arten. Ein erheblicher Anteil der meistens bei der Früherkennung festgestellten Krankheiten muss sogar nur überwacht werden. Beim Telefonforum beantworteten Prof. Martin Schostak, Direktor der Universitätsklinik für Urologie, Uroonkologie, robotergestützte und fokale Therapie Magdeburg, sowie Privatdozent Dr. Markus Porsch, niedergelassener Urologe aus Magdeburg, Fragen zu Diagnostik und Therapie.
Ich bin Ende 50. Mein Hausarzt will mich zur Prostata-Vorsorgeuntersuchung einbestellen. Ich habe aber keine Beschwerden. Hat das Sinn?Korrekterweise spricht man in diesem Fall nicht von einer Vorsorge, sondern von einer Früherkennungsuntersuchung. Diese wird ab dem 45. Lebensjahr empfohlen und sollte höchstens bis etwa zum 75. Lebensjahr dem Risiko angepasst jährlich bis mehrjährlich erfolgen. Mit Ende 50 sind sie maximaler Nutznießer einer Früherkennung. Wenn gefährliche Erkrankungen jetzt und rechtzeitig erkannt werden, könnte ein womöglich vorzeitiger Tod infolge von Krebs verhindert werden.
Was wird bei einer Prostata-Untersuchung gemacht?Lange war es üblich, die Prostata mittels Fingeruntersuchung durch den Enddarm abzutasten, um mögliche krankhafte Veränderungen festzustellen. Die Tastuntersuchung allein ist allerdings nur von sehr eingeschränkter Aussagekraft, da der Mediziner nur cirka zehn Prozent der Prostata ertasten kann. Zusätzliche Untersuchungen können die Bestimmung des PSA-Wertes über eine Blutuntersuchung und eine Kernspintomographie sein. PSA steht für Prostataspezifisches Antigen und ist ein Eiweiß, das nur von Prostatazellen gebildet wird. Ob die Kernspintomographie zusätzlich zur Blutentnahme notwendig ist, kann der Facharzt für Urologie am besten entscheiden. Mit Hilfe dieser beiden nicht invasiven Untersuchungen ist eine Diagnosestellung bereits in 95 Prozent der Fälle möglich. Das heißt konkret, dass ein vorhandener Prostata-Krebs auch gefunden wird oder aber ein nicht vorhandener sicher ausgeschlossen werden kann.
Keine Kostenübernahme
Ich bin 76 Jahre alt und habe eine stark vergrößerte Prostata. Bei mir wurde schon mehrfach eine Biopsie vorgenommen. Mein Urologe empfiehlt mir erneut eine Biopsie oder ein MRT. Das wird aber von meiner Krankenkasse nicht bezahlt.Es ist wirklich ein sehr großes Dilemma, dass unsere Leitlinien eine Kernspintomographie für diese Situation dringend empfehlen, die Kosten aber nicht immer von den Kassen übernommen werden. Tatsächlich kann sie Ihnen aber eine ansonsten unnötige Biopsie ersparen.
Bei mir wurde ein Prostata-Krebs mit niedrigem Risiko festgestellt. Mein Urologe empfiehlt eine Überwachung. Was halten Sie davon?Bisher wurde in solchen Fällen häufig eine Operation empfohlen. Inzwischen ist das jedoch nicht mehr der Königsweg. Die aktive Überwachung ist der neue Standard in dieser Situation. Sechsmonatliche Kontrollen des Blutwertes PSA und eine Kernspintomographie nach eineinhalb bis zwei Jahren sind dazu angezeigt. Andere Therapien wie zum Beispiel eine Radikaloperation wären eine Überbehandlung. Sie sollten Ihrem Urologen also vertrauen und diesen Weg gehen.
Ich bin 74 Jahre alt. Bei den Untersuchungen zur Früherkennung haben sich schwankende Werte gezeigt. Ich hatte auch schon eine Biopsie. Dabei zeigte sich kein Befund. Was muss ich jetzt tun?Schwankungen beim PSA-Wert können normal sein. Um eine endgültige Klärung zu erhalten, empfehlen wir eine Kernspintomographie der Prostata, um zu sehen, ob es ein Problem gibt. Diese Untersuchung wird zwar teilweise von manchen Krankenkassen nicht bezahlt, kann Ihnen aber gegebenenfalls eine ansonsten unnötige Biopsie ersparen.
Nicht zwangsläufig durch den Darm
Ich war vor zwei Jahren zur Prostata-Biopsie. Diese war unauffällig. Mein Urologe rät mir jetzt erneut dazu. Mir war das Prozedere über den Darm allerdings sehr unangenehm. Gibt es inzwischen andere Verfahren?Ich kann sie beruhigen. Die ärztliche Kunst ist inzwischen weiter. Viele Urologen bieten auch weniger unangenehme Untersuchungen an. In diesem Fall kann vielleicht eine andere Form der Biopsie – also der Gewebeentnahme – am Damm eine Option sein. Dabei wird die Nadel nicht durch den After, sondern durch die Haut zwischen Hodensack und After zur Prostata geführt. Mit Hilfe einer lokalen Betäubung ist das Verfahren äußerst verträglich.
Ist eine Biopsie immer notwendig? Nein. Heutzutage versuchen wir, Biopsien nach Möglichkeit zu vermeiden. Dazu ist es allerdings notwendig, mehrere PSA-Werte zu ermitteln. Manchmal sogar über einige Jahre hinweg. Bei auffälligen PSA-Wert-Verlauf ist nach der Leitlinie für Prostata-Krebs zunächst eine Kernspintomographie der Prostata zu empfehlen. Dadurch können Tumorherde erkannt und anschließend zielgerichtet biopsiert werden. Bei unauffälligen Befunden der MRT kann eine Biopsie oft gänzlich vermieden werden.
Ich bin 70 Jahre alt. Vor drei Jahren wurde bei mir Prostata-Krebs diagnostiziert. Der Gleason-Score lag bei 3+4, der PSA-Wert bei sieben. Außer einer neuen Biopsie im vergangenen Jahr, in der der Tumor nicht mehr gefunden wurde, sind keine weiteren Untersuchungen durchgeführt worden. Was raten Sie?Sie sind wahrscheinlich auf dem richtigen Weg. Der Gleason-Score ist ein Maßstab für die Bösartigkeit. Ihr Krebs stand auf der Stufe zwei von fünf. Sie brauchen nun eine MRT (Kernspintomographie) der Prostata. Dabei geht es um die Frage, ob bei den Biopsien vielleicht ein größerer und gefährlicherer Befund übersehen wurde. Solche Biopsien erfolgten nämlich früher ungezielt. Es handelt sich also um Zufallstreffer. Zeigt die MRT-Untersuchung keinen größeren Befund, kann die Überwachung fortgesetzt werden. Das ist jetzt leitliniengerecht. Ist ein größerer Befund zu sehen, muss er mit einer speziellen Maschine, einer sogenannten Fusionsbiopsie, gezielt erkundet werden.
Seit 2022 unterliegt mein Prostata-Krebs einer aktiven Überwachung, wie es mein Arzt ausdrückt. Im Rahmen einer Blasenentzündung lag mein PSA-Wert einmalig bei elf. Mir wird jetzt zu einer Operation geraten. Der Wert von 10,0 ist keine Schallgrenze mehr wie früher. Die Leitplanken wurden weiter nach außen gezogen. Bis zu einem Wert von 15 kann eine aktive Überwachung durchaus sinnvoll sein. Sie brauchen natürlich weiterhin Blutbestimmungen. Oft fällt der Wert auch wieder. Zusätzliche Sicherheit gibt Ihnen die Wiederholung der Kernspintomographie. Diese sollte den fachlichen Leitlinien entsprechend nach zwölf bis 18 Monaten erfolgen. Auch eine erneute Biopsie ist oft angebracht. Sofern es sich immer noch um denselben, harmlosen Krebs handelt, sind Sie mit einer Beobachtung auf der sicheren Seite. Ist allerdings inzwischen ein aggressiverer Tumor gewachsen, muss die abwartende Strategie vielleicht beendet werden.
Hausarzt koordiniert
Da ich jetzt Mitte 50 bin, will mich meine Frau zur Prostatakrebsfrüherkennung schicken. Bin ich dafür bei meinem Hausarzt an der richtigen Adresse?Der ist der Leiter und Lenker. Er sollte ihnen empfehlen, einen Facharzt für Urologie aufzusuchen. Dieser wird Sie ausführlich zum eigentlichen Thema beraten. Dabei berücksichtigt er Ihre allgemeine Gesundheit und wird, entsprechend angepasst, zu unterschiedlichen Untersuchungen raten. Solche Beratungen und die risikoangepasste Durchführung der Untersuchungen sind Kernkompetenzen des Urologen. Nach Abschluss erhält der Hausarzt einen Befundbericht und eine Empfehlung für das weitere Vorgehen.
An wen kann ich mich um Rat wenden? Gibt es ausreichend Fachärzte für diesen Bereich?Der Facharzt für Urologie kennt alle Verfahren, die im Rahmen einer Früherkennung notwendig sind, und kann mit Ihnen den notwendigen Weg besprechen. Grundsätzlich gibt es in Mitteldeutschland genügend Urologen in Bezug auf die Einwohnerzahl. Die Stadt Magdeburg ist in dieser Beziehung sogar gut ausgestattet. Das ist allerdings nur ein statistischer Wert, der wenig über die Arbeitsbelastung der einzelnen Praxis aussagt. In ländlichen Regionen kann es zudem durchaus schwierig sein, eine wohnortnahe Facharztpraxis zu finden.
Sicherheit auch ohne OP
Ich bin 76 Jahre alt. Vor zwei Jahren wurde bei mir ein Krebs diagnostiziert. Der Arzt sagte zwar, dass das Risiko für die Ausbildung von Metastasen gering ist und empfahl eine aktive Überwachung. Ich habe mir drei weitere Meinungen von anderen Zentren eingeholt, die das bestätigten. Dennoch habe ich große Angst vor einer Verschlechterung. Wäre nicht eine Operation angebracht?Ihre Angst ist nachvollziehbar. Allerdings ist die Datenlage in Ihrem Fall sehr positiv für die Entscheidung, es genau so zu machen. Dies wurde ja von mehreren Fachärzten bestätigt. Aufgrund der aktiven Überwachung bleiben Sie in regelmäßiger Kontrolle. Sobald sich der Krebsbefund tatsächlich verschlechtert, kann noch immer, ohne Beeinträchtigung Ihrer Lebenserwartung, behandelt werden. Ich rate von einer Operation „auf Verdacht“ ab.
Ich bin 85. Bei den jährlichen Kontrollen der vergangenen zehn Jahre ist mein PSA-Wert konstant gestiegen und liegt jetzt bei 8,5. Kann sich daraus Krebs entwickeln?Ja, das ist möglich. Das Vorhandensein von bösartigen Zellen in der Vorsteherdrüse ist bei hochbetagten Männern fast normal. Nur in sehr seltenen Fällen ist aber eine Therapie notwendig. Deshalb rate ich von weiteren Kontrollen jedweder Art ab.
Vor sieben Jahren wurde meine Prostata wegen Krebs bestrahlt. Seitdem ist der PSA-Wert unter der Nachweisgrenze. Jetzt bin ich 80. Kann ich mit der Nachsorge aufhören?Ja. Sie sind geheilt und benötigen keine weitere Bestätigung für ein möglichst noch langes Leben. Sollten allerdings urologische Probleme auftreten, zum Beispiel Schwierigkeiten beim Wasserlassen, hilft Ihnen der Facharzt natürlich weiterhin.
Christian Wohlt notierte die Fragen und Antworten.