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Alzheimer Alzheimer: Krankheit ohne Gegenmittel

Von Fanni Aspetsberger 30.10.2006, 10:35
Eine Betreuerin streichelt während des «Betreuten Urlaubs» für Alzheimerkranke in Boltenhagen einer Patientin die Hand (Foto: dpa)
Eine Betreuerin streichelt während des «Betreuten Urlaubs» für Alzheimerkranke in Boltenhagen einer Patientin die Hand (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Hamburg/dpa. - Lediglich der Verlauf lässtsich um einige Monate bis Jahre verzögern. Jetzt nährt ein neuerexperimenteller Impfstoff die vorsichtige Hoffnung auf Hilfe gegendas Leiden. Noch in diesem Jahr werden deutsche Forscher versuchen,das Immunsystem von Alzheimer-Patienten gegen die krank machendenEiweißablagerungen im Hirn zu richten. Schon vor Beginn warnen dieMediziner aber ausdrücklich vor überzogenen Hoffnungen.

«Mit einer Impfung gegen die Demenz-Erkrankung wäre es zum erstenMal möglich, tatsächlich das Fortschreiten der Erkrankungaufzuhalten», beschreibt Prof. Isabella Heuser von der Klinik fürPsychiatrie und Psychotherapie an der Berliner Charité die Chancen.Die Wirkung des zu testenden Impfstoffs unterscheidet sichgrundsätzlich von den gängigen Alzheimer-Medikamenten. Die bisherigeTherapie kann die Bildung der typischen Eiweißablagerungen, der Beta-Amyloid-Plaques, nicht verhindern. Stattdessen verbessern Medikamentedie Funktion der verbliebenen Nervenzellen. Die experimentelleImpfung soll das körpereigene Immunsystem auf das Beta-Amyloid-Protein trainieren.

Dazu wird den Probanden ein verändertes Beta-Amyloid-Proteingespritzt. Der Körper reagiert darauf mit der Bildung vonAntikörpern, die die krank machenden Eiweiße erkennen und siefrühzeitig bekämpfen sollen. «Dadurch könnte die Degeneration derNervenzellen bei vielen Patienten zumindest deutlich verlangsamt,wenn nicht sogar verhindert werden», vermutet Heuser.

Eine erste große Impfstudie im Jahre 2001, an der keine deutschenInstitute beteiligt waren, musste allerdings wegen schwererNebenwirkungen abgebrochen werden. Damals bekamen 17 von 300Patienten in Folge der Impfung eine Hirnhautentzündung, 3 starben.Die Nachbeobachtungen dieser Studie lassen jedoch vermuten, dass dieImpfung bei einigen Teilnehmern funktionierte. «Etwa 20 Prozent derVersuchspersonen bildeten Antikörper gegen das krank machendeEiweiß», berichtet Heuser. Aus dieser Gruppe wurden 19 Teilnehmerlängerfristig beobachtet. «Ihr Zustand verschlechterte sich in denfolgenden drei Jahren kaum. Die allgemeine Hirnleistung dieserProbanden war deutlich besser als die Hirnleistung derjenigen, dienicht geimpft wurden.»

Der neue Impfstoff wurde nun so verändert, dass die schwerenNebenwirkungen nicht mehr zu erwarten sind. Während in der erstenStudie das gesamte Beta-Amyloid-Protein im Impfstoff enthalten war,wird nun nur ein Bruchstück gespritzt, erklärt Prof. Lutz Frölich vomZentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim, der die Studiegemeinsam mit Heuser leitet. Der Hirnhautentzündung, die alsdramatische Nebenwirkung beim ersten Versuch auftrat, könne dadurchvermutlich vorgebeugt werden, sagt Frölich.

Die neue Untersuchung geht aber zum Schutz der Probanden sehrvorsichtig vor: Zunächst erhalten nur drei Patienten mit leichter bismittelschwerer Alzheimer-Erkrankung den Impfstoff und werdendaraufhin für ein halbes Jahr beobachtet. Treten in diesem Zeitraumkeine gravierenden Nebenwirkungen auf, werden weitere drei Patientenin die Studie einbezogen. Insgesamt sollen zwölf Patienten im erstenStudienabschnitt die Impfung erhalten. Geplant ist, nach und nach biszu 300 Personen in ganz Europa zu impfen.

Heusers «allergrößte Hoffnung» ist, dass in Zukunft einevorbeugende Impfung für Hochrisikogruppen möglich werden könnte.Zugleich warnen die Ärzte vor überspannten Erwartungen. Wenn derImpfstoff in seiner aktuellen Form ein Erfolg werde, sei infrühestens sechs bis sieben Jahren mit einem kommerziellen Präparatzu rechnen. Eine vorbeugende Routinebehandlung von Gesunden zurVermeidung von Alzheimer sieht Frölich vorerst nicht. «DerWunschtraum, dass jeder ab 50 Jahren eine Impfung erhält und dasProblem Alzheimer damit gelöst ist, wird sich nicht erfüllen.»

Auguste Deter, eine berühmte Alzheimer-Patientin, wenige Monate nach ihrer Einweisung in die «Anstalt für Irre und Epileptische» in Frankfurt (Archivfoto vom Februar 1902). (Foto: dpa)
Auguste Deter, eine berühmte Alzheimer-Patientin, wenige Monate nach ihrer Einweisung in die «Anstalt für Irre und Epileptische» in Frankfurt (Archivfoto vom Februar 1902). (Foto: dpa)
dpa
Das gestellte Foto zeigt Hände eines älteren Menschen mit einem Schlüsselbund, an dem ein Papier mit der Anschrift angebracht ist. (Foto: dpa)
Das gestellte Foto zeigt Hände eines älteren Menschen mit einem Schlüsselbund, an dem ein Papier mit der Anschrift angebracht ist. (Foto: dpa)
dpa-Zentralbild
Verlauf der Krankheit (Grafik: dpa)
Verlauf der Krankheit (Grafik: dpa)
dpa
Anzahl der Erkrankten in Deutschland (Grafik: dpa)
Anzahl der Erkrankten in Deutschland (Grafik: dpa)
dpa