Abnehmen Abnehmen: So kommen auch Sportmuffel wieder in Schwung
Halle (Saale) - Bei vielen Männern um die 50 machen sich erste Wehwehchen bemerkbar. Es reift die Erkenntnis: Bewegung könnte nicht schaden. Professor Kuno Hottenrott gibt Tipps, wie Mann in Schwung kommt. Er ist Leiter des Arbeitsbereichs Sportmedizin und Trainingswissenschaft am Department Sportwissenschaft der Martin-Luther-Universität und Direktor des Instituts für Leistungsdiagnostik und Gesundheitsförderung.
Wie gelingt nach einer längeren Pause der Wiedereinstieg?
Das wichtigste am Anfang ist eine klare aber auch realistische Zielsetzung. Was will ich in welchem Zeitraum erreichen? Will ich fitter werden, um Alltagsbelastungen besser wegstecken zu können? Will ich Stress abbauen? Will ich in den nächsten acht Wochen zwei Kilogramm abnehmen? Oder will ich mich gar auf den nächsten Stadtlauf vorbereiten? Es empfiehlt sich dann, Etappen festzulegen, um sich langsam an das große übergeordnete Ziel heranzuarbeiten. Günstig ist es, nach jeweils vier Wochen objektiv zu bewerten, was erreicht worden ist, um sich für die nächste Etappe zu motivieren.
Sollte am Anfang der Arzt ein Wörtchen mitreden?
Unbedingt. Ein Gesundheitscheck beim Hausarzt gehört dazu. Belastbarkeit und Trainingsziel sollten zusammenpassen. Insbesondere gilt das, wenn schon Beschwerden aufgetreten sind, beispielsweise Schmerzen im Brustkorb oder auch Gelenkbeschwerden. Mit dem Arzt kann dann besprochen werden, welche Sportart die geeignetste ist: das Joggen, Walken, Radfahren oder vielleicht auch das Schwimmen. Aber jeder sollte beim Training immer wieder in sich hineinhören um wahrzunehmen, wie der Körper auf das Training reagiert. Es verändert sich ja etwas in den Organen, in der Muskulatur sowie im Stütz- und Bewegungsapparat. Werden da Beschwerden wahrgenommen, sollte das Training gegebenenfalls eine Zeit lang reduziert werden.
Was ist besser - Ausdauer- oder Krafttraining?
Nur durch Muskelkraft können wir uns fortbewegen. Von daher ist Kraft auch die Basis für ein Ausdauertraining. Das heißt, letztlich muss beides trainiert werden. Mit zunehmendem Alter lässt die Kraft nach und das entsprechende Training gewinnt an Bedeutung. Letztlich kommt es aber auch hier wieder auf das Ziel an, das der Sportler verfolgt. Wer Abnehmen möchte, der muss tendenziell mehr Ausdauertraining absolvieren. Der Energieverbrauch ist dabei um ein Vielfaches höher als beim Krafttraining. Andererseits - wer sich Muskelkraft antrainiert, hat auch im Ruhezustand einen höheren Energieverbrauch. Die Muskulatur ist das Organ, das Wärme erzeugt und dabei eben Energie verbraucht.
Was ist am Anfang eines Ausdauertrainings der größte Fehler, der gemacht werden kann?
Der größte Fehler ist, dass zu intensiv begonnen wird und die Trainingseinheit viel zu kurz ist. Für die ersten Trainingseinheiten sollte sich der Einsteiger mindestens 45 Minuten Zeit lassen. Das kann auch heißen, dass anfangs nur einige Laufminuten eingebaut werden. Der Rest der Strecke wird gewandert. Diese Laufminuten werden dann mit der Zeit mehr. Und irgendwann kann 45 Minuten durchgelaufen werden. Aber es ist wichtig, von Anfang an eine gewisse Zeit unterwegs zu sein. Das aktiviert den Fettstoffwechsel, fördert die Entspannung und sorgt eben dafür, dass das Training nicht zu intensiv wird. Einfacher ist der Einstieg in den Ausdauersport mit Rad fahren oder Schwimmen. Laufen ist eine sehr anstrengende Fortbewegung, insbesondere wenn man Älter als 50 oder übergewichtig ist.
Was ist denn gegen ein intensives Training einzuwenden?
Für Freizeitsportler, auch gerade für diejenigen, die schon etwas älter sind, ist es wichtig, dass der aufgenommene Sauerstoff ausreicht, um die Muskulatur mit Energie zu versorgen. Ist das der Fall, wird im sogenannten aeroben Bereich trainiert, in dem übrigens auch der Fettstoffwechsel genutzt wird. Bei hoher Bewegungsintensität reicht der Sauerstoff nicht mehr aus und der Trainierende kommt in den anaeroben Bereich. Vereinfacht gesagt, es wird ein weiteres Energiesystem aktiviert und dabei vermehrt Laktat gebildet. Laktat ist das Salz der Milchsäure, ein Zwischenstoffwechselprodukt, das bei hoher Anhäufung zur Übersäuerung der Muskulatur führt.
Die anaerobe Energiebereitstellung trägt dazu bei, hohe Intensitäten für kurze Zeit ohne Sauerstoff zu bewältigen. Im Alltag hilft mir dies beispielsweise wenn ich einen Sprint einlegen muss, um die schon abfahrbereite Straßenbahn noch zu erreichen. Habe ich das geschafft, lasse ich mich erst einmal schwer atmend auf einem Sitz nieder. Übertragen auf den Sport heißt das, meine Muskulatur ermüdet schneller, ich muss frühzeitig abbrechen. Deshalb ist der moderate aerobe Bereich für das Training zu empfehlen.
Wie kann ich feststellen, dass ich im richtigen Bereich trainiere?
Dies kann beispielsweise über die Atemfrequenz festgestellt werden. Wenn ich beim Laufen bei jedem Schritt ein- und ausatmen muss, dann bin ich im hochintensiven Bereich. Muss ich alle zwei Schritte ein- und ausatmen, bin ich an der anaeroben Schwelle. Mache ich nur aller drei oder vier Schritte einen Atemzug, dann bin ich im moderaten Bereich. Diese Schritttechnik ist ein gutes Hilfsmittel.
Bringt Gartenarbeit genug Bewegung?
Gartenarbeit ist durchaus gut, denn es werden nahezu alle Muskelgruppen des Stütz- und Bewegungssystems beansprucht. Bei der teilweise sehr schweren und ungewohnten Arbeit kann es jedoch schnell zu Rückenbeschwerden und Muskelverspannungen kommen. Und natürlich - ein Ausdauersport ist das nicht. Hier sollte noch ein Ausgleich geschaffen werden.
Wie oft sollte trainiert werden, um einen Trainingseffekt zu erzielen?
Training kann nur wirksam werden, wenn sich Trainingsbelastungen und Ruhephasen über einen längeren Zeitraum abwechseln. Das ist wie im Arbeitsleben. Ich brauche Erholungsphasen, um geistig fit zu bleiben. Im Sport brauche ich immer neue Trainingsreize, um Anpassungen auszulösen, die zur Leistungssteigerung führen Wenn ich täglich 20 Minuten Fahrrad fahre, werde ich meine Fitness nach einer gewissen Zeit nicht mehr steigern können, sie wird sogar zurückgehen, weil das kein besonderer Reiz mehr ist. Besondere Reize zu setzen heißt, die Trainingsanforderungen oft zu ändern, auch Pausen zu machen und immer wieder neu zu starten. Ideal wäre es sogar verschiedene Sportarten auszuüben, also mal zu laufen und mal zu schwimmen. Und beim Laufen sollte die Strecke, die Dauer und das Lauftempo immer wieder gewechselt werden.
Braucht ein Freizeitsportler Nahrungsergänzungsmittel?
Nein, was er zum Sport braucht, ist eine ausgewogene basische und mineralstoffreiche Ernährung. Die ist das A und O. Das heißt, er sollte viel Obst, Gemüse und Salat essen. Auch hochwertiges pflanzliches Eiweiß aus Getreide und Hülsenfrüchte sowie fettarmes Fleisch ist zu empfehlen. Ebenso komplexe Kohlenhydrate beispielsweise in Form von Vollkornprodukten. Sie führen dem Körper langsam Energie zu. Dagegen landet die Energie von einfachen Kohlenhydraten, die sehr schnell verdaut werden - das ist bei Weißbrot, Kuchen oder Süßigkeiten der Fall - schnell im Blut und bei gleichzeitig fehlender körperlicher Aktivität auch schnell auf den Hüften.
Ist es am Sonntagmorgen besser vor oder nach dem Frühstück aktiv zu sein?
Günstig wäre es, erst nach der sportlichen Aktivität zu frühstücken, um effektiv den Fettstoffwechsel anzukurbeln. Jeder sollte ausprobieren, wie es ihm dabei geht. Anfangs ist es ratsam, ein Stück Traubenzucker mitzunehmen, falls der Blutzuckerspiegel zu sehr nach unten sinkt und eine Unterzuckerung droht. Würde man erst frühstücken, dann werden während des Sporttreibens vor allem die Nährstoffe des Frühstücks zur Energiebereitstellung genutzt, nicht aber die Reserven beziehungsweise Speicherdepots aktiviert. Letzteres ist ja aber das Ziel. Das gleiche gilt übrigens auch, wenn ich nach der Arbeit Sport treibe. Wer sich abgespannt und müde fühlt, darf vorher ruhig einen Kaffee oder Espresso mit einem Glas Wasser trinken. Aber gegessen werden sollte erst nach der sportlichen Aktivität.
Wird spezielle Kleidung benötigt?
Es sollte schon eine funktionsgerechte, das heißt atmungsaktive Kleidung getragen werden. Im Winter empfiehlt sich ein Zwiebelschichtsystem, um die Feuchtigkeit nach außen transportieren zu können und dennoch genügend Wärme zu haben. Im Sommer genügt ein Baumwoll-Shirt, weil dieses beim Durchschwitzen auf der Haut kühlt. Wichtig ist es, sich gerade in der Übergangszeit mit einer dünnen Jacke vor kaltem Wind zu schützen und Unterkühlungen zu vermeiden. Sonst besteht die Gefahr, sich schnell zu erkälten.
Worauf sollte bei Schuhen geachtet werden?
Entscheidend ist, dass man sich in dem Schuh wohlfühlt, dass er die natürliche Abrollbewegung unterstützt und nicht korrigierend eingreift. Er muss eine gewisse Dämpfung haben, die sollte aber wiederum nicht zu stark sein. Ein schwerer Mensch fängt in einem weichem, stark gedämpften Schuh an zu „schwimmen“. Dies wirkt sich negativ auf die Stabilität und Laufsicherheit aus und kann zu Beschwerden in den Gelenken führen. Beim Schuhkauf sollte sich jeder eine Beratung in einem Sportfachgeschäft holen. Und - wer mehrmals in der Woche läuft, der sollte zwei Paar Laufschuhe besitzen.
Gibt es Tricks, um am Ball zu bleiben?
Es muss ein Wohlbefinden, ein angenehmes Gefühl während der sportlichen Aktivität eintreten. Wir sprechen da von einem Flow-Erleben oder auch vom Runners High. Man läuft reflexionsfrei, in sich vergessen, bekommt, wie man so schön sagt, den Kopf frei. Man fühlt sich während des Laufens einfach sehr gut und hinterher besser als vorher. Und wer das erfährt, muss keinen inneren Schweinehund mehr überwinden, er ist motiviert. Leider tritt das Flow-Erleben bei Laufanfängern nicht gleich ein. Er spürt zunächst die Anstrengung, die eintretende Müdigkeit und teilweise auch den Muskelschmerz. Bis das Wohlbefinden eintritt, müssen einige Trainingseinheiten absolviert werden.
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(Notiert von Bärbel Böttcher)