Gestresste Mutter Gestresste Mutter: "Könnt Ihr alle einfach mal ein bisschen leiser sein?!"

Es gibt so Tage, Tage wie diesen. Davon geweckt werden, dass mir eine ins Ohr schreit. Wie an jedem anderen Morgen in dieser Woche. Dieser Lärm. Mein Kopf ist noch gar nicht da, meine Beine quälen sich aus dem Bett. Das Schreien bewegt sich ins nächste Zimmer, meine Beine hinterher. Ich versuche mich an beruhigenden Worten, heraus kommt ein Krächzen. Ich räuspere mich eine Million Mal, es hilft nichts. Ich halte die Klappe.
Liz von kiddo.the.kid ist nicht hauptberuflich Mutter, kommt sich aber manchmal so vor. Der Mann wohnt auch hier und wird gelegentlich geschmäht, meist aber ziemlich gern gehabt. Das Kiddo ist mindestens ein Jahr alt und sowieso ein erstaunliches Wesen. Alle zusammen wursteln sich in Berlin durch.
Das Schreien geht ins Bad, meine Beine hinterher. Dann macht das Schreien eine kurze Pause, statt dessen rumpelt es ganz scharf und scheppernd, als Zeug aus dem Schrank auf die Fliesen fällt. Noch ein dumpfer Knall obendrauf, das war der Kopf. Das Schreien nimmt wieder Fahrt auf. Irgendwann war es doch mal ruhig in dieser Wohnung. Muss Jahre her sein. So still war es, das fand ich sicher schön. Ohne es zu wissen.
So laut: Ist das normal?
Aus dem Nebenzimmer neue Geräusche, Husten. Das ist der Mann. Es rumst, auch er lässt irgendetwas fallen, immerhin weint er daraufhin nicht. Der Mann hustet weiter, laut. Vielleicht ist das nicht normal, dass einer so laut hustet.
Küche, Radio, Frühstück. Die Musik ist zu viel und ich zu müde, um sie leiser zu drehen. Eine Tasse fällt vom Tisch, Besteck klappert gegen das Porzellan, Kind schreit, diesmal wütend, Mann hustet wieder, das Radio ist so scheißlaut, Mensch.
Das Kind hat feine Antennen: Je weiter ich mich in mich selbst zurückziehe vor all dem Krach, desto näher rückt es mir auf die Pelle. Ich verstehe das. Es will nicht, dass ich mich zurückziehe. Und ich will, dass alle endlich mal die Klappe halten. Mann, Kind, Radio. Seid doch mal still, bitte. Es ist aber keiner still, weil Familienlärm eine Naturgewalt ist. Völlige Ruhe innerhalb einer vollständig anwesenden Familie ist kein so gutes Zeichen, glaube ich.
Mein Telefon piepst, es ist das Mailprogramm. Es piepst wieder, es ist eine SMS. Der Mensch, der im Zimmer über unserer Küche wohnt, lässt einen Sack Pflastersteine auf den Boden fallen. Glaube ich. Das Kind schreit nicht mehr, schlägt aber mit seinem Becher ausdauernd auf die Tischplatte.
„Ich brauche Ohrenschützer“
Männer mit Presslufthämmern tragen so schöne bunte Ohrenschützer, so einen brauche ich. Dann würde ich freundlich lächelnd einfach dasitzen, während draußen die Kakophonie des Grauens abgespielt wird. Dass ich lärmempfindlich bin, weiß ich schon lange, das ist angeboren. Was ich bisher nicht wusste: Wie es ist, wenn ich mich dem Lärm nicht entziehen kann. Jetzt weiß ich’s, es ist Mist. Es zerrt an meinen Nerven wie sonst nichts, es dünnt mich aus und macht mich mürbe.
Die Wohnungstür fällt zu, Mann und Kind sind weg. Ich bin froh darüber und fühle mich sofort schuldig. Aber es ist so still jetzt, das ist schön. Ich sitze ein bisschen in der Stille herum. Mein Herz beruhigt sich, ich tippe diesen Text. Das Mailprogramm tönt. Es ist okay.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich im Blog kiddo.the.kid.
