1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Gesellschaft: Gesellschaft: Rache kann auch guttun

Gesellschaft Gesellschaft: Rache kann auch guttun

Von Aliki Nassoufis 01.12.2010, 09:17
Rachegefühle zu unterdrücken, klappt meistens nicht. Besser ist es, sie in Maßen auszuleben und damit ein Gefühl der Gerechtigkeit wiederherzustellen. (FOTO: DPA)
Rachegefühle zu unterdrücken, klappt meistens nicht. Besser ist es, sie in Maßen auszuleben und damit ein Gefühl der Gerechtigkeit wiederherzustellen. (FOTO: DPA) dpa-tmn

Marburg/Berlin/dpa. - Gründe für Rache gibt es viele: EinKollege macht sich vor den anderen Mitarbeitern lustig über einen,der Chef übergeht einen bei der Beförderung oder man wird von einerguten Freundin belogen. «Rache ist süß», heißt es dann oft.Tatsächlich sollte man seine Rachegedanken nicht immer sofortverschämt unterdrücken. Denn sie kann durchaus gut tun.

«Rache ist ein Phänomen, das im Alltag oft vorkommt», berichtetProf. Mario Gollwitzer von der Philipps-Universität Marburg ausseiner langjährigen Forschungserfahrung mit dem Thema. Dabei könnenmehrere Arten unterschieden werden. «Es gibt Rachefantasien und indie Realität umgesetzte Rache. Und natürlich gibt es Rache, dieinakzeptabel ist und alles nur noch schlimmer macht. Aber es gibtauch Rache, die etwas bewirken kann.» Wenn man aber immer nur von ihrträumt, kann sie niemals befriedigend sein, sagt Diplom-PsychologeGollwitzer.

Studien bestätigen das, zum Beispiel von Wissenschaftlern umArlene Stillwell von der State University New York. Die Forscherfanden unter anderem heraus, dass diejenigen, die keine Rache geübthatten, mehr Wut empfanden als diejenigen, die sie ausgelebt haben.

Tatsächlich verbinden viele Menschen mit Rache nicht nur einebestimmte Hoffnung. «Sie kann unter Umständen wirklich befriedigendsein», sagt Gollwitzer. Warum? «Rache ist etwas sehr Funktionales.Damit kann man dem anderen zeigen: 'So kannst du mit mir nichtumgehen'.» Man mache klar: «Ich bin keine Person, auf der manherumtrampeln kann. Rache ist nur dann befriedigend, wenn dieseBotschaft bei dem anderen ankommt.»

Außerdem könne man so eine empfundene Ungerechtigkeit wiederausgleichen. «Rache bezieht sich fast immer auf das Gefühl vonUngerechtigkeit», so Gollwitzer. «Wer das Gefühl hat, von eineranderen Person unfair behandelt worden zu sein, möchte das rächen.»Das bestätigt eine Studie von Wissenschaftlern der Universität vonCalgary in Kanada: Bei einer Befragung von Susan Boon und ihrenKollegen gaben fast 47 Prozent «Gerechtigkeit» als eines der Motivefür Rache an.

Wer Rache übt, erreicht oft noch etwas anderes. Sie wirdeingesetzt, um in einer bestimmten Beziehung wieder ein Gleichgewichtherzustellen. Darauf weisen Stillwell und ihre Kollegen hin. Hatteman vorher noch das Gefühl, dem anderen unterlegen zu sein, kann manmit Rache möglicherweise beide Positionen aneinander angleichen.

Trotzdem ist Rache natürlich nicht immer die richtige Reaktion.«Oft schafft sie nur eine kurze Befriedigung, bringt auf Dauer abernicht viel», sagt Maria El-Safti-Jütte, Ehe-, Lebens-undFamilienberaterin bei der Erziehungs-und Familienberatungsstelle derCaritas in Berlin. «Schließlich ist Rache an sich etwas sehrSpaltendes.» Es sei zwar richtig, dass der andere signalisiertbekomme: 'Ich wehre mich'. «Insgeheim hoffen viele Menschen aber,dass der andere mit seinem verletzenden Verhalten aufhört.»

Gerade in Partnerschaften können Probleme selten mit Rache gelöstwerden. «Wenn zum Beispiel der Partner fremd geht und man sich sagt,'Das mache ich jetzt auch', kann man zwar vielleicht seinSelbstwertgefühl heben, schafft das eigentliche Problem aber nichtaus dem Weg.» Eine Verletzung könne nicht geheilt werden, indem manjemand anderen verletze.

«Das ist ein sehr unguter Kreislauf, der eher im Krieg und Kampfmiteinander endet, bei dem beide Seiten verlieren und bei dem dieLiebe auf der Strecke bleibt», sagt El-Safti-Jütte. «Je mehr man sichgegenseitig verletzt, desto schwerer wird es, auf den anderen wiederzuzugehen und eine Einigung zu finden.» Deshalb rät die Expertin:«Statt Rache zu üben, ist es auf Dauer besser, das Gespräch oder nachanderen Möglichkeiten zu suchen, um das zugrundeliegende Problem zulösen.»

Auch Gollwitzer betont den dysfunktionalen Charakter, den Rachehaben kann. «Sie kann Dinge verschlimmern», bestätigt er. Außerdemgebe es natürlich Formen von Rache, die nicht akzeptabel sind, imschlimmsten Fall Gewalttaten oder Mord. «Auch bei Rache gibt es eineGrenze. Man muss das richtige Maß finden.»

Rachegedanken sollte dennoch niemand versuchen zu unterdrücken,sagt der Diplom-Psychologe. «Das klappt oft nicht, sie kommen häufigimmer wieder.» Besser sei, sich zu überlegen, was man mit der Rachegenau erreichen will. Übertreibungen seien dabei nicht angebracht.«Verbreitet zum Beispiel ein Kollege Gerüchte, könnte man im Gegenzugauch Gerüchte verbreiten - über ihn.» Denn das sei der Grundgedankebei Rache: jemandem das heimzuzahlen, was er einem angetan habe.