Gartenzwerge Gartenzwerge: Denkmale für den Bergmann

Gräfenroda/Basel/dpa. - Sie sind meist nur wenige Dutzend Zentimeter groß, bestehen aus Terrakotta oder Plastik und lösen unterschiedliche Gefühle aus: Während manche Menschen Gartenzwerge so hassen, dass sie ihretwegen vor Gericht ziehen, sind die bärtigen Kerlchen für andere begehrte Sammelobjekte. Echte Fans suchen in Trödelläden oder im Internet nach seltenen Exemplaren. Und auch rund 130 Jahre nach der Erschaffung des ersten Gartenzwergs erscheinen noch immer regelmäßig neue Modelle - manche sogar handgefertigt und sorgfältig mit dem Pinsel bemalt.
Als Heimat der kleinen Gesellen gilt der Ort Gräfenroda in Thüringen. Dort stellt sie Reinhard Griebel, Urenkel des mutmaßlichen Gartenzwerg-Vaters Philipp Griebel, mit zwei Mitarbeitern weiter von Hand her und hat ihnen auch ein kleines Museum gewidmet. Dabei gibt es für Griebel nur einen wahren Werkstoff für echte, «beseelte» Zwerge: Terrakotta. «Plastik ist in Gräfenroda tabu.»
Wenn heute viele der Gartenmännchen eine Schubkarre vor sich her schieben oder eine Hacke in der Hand haben, verweist das auf ihre Ursprünge im ausgehenden 19. Jahrhundert. «Sie waren Nachbildungen der Bergmänner in der Region», erklärt Griebel. Diese waren in der Regel recht klein, was ihnen die Arbeit in den Flözen erleichterte. Daher lag es nicht ganz fern, ihnen ebenfalls kleine Denkmäler in Form von Zwergen aus Terrakotta zu setzen.
Weitere Vorbilder waren Zwergenstatuen in barocken Schlossgärten, so Fritz Friedmann aus Basel in der Schweiz. Er ist selbst ernannter Professor der Nanologie, jener Wissenschaft, die zwinkernden Auges, aber nicht ohne gewissen Ernst das Phänomen Gartenzwerg erforscht. Käufer der ersten Exemplare waren weder Bergmänner noch Adlige, sondern vor allem Großbürger. «Für Normalbürger waren sie nicht erschwinglich - die haben einen Monatslohn gekostet», weiß Etta Bengen aus Oldenburg, Autorin eines Buchs über Gartenzwerge.
Bei der breiten Masse populär wurden die Rotmützen, die trotz ihres Namens zunächst vor allem in Wohnstuben Platz fanden, nach dem Zweiten Weltkrieg. «Damals wurden sie schon maschinell hergestellt, und es kamen auch amerikanische Produkte dazu», sagt Bengen. Seit dieser Zeit ist den Gartenzwergen auch das Stigma der Spießigkeit in das Terrakotta gebrannt. «Die Menschen wollten damals nach den Verheerungen des Krieges etwas Heimeliges im Garten haben.»
Doch die heile Welt ist längst vorbei: Schon vor Jahren klagte ein Bewohner eines Mehrfamilienhauses in Hamburg gegen einen anderen Mieter, der in einem gemeinsam genutzten Vorgarten mehrere der Wichtel platziert hatte. Der Fall ging bis vor das Oberlandesgericht, das dem Kläger Recht gab. Gartenzwerge in einer Gemeinschaftsanlage beeinträchtigten deren optischen Gesamteindruck, heißt es in der Urteilsbegründung (Az.: 2 W 7/87).
Daraufhin schufen findige Produzenten nach Bengens Worten «Nachbars Opfer»: einen Gartenzwerg mit einem Messer im Rücken. Es folgten Exemplare, die einen erhobenen Mittelfinger oder gar den blanken Hintern präsentieren. Dass diese eindeutigen Gesten nur weiter zur Erhitzung der Gemüter beitrugen, liegt auf der Hand.
In einem aktuelleren Urteil errangen die Zwergen-Freunde einen Etappensieg: Das Landgericht Hildesheim entschied, wer sich über einen ehrverletzenden Wichtel in seinem Wohnumfeld ereifere, müsse sofort dessen Entfernung verlangen. Habe er ihn dagegen über einen gewissen Zeitraum geduldet, könne er dies auf gerichtlichem Weg nicht mehr erzwingen (Az.: 7 S 364/99).
Die Internationale Vereinigung zum Schutz der Gartenzwerge, der Friedmann vorsteht, sieht derlei ebenso gelassen wie die Konkurrenz für den «beseelten» Terrakotta-Zwerg durch billigere Produkte aus dem In- und Ausland. Auch Griebel aus Gräfenroda kämpft nicht verzweifelt gegen Massenprodukte an: «Denen können wir kein Paroli bieten, aber wir schließen eine individuelle Lücke.» Damit meint er speziell für bestimmte Auftraggeber angefertigte Serien. «Das beginnt bei kleinen Stückzahlen, aber ich schrecke auch vor 1000 oder 2000 nicht zurück.»
Bei der Kundschaft am gefragtesten sind nach Bengens Einschätzung nach wie vor die Klassiker: «Die Leute kaufen am liebsten angelnde oder Pfeife rauchende Gartenzwerge - die Gemütlichen.» Dennoch kommen ständig neue Variationen auf den Markt. «Im Monatsschnitt sind das bei uns vier bis fünf neue Modelle», berichtet Andreas Klein, Geschäftsführer des Herstellers 100%-Zwergen-Power aus Otterberg bei Kaiserslautern.
Die günstigsten Rotmützen sind bei dem Unternehmen für rund 10 Euro zu haben. «Unser größter Zwerg misst 113 Zentimeter und kostet 220 bis 240 Euro, den können Sie aber auch 20 Jahre lang draußen stehen lassen», sagt Klein. Weniger robuste Exemplare - zumindest die «beseelten» aus Terrakotta - sollten dagegen im Haus überwintern.
Dort kann ihnen auch nicht das Schicksal widerfahren, das manchen Gartenzwerg trifft: gestohlen zu werden. «Das ist nach wie vor ein großes Problem.» Immerhin sind Freunde der Wichtel in Deutschland nicht so schlimm dran wie in Frankreich. Denn in dem Nachbarland treibt nach Kleins Worten eine «Gartenzwerge-Befreiungsfront» ihr Unwesen und lässt die bärtigen Gesellen mitunter gleich reihenweise mitgehen: «Da gab es sogar schon Lösegeldübergaben.»