1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Garten: Garten: Bonsais sind mehr als Mini-Bäume

Garten Garten: Bonsais sind mehr als Mini-Bäume

19.02.2004, 14:22
Die Kleinen aus dem Fernen Osten - nach Europa kamen Bonsais erst Ende des 19. Jahrhunderts, als japanische Gärtner sie auf der Weltausstellung in Paris vorstellten. «Bonsai» bedeutet so viel wie «ein Baum im Topf». (Foto: dpa)
Die Kleinen aus dem Fernen Osten - nach Europa kamen Bonsais erst Ende des 19. Jahrhunderts, als japanische Gärtner sie auf der Weltausstellung in Paris vorstellten. «Bonsai» bedeutet so viel wie «ein Baum im Topf». (Foto: dpa) Marion Nickig

Heidelberg/dpa. - Ein Bonsai ist zwar winzig, aber trotzdem mehr als nur ein Baum. In China und Japan wird die Kultur der kleinen Topfpflanzen seit Hunderten von Jahren gepflegt. Die Kunst der Bonsaigestaltung basiert auf der asiatischen Lebensauffassung, nach der Mensch und Natur eine harmonische Einheit anstreben sollten. Dieser spirituelle Hintergrund dürfte den meisten Pflanzen-Liebhabern in Deutschland zwar fehlen. Trotzdem haben die Bäume und Sträucher im Zwergenformat eine treue Fangemeinde.

Nach Europa kamen Bonsais erst Ende des 19. Jahrhunderts, als japanische Gärtner sie auf der Weltausstellung in Paris vorstellten. Der Begriff «Bonsai» bedeutet frei übersetzt «ein Baum im Topf». Damit ist jedoch nur ein Hauptmerkmal genannt, denn eine Pflanze wird erst dann zum Bonsai, wenn ihr Pfleger sie gekonnt zurückschneidet und bearbeitet. Die chinesische Tradition liebt bis heute verspielte, fantasievolle Gestaltungen der Bäume. Diese müssen dem ursprünglichen Wachstum der entsprechenden Pflanze nicht unbedingt entsprechen.

In Japan ging die Bonsaikunst einen anderen Weg. Sie wurde im Laufe der Jahrhunderte, wohl auch unter Einfluss des Zen-Buddhismus, zu einer Art Naturverehrung: Der Mini-Baum soll seinen Artverwandten in der Natur so ähnlich wie möglich sehen. Das kann ein frei stehender Parkbaum sein, dessen Silhouette durch eine gleichmäßige Krone geprägt ist, oder eine alte Kiefer im Gebirge, die sich vom Wind gepeitscht, gedrungen und geduckt mit ihren Wurzeln in einer Felsspalte festklammert.

Derartige Bäume haben sich im Gedächtnis eines Naturbeobachters eingeprägt, und beim Betrachten eines guten Bonsaibaumes sollen sie ihm in den Sinn kommen. Die meist in kunstvolle Schalen gepflanzen Bäume sind selten größer als 70 Zentimeter. Die Beschäftigung mit der Bonsaikunst ist im Zen-Buddhismus eine Form der Meditation - und für Bonsaifreunde mindestens ein ästhetischer Genuss.

Seit etwa 30 Jahren sind die Mini-Bäume auch in Deutschland populär. Inzwischen werden sie sogar im Gartencenter oder im Baumarkt anboten. Da ihre Pflege und Gestaltung jedoch nicht ganz einfach sind, ist von manchem Bonsaibäumchen aus dem Großhandel nach vier Wochen auf der Fensterbank nur noch die Schale übrig.

«Ein einfacher Hinweis auf dem Etikett: "Immer feucht halten" ist für Bonsais falsch und führt wahrscheinlich zu Wurzelfäule», sagt Margit Lehr, Expertin vom Bonsai-Centrum in Heidelberg. Die kleinen Bäumchen bräuchten in aller Regel mehr Aufmerksamkeit als gewöhnliche Zimmerpflanzen. Daher sei gute Beratung beim Verkauf wichtig.

Zu den pflegeleichteren Sorten, die für Anfänger geeignet sind und sich auch im Wohnzimmer wohlfühlen, zählen der immergrüne Liguster, der Elefantenstrauch und die Steineibe. Für etwas kühlere Standorte in der Wohnung empfiehlt Lehr chinesische Ulmen, den Granatapfel oder die Barbados-Kirsche. «Die meisten Kunden gießen zu viel», sagt die Expertin. «Bevor man es an den Blättern sieht, sind die Wurzeln schon kaputt.» Gute Erfahrungen hat Lehr damit gemacht, Bonsais lediglich eine Minute lang mit der Schale in Wasser zu tauchen, statt sie von oben zu gießen.

Für Garten oder Balkon ist die Auswahl an geeigneten Bonsai-Bäumen größer: «Recht unkompliziert sind beispielsweise Hainbuchen sowie Apfel- und Kirschbäume», sagt Lehr. Im Sommer müssen die Blätter vor der Mittagssonne geschützt werden, sonst entstehen Brandflecken. «Grundsätzlich kann mit der richtigen Schnitttechnik und Pflege aus jedem Baum ein Bonsai werden.» Die manchmal angebotenen «Bonsai-Samen» seien daher Unsinn: «Von Vorteil ist allerdings, wenn eine Art von sich aus kleine Blätter hat, etwa eine Birke.»

Viele Bonsai-Liebhaber haben sich in Arbeitskreisen und Vereinen zusammengetan. Sie treffen sich regelmäßig, bringen ihre schönsten Bäumchen mit und fachsimpeln über Schnitte. Für Fortgeschrittene halten spezialisierte Baumschulen auf Feldern «Rohmaterial» bereit - Bäume, die über Jahre klein gehalten wurden, aber noch als Bonsai «ausgestaltet» werden müssen. Manchmal lohnt es sich auch, bei Waldspaziergängen die Augen nach geeigneten Bäumen offen zu halten. «Wenn man vorher den Förster fragt, ist es meistens kein Problem, ein Bäumchen auszugraben», sagt Lehr.

Im Fachhandel kostet ein bereits gut geschnittener Bonsai, der zwischen sechs und zehn Jahren alt ist, etwa 50 Euro. Für sehr alte und sehr schöne Bäume haben Liebhaber jedoch schon mehrere Tausend Euro auf den Tisch gelegt. Im Heidelberger Bonsai-Museum steht beispielsweise ein 800 Jahre alter kalifornischer Wacholder.

So alt wurden die Bonsaibäumchen eines japanischen Samurais - zumindest der Sage nach - nicht. Er opferte in einer bitterkalten Winternacht seine drei Lieblingspflanzen, um für den Besuch eines Shoguns zu heizen. Auf einem alten Holzschnitt ist zu sehen, wie der Samurai seinen Bonsais mit einem Haumesser an den Stamm geht - sein Gesicht wendet er dabei traurig zur Seite.