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Futter als Lockmittel: Wellensittiche mit viel Geduld zähmen

Von Nicole Jankowski 25.10.2007, 07:05

Berlin/Essen/dpa. - Es ist der größte Vertrauensbeweis, den der kleine Vogel geben kann: Wenn ein Wellensittich aus der Hand seines Besitzers frisst, hat er die Angst vor dem Raubtier Mensch verloren.

Doch bis der Vogel so zutraulich ist, können Tage, Wochen oder sogar Monate vergehen. Und Vogeleltern müssen bei der Zähmung einiges beachten. Es beginnt bereits bei der Anschaffung des Tieres - egal ob vom Züchter oder aus der Zoohandlung. «Kaufen Sie ein gesundes Tier», sagt die Buchautorin Hildegard Niemann aus Bretten bei Karlsruhe. Das sei meist ein Vogel, der ununterbrochen unterwegs ist und spielt, erklärt die Diplom-Biologin. Jungvögel ließen sich schneller zähmen als ältere Tiere. Sie eigneten sich daher besonders gut für Kinder, die allerdings älter als sieben Jahre sein sollten.

Im neuen Zuhause angekommen, braucht der Wellensittich erstmal Ruhe. «Am besten setzt man sich zunächst nur neben den Käfig und beobachtet das Tier», rät Gaby Schulemann-Maier, Betreiberin einer Wellensittich-Internetseite aus Essen. Kinder könnten ihre Hausaufgaben neben dem Vogel machen oder ihm vorlesen, ergänzt Hildegard Niemann. Dabei sollte der Vogel niemals direkt angeschaut werden - das empfindet das Tier als einen Raubtierblick. Auch lautes Türenknallen, grelle Farben oder hektische Bewegungen verschrecken den Wellensittich.

Eine Atmosphäre, in der sich der Vogel sicher fühlt, ist Voraussetzung dafür, dass er zahm wird. Darüber hinaus ist viel Geduld nötig. «Man kann den Vogel nicht einfach in eine Ecke stellen und warten, dass etwas passiert», sagt Claudia Kositzki vom Verein der Wellensittich-Freunde Deutschland aus Berlin. Damit ein Wellensittich zahm wird, müsse der Besitzer Zeit investieren. «Vogelbesitzer sollten nicht tagsüber zehn Stunden weg sein», sagt Niemann. Der Vogel verliere dann zwar seine Scheu, werde aber nie wirklich zahm.

«Grundsätzlich sind Wellensittiche morgens aufgedrehter und empfänglicher für Annäherungsversuche», erklärt Gaby Schulemann-Maier, die in ihrem Essener Vogelasyl 17 Wellensittiche pflegt. Im ersten Schritt könne der Besitzer dem Vogel im Käfig vorsichtig einen Leckerbissen reichen. «Sobald das Tier dabei nach hinten weggeht, sollte man sich allerdings zurückziehen und auf keinen Fall nachdrücken», rät Hildegard Niemann. Mit der Zeit lerne der Vogel, dass er von dem Menschen nichts zu befürchten hat.

Neben Hirse, die Wellensittiche jedoch schnell dick werden lässt, mögen die Vögel Apfelspalten oder frische Wildkräuter wie Vogelmire oder Bio-Basilikum. «Um herauszufinden, welches sein Lieblingsfutter ist, legt man dem Vogel etwas in seinen Käfig», erklärt Hildegard Niemanns Ehemann Rainer. Den Vogel per Futterentzug zu zähmen, halten alle Experten für falsch. «Wellensittiche müssen ständig Nahrung aufnehmen», sagt Katrin Umlauf von der Auffangstation des Deutschen Tierschutzbundes in Weidefeld bei Kappeln in Schleswig-Holstein.

Wenn der Vogel sich traut, das angereichte Futter zu fressen, sollte der Halter den Leckerbissen direkt auf die Hand legen, so dass der Vogel zum Fressen auf sie klettern muss. Dabei könne der Besitzer ein Kommando wie «Auf» verwenden, rät Hildegard Niemann. Dann werde der Vogel die Aktion später auch dann ausführen, wenn kein Leckerbissen auf der Hand liegt. Eine weitere Möglichkeit ist, die Hand vorsichtig vor den Wellensittich zu schieben: Er kann dann auf sie treten, wie auf eine Stange.

Hat der Wellensittich sich an seine Bezugsperson gewöhnt, wird er auch beim Freiflug früher oder später zu ihr kommen. «Machen Sie das Törchen auf, setzen Sie sich mit einem Buch hin und warten Sie», rät Hildegard Niemann. «Wellensittiche sind raffiniert und neugierig, früher oder später kommen sie von allein», fügt ihr Ehemann hinzu.

Dass Wellensittiche nur in Einzelhaltung zahm werden, ist den Experten zufolge ein weit verbreiteter Irrtum. Wellensittiche müssten als Schwarmtiere immer mindestens zu zweit gehalten werden. Es empfehle sich allerdings, erst einen Vogel zu kaufen, diesen zu zähmen und dann einen zweiten zu holen. «Dann zeigt sich der Nachahmungseffekt», erklärt Rainer Niemann. Was der mutigste Vogel vorführt, machten die anderen nach. Allerdings hätten alle Vögel unterschiedliche Charaktere - wie die Menschen auch.