Besser nicht verschenken Zinseszinseffekt: So wirkt der Turbo für den Vermögensaufbau
Der Zinseszins hilft beim Vermögensaufbau. Dennoch wird dieser mathematische Effekt gerne unterschätzt. Wer langfristig spart, sollte ihn nicht außer Acht lassen.
Frankfurt/München - Als das achte Weltwunder soll Albert Einstein den Zinseszins einst bezeichnet haben. Diesen mathematischen Effekt sollte eigentlich jeder aus der Schule kennen.
Trotzdem wissen viele nicht, wie er funktioniert. Das stellt Christine Laudenbach, Professorin für Haushaltsfinanzen am Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE immer wieder fest. „Seine Wirkung wird häufig unterschätzt. Es ist nicht zwingend notwendig, ihn selbst berechnen zu können, aber man sollte sich seiner Bedeutung bewusst sein“, findet sie. Denn in bestimmten Lebenssituationen, wie zum Beispiel bei der Geldanlage, spielt er eine wichtige Rolle.
Der Zinseszins hilft nämlich dabei, dass das Vermögen schneller wächst. „Letztendlich ist das der Unterschied zwischen Sparen, wo einfach nur Geld zurückgelegt wird, und investieren, wo sich das Geld vermehrt“, so Claudia Müller, Gründerin des Female Finance Forums. Das Problem: Für viele Menschen ist es schwierig, exponentielles Wachstum zu verstehen.
Ausbreitung eines Virus folgt ähnlichen Mechanismen
Dabei haben wir das Konzept während der Corona-Pandemie intensiv kennengelernt. Auch die Ausbreitung eines Virus unterliegt dem exponentiellen Wachstum, weil eine infizierte Person ihrerseits mehrere Neuinfektionen verursachen kann. Je mehr sich anstecken, desto schneller verbreitet es sich.
Ähnlich funktioniert es bei der Geldanlage. Durch den Zinseszinseffekt wächst das investierte Vermögen immer schneller. Das liegt daran, dass nicht nur das Anfangskapital verzinst wird, sondern auch immer die Zinsen mit, die mit dem Geld bereits erwirtschaftet wurden. So fällt der Zinsertrag jedes Mal ein wenig höher aus.
Was recht komplex klingt, ist eigentlich ziemlich einfach. Ein Beispiel: Wer auf einem Festgeldkonto mit drei Prozent Zinsen für ein Jahr 1.000 Euro anlegt, bekommt von der Bank nach zwölf Monaten 30 Euro Zinsertrag ausgezahlt. Nun kann sich der Anleger überlegen, ob er wieder den ursprünglichen Betrag von 1.000 Euro anlegt und nach einem Jahr erneut nur 30 Euro Zinsen erhält, oder ob die ausgezahlten Zinsen gleich mit angelegt werden sollen. Der Unterschied: Investiert er 1.030 Euro, steigt sein Zinsertrag auf 30,90 Euro. Im Jahr darauf könnte er dann schon 1.060,90 Euro anlegen und darauf die Zinsen einfahren.
Rechner veranschaulichen den Effekt
Was hier nach Kleckerbeträgen klingt, entfaltet seine Wirkung laut Müller besonders bei großen Beträgen und über einen langen Zeitraum. „Mit hohem Einkommen kann man den Effekt besser ausnutzen, da ein prozentuales Wachstum sich dann stärker bemerkbar macht.“ Wer also schon etwas auf dem Konto hat, dem fällt es leichter, das zu vermehren. Vor allem, wenn er dieses Geld für längere Zeit erübrigen kann.
Angenommen, unser Sparer legt bereits 10.000 Euro zu drei Prozent Zinsen an. Die Zinsen werden über zehn Jahre hinweg immer wieder reinvestiert. Nach Ablauf der Frist hätte er dann mit dem Zinseszinseffekt schon mehr als 13.439 Euro auf dem Konto. Ohne den Effekt, wenn er sich die Zinsen also Jahr für Jahr hätte auszahlen lassen, wären es 439 Euro weniger gewesen. Über einen längeren Zeitraum wird der Unterschied noch deutlicher. Nach 30 Jahren wären es dank Zinseszinseffekt 24.272 Euro, ohne nur 19.000 Euro. Wer also die Zinsen nicht wieder anlegt, hätte in diesem Beispiel auf mehr als 5.000 Euro Ertrag verzichtet.
Nicht jeder hat hohe Beträge zum Anlegen, relativ betrachtet wirkt der Zinseszinseffekt bei kleinen Summen aber natürlich genauso. „Gerade wenn das Geld knapp ist und jeder Euro zählt, ist es besonders wichtig, die Vorteile des Effekts zu nutzen“, sagt Laudenbach. Um die Wirkung für die eigene Geldanlage besser nachvollziehen zu können, kann man entsprechende Tools im Internet nutzen - zum Beispiel von zinsen-berechnen.de, biallo.de oder Finanzfluss.
Zeit ist beim Zinseszins ein wesentlicher Faktor
Den Zinseszins sollte jeder nutzen. „Junge Menschen profitieren besonders davon, weil sie viel Zeit haben, ihn wirken zu lassen“, sagt Müller. „Gerade bei der Altersvorsorge hilft das.“ Und doch können selbst 50-Jährige noch von dem Effekt profitieren. Denn auch die hätten bei der heutigen Lebenserwartung noch lange genug Zeit, um ihr Vermögen wachsen zu lassen.
Wer es bislang aufgeschoben hat, mit dem Sparen anzufangen, sollte auch mal mit den Rechnern herumspielen und herausfinden, welchen Unterschied es macht, wann man mit dem Sparen beginnt. Wer zum Beispiel 30 Jahre lang jeden Monat 150 Euro zurücklegt, hat bei einem Zins von drei Prozent am Ende mehr als 87.000 Euro. Dank des Zinseszinseffekts sind mehr als 33.000 Euro davon Erträge. Wer die Altersvorsorge aufschiebt und fünf Jahre später anfängt, kommt auf lediglich rund 66.700 Euro, wovon nur rund 21.700 Euro auf die Erträge entfallen. Damit ist der Zinseszins also das beste Argument, um früh mit der Altersvorsorge zu beginnen.
Rendite ist ein Zusammenspiel aus Zins und Kosten
Je höher die Zinsen sind, desto stärker wirkt natürlich der Zinseszinseffekt. Wer sein Geld langfristig anlegt, sollte deshalb unbedingt auch auf mögliche Kosten achten, die im Rahmen der Geldanlage anfallen können, gibt Laudenbach zu bedenken. „Man darf die Gebühren nicht unterschätzen. Das ist wie ein Abzug von den Zinsen.“ Wer zum Beispiel 1,5 Prozent an Gebühren pro Jahr bezahlt, hätte in unserem Beispiel statt drei nur eineinhalb Prozent Rendite.
Bei der kontinuierlichen Anlage von 150 Euro pro Monat blieben dann nach 30 Jahren statt mehr als 87.000 Euro nur rund 68.100 Euro übrig und mit rund 14.100 Euro nicht einmal die Hälfte des Ertrags. Nach 25 Jahren wären es statt 66.700 Euro nur 54.600 Euro und statt einem Ertrag von rund 21.700 Euro nur mehr rund 9.600 Euro.
Der Zinseszins bringt bei der Geldanlage also enorme Vorteile. „Der größte Fehler ist deshalb, nichts zu machen und das Geld unverzinst auf dem Konto liegen zu lassen“, mahnt Müller.
Doch eines kann auch das achte Weltwunder nicht verhindern: Dass normale Zinsanlagen wie auf dem Tages- oder Festgeldkonto oft nicht ausreichen, um die Inflation zu schlagen. Sie empfiehlt deshalb, auch in Aktien zu investieren, die eine Chance auf höhere Renditen bieten.