Arbeitsrecht Urlaubsanspruch: Verfallen die freien Tage bei langer Krankheit?

Halle (Saale) - Jede Woche gibt das Ratgeber-Team den MZ-Lesern die Gelegenheit, Fachleuten zu einem Thema Fragen zu stellen. Die interessantesten Fragen werden veröffentlicht. Zum Thema Arbeitsrecht haben Fachanwälte für Arbeitsrecht am Telefon Auskunft gegeben: Beate Kallweit, Jost Schulte und Johannes Menke aus Halle.
Bettina F., Dessau-Roßlau: Können Sie mir bitte sagen, wie es sich mit den Urlaubsansprüchen bei langanhaltender Krankheit verhält? Ich bin seit Juni 2016 krank. Bis November 2017 bin ich noch arbeitsbefreit, danach wieder arbeitsfähig. Habe ich noch Anspruch auf den Resturlaub von 20 Tagen aus 2016? Wie viele Urlaubstage stehen mir 2017 zu?
Laut Rechtsprechung verfallen gesetzliche Urlaubsansprüche bei langer Krankheit immer am 31. März des übernächsten Jahres, also nach 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres, wenn keine Genesung erfolgt. Danach würde der Ihnen gesetzlich zustehende Urlaub 20 Arbeitstage bei einer Fünf-Tage-Woche (24 Werktage bei einer Sechs-Tage-Woche, dies sind vier Wochen pro Jahr) betragen.
Für das Jahr 2016 und für das Jahr 2017 steht Ihnen daher der volle Urlaubsanspruch zu. Sie können und müssen an Ihrem ersten Arbeitstag im November Ihre Urlaubsansprüche aus 2016 und 2017 verlangen. Vorausgesetzt, Ihre Arbeitsfähigkeit ist wieder gegeben. Grundsätzlich muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr genommen werden.
Arbeitsunfähig und krank: Urlaub darf nicht gekürzt werden.
Klaus W., Salzlandkreis: Ich bin seit 2015 arbeitsunfähig erkrankt. Mein Urlaubsanspruch pro Jahr beträgt 26 Tage. Zum 31. August 2017 wurde mir gekündigt. Kann ich aus 2016 noch Urlaub geltend machen?
Sie können aus 2016 noch Ihren vollen Urlaubsanspruch von 26 Tagen erfolgreich geltend machen, da Sie durchgehend arbeitsunfähig erkrankt sind. Für 2017 steht Ihnen ebenfalls der Urlaubsanspruch von 26 Tagen zu. Da Sie 2017 in der zweiten Jahreshälfte aus dem Betrieb ausscheiden, haben Sie Anspruch auf Ihren vollen Jahresurlaub. Das besagt Paragraf 5 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG).
Frank J., Naumburg: Seit Mai 2016 bin ich krankgeschrieben und werde per 31. Oktober 2017 aus dem Betrieb ausscheiden. Laut Arbeitsvertrag habe ich im Jahr 36 Tage Urlaub. Der Betrieb will meinen Urlaubsanspruch auf insgesamt 42 Tage kürzen. Ist das zulässig?
Nach dem Gesetz ist kein Anlass gegeben, Ihren Urlaubsanspruch auf 42 Tage zu reduzieren. In Ihrem Arbeitsvertrag könnte jedoch wirksam eine besondere Verfallsregelung zum Ende des Kalenderjahres für die über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehenden Urlaubstage vereinbart worden sein. Ist in Ihrem Arbeitsvertrag eine solche Regelung nicht vorgesehen und auch ein Tarifvertrag mit einer diesbezüglichen Regelung nicht anwendbar, besteht für 2016 keine Kürzungsberechtigung.
Nur wenn auf das Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag mit einer Zwölftelungsregelung bei unterjährigem Ausscheiden zur Anwendung kommt, könnte sich der Urlaubsanspruch für das Jahr 2017 auf 10/12, das heißt auf 30 Tage reduzieren. Ist ein solcher Tarifvertrag nicht anwendbar, besteht auch für das Jahr 2017 keine Kürzungsmöglichkeit des vollen Urlaubsanspruches, da Sie in der zweiten Jahreshälfte ausscheiden. Dies ist in Paragraf 7 BUrlG geregelt.
Krankengeld: Nach 78 Wochen zahlt die Arbeitsagentur
Christine P., Wittenberg: Ich bin seit April 2016 und noch bis zum 6. November 2017 krankgeschrieben. Ich möchte den Job aus gesundheitlichen Gründen beenden. Mein Arbeitgeber will, dass ich mich arbeitslos melde. Was meinen Sie?
Richtig ist, dass die Agentur für Arbeit die Entgeltzahlung in Form von Arbeitslosengeld übernimmt, wenn Sie nach den maximal 78 Wochen Krankengeld-Zahlung von der Krankenkasse weiterhin krank sind. Das Arbeitsverhältnis bleibt weiterhin bestehen. Dieses sollten Sie auch in keinem Fall kündigen.
Vermeiden Sie außerdem, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. In beiden Fällen könnte bei der Zahlung von Arbeitslosengeld die Sperrfrist greifen, wenn der Arbeitsplatz ohne wichtigen Grund von dem Arbeitnehmer aufgegeben wurde. Sie könnten lediglich vorab mit der Arbeitsagentur klären, ob diese Ihre krankheitsbedingten Gründe als „wichtigen Grund“ zur Eigenkündigung anerkennen. Das Sperrzeitproblem besteht nicht, wenn der Arbeitgeber krankheitsbedingt kündigt. Erfahrungsgemäß scheuen viele Betriebe diesen Schritt jedoch, da im Rahmen einer Kündigungsschutzklage dagegen vorgegangen werden kann.
Karin S., Zeitz: Ich arbeite in einem Betrieb, bin aber von 2016 an bis Mai 2018 befristete EU-Rentnerin. Kann ich noch Urlaub geltend machen? Wie sieht es aus, wenn ich ab Mai 2018 wieder arbeiten sollte?
Eine befristete EU-Rente führt zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses, nicht aber zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Da Ihre EU-Rente bis Mai 2018 befristet ist, sind Sie ab diesem Zeitpunkt wieder arbeitsfähig und nehmen Ihre Arbeit auf. Vom ersten Tag Ihrer „Wiederarbeit“ an, können Sie sowohl für das Jahr 2017 als auch für das Jahr 2018 den vollen Urlaubsanspruch geltend machen und auch nehmen. Der Urlaub aus dem Jahr 2016 ist am 31. März 2018 verfallen.
Was genau bedeutet "gesetzliches Rentenalter"?
Bert S., Harzgerode: Mit welcher Frist darf mir der Arbeitgeber kündigen? Ich bin jetzt 25 Jahre im Betrieb.
Bei 25-jähriger Betriebszugehörigkeit beträgt die gesetzliche Kündigungsfrist durch den Arbeitgeber sieben Monate zum Monatsende, das besagt Paragraf 622 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Es sei denn, laut Tarif- oder Arbeitsvertrag ist eine längere Kündigungsfrist vereinbart.
Bärbel S., Wittenberg: In unserer Rahmenarbeitsvertragsrichtlinie steht, dass wir „bei Erreichen des gesetzlichen Rentenalters“ aus dem Betrieb ausscheiden. Ich möchte gern bis zu meiner Regelaltersrente (65 Jahre plus sechs Monate) arbeiten, könnte aber auch schon vorher in eine Rente ohne Abschlag gehen. Wann endet nun das Arbeitsverhältnis? Mit Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters (65 Jahre plus x Monate) oder bei einem vorzeitigen Rentenanspruch ohne Abschlag?
Im Arbeitsvertrag kann wirksam das Arbeitsvertragsende auf das gesetzliche Rentenalter oder wie bislang üblich schlicht auf das Erreichen des 65. Lebensjahres abgelegt werden. Seit der schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze auf das 67. Lebensjahr wird dies in den Arbeitsverträgen so umgedeutet.
Mit dieser Arbeitsvertragsformulierung ist es nach der Rechtsprechung nicht wirksam möglich, das Arbeitsverhältnis bereits bei Erreichen des Alters für eine abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte (Paragraf 236 b SGB VI) gegen den Willen des Arbeitnehmers zu beenden. Daher endet Ihr Arbeitsverhältnis erst nach Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters (65 Jahre plus x Monate).
Versetzung aus "billigem Ermessen" ist nicht zulässig
Michael T., Halle: Die Abteilung, in der ich in einem Betrieb in Halle arbeite, wird komplett aufgelöst. Die Betriebsleitung hat zugesagt, dass alle 16 Mitarbeiter am Standort untergebracht werden. Allerdings sollen jetzt vier Beschäftigte doch in eine andere Niederlassung versetzt werden. Das trifft auch mich. Ich bin damit nicht einverstanden, zumal ich eine fünf Monate alte Tochter habe. Ich arbeite seit zwei Jahren in der Firma mit mehreren hundert Beschäftigten. Was kann ich tun?
Sie haben die Möglichkeit, die Versetzung gerichtlich anzugreifen. Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass er die Auswahlentscheidung aus billigem Ermessen getroffen hat. Es muss geprüft werden, ob laut Arbeitsvertrag die Versetzung in einen außerhalb von Halle befindlichen Ort überhaupt möglich ist oder aber, ob hierfür eine Änderungskündigung erforderlich ist. Sie sollten rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Bernd K., Burgenlandkreis: Mir ist zum 31. Dezember 2017 gekündigt worden. Ich arbeite seit mehr als 20 Jahren im Betrieb und soll keine Abfindung bekommen. Bestünde dennoch eine Chance darauf? Der Betrieb hat mehr als zehn Beschäftigte.
Einen gesetzlichen Anspruch auf Abfindung gibt es nicht. Sie könnten gegen die Kündigung klagen, da das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet und ein Kündigungsgrund vom Arbeitgeber nachgewiesen werden muss.
Möglicherweise einigt man sich im Ergebnis einer Kündigungsschutzklage auf einen Vergleich, der eine Abfindung beinhaltet, wenn die Kündigung unberechtigt ist, weil kein betriebsbedingter oder krankheitsbedingter oder verhaltensbedingter Kündigungsgrund besteht. Allerdings muss die Kündigung innerhalb von drei Wochen ab Zugang vor dem Arbeitsgericht mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen werden. Nach Ablauf der Frist kann die Kündigung nicht mehr erfolgreich mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen werden.
Kornelia Noack und Dorothea Reinert notierten Fragen und Antworten.