Frisch gekürt Mogelpackung des Jahres: Chipsletten von Lorenz sind 70 Prozent teurer und machen noch mehr Müll

Hamburg - Seit mehreren Jahren verleiht die Verbraucherzentrale Hamburg den Schmähpreis „Mogelpackung des Jahres“. Dabei richten die Verbraucherschützer ihr Hauptaugenmerk auf Fälle, in denen ihrer Meinung nach durch „kreative“ Packungsgestaltung versteckte Preiserhöhungen durchgesetzt wurden.
Bei der Online-Umfrage nach der „Mogelpackung des Jahres“ haben die Verbraucher so eindeutig wie noch nie abgestimmt, so Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg.
Mit mehr als der Hälfte der abgegebenen Stimmen sind die Chipsletten von Lorenz die diesjährige „Mogelpackung“. Der Hersteller hatte bei den Chips die Füllmenge von 170 auf 100 Gramm gesenkt. Dadurch wurden die Chipsletten im vergangenen Jahr rund 70 Prozent teurer.
Vier weitere Produkte standen außerdem zur Wahl. Den zweiten Platz belegte die Truthahnsalami Light 1A von der Lidl-Marke Dulano. Sie hat weniger Inhalt als die reguläre Version und ist um die 33 Prozent teurer. Darauf folgen Mini Babybel von Bel, bei gleichem Preis wurde jedoch ein kleiner Käse aus dem Netz gestrichen, und Smarties von Nestlé. Hier schrumpft die sogenannte „Riesenrolle“ von 150 Gramm auf 130 Gramm bei gleichem Preis. Platz fünf macht das Rheinische Apfelkraut von Grafschafter. Das hat in diesem Jahr einen neuen Namen und eine neue Verpackung bekommen. Statt 450 Gramm sind nur noch 320 Gramm im Glas, der Preis ist aber der gleiche.
Mehr Beschwerden über Mogelpackungen als zuvor
Wie jedes Jahr hat die Verbraucherzentrale auch in 2018 wieder gut verschlossene Lebensmittel- und Spülmittelverpackungen mit einem Röntgengerät durchleuchtet. Das Ergebnis war ernüchternd: Die Packungen der Stichprobe - egal ob es sich um Grießbrei oder um Geschirrspültabs handelte - waren im Mittel nur zu 41 Prozent gefüllt. Einige Packungen enthielten sogar mehr als 80 Prozent Luft.
Ganz überraschend war das haarsträubende Ergebnis nicht, denn die Verbrauchzentrale hatte sich für ihre Stichproben 14 Produkte herausgepickt, über die sich Konsumenten bei ihr beschwert hatten. Doch richtig selten sind solche Mogelpackungen wohl auch nicht. Fast 2000 Beschwerden zu diesem Thema gingen im vergangenen Jahr bei den Verbraucherschützern ein. Das sei mehr als in den Jahren zuvor, sagte der Lebensmittelexperte der Verbraucherzentrale Armin Valet.
Mit diesen Tricks gaukeln Hersteller mehr Inhalt vor
Auch die Stiftung Warentest prangert regelmäßig auf ihrer Website Mogelpackungen an, die viel weniger Ware enthalten, als die Verpackung vorgaukelt. Dabei bedienen sich die Hersteller nach den Erfahrungen der Experten einer Vielzahl von Tricks: von Sichtfenstern in den Verpackungen, die knapp unter der Befüllungsgrenze enden, bis zu doppelten Böden und Tiegeln mit auffällig dicken Wandungen bei Kosmetika-Verpackungen.
Mogelpackungen fänden sich „quer durch den Supermarkt“, klagt Valet - vor allem aber bei Fertigprodukten und Süßigkeiten. Für die Verbraucherschützer sind die Mogelpackungen gleich aus zwei Gründen ein Ärgernis. Weil sie den Verbraucher beim Einkauf in die Irre führen, aber auch weil dadurch unnötig viel Müll produziert wird. Die Verbraucherzentrale plädiert deshalb dafür, dass jede Packung, wenn technisch möglich, „bis zum Rand oder zur Naht befüllt werden muss“.
Mogelpackungen verursachen auch mehr Verpackungsmüll
Sie spricht damit wohl auch vielen Konsumenten aus dem Herzen. Denn bei Verbrauchern stößt Verpackungsmüll auf zunehmenden Widerwillen. Bei einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Umfrage der Unternehmensberatung PwC plädierten rund 95 Prozent der Befragten dafür, die Materialmenge bei Verpackungen auf ein Minimum zu reduzieren. Sie sahen dabei vor allem die Hersteller der Produkte in der Pflicht.
„Die Verärgerung der Verbraucher über zu viel Verpackung hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen“, beobachtet auch der Leipziger Professor für Verpackungstechnologie und Nachhaltigkeit, Eugen Herzau. Gleichzeitig warnt der Experte aber auch vor voreiligen Verurteilungen. „Nicht alles ist eine Mogelverpackung, was auf den ersten Blick so wirkt.
Ende von Mogelpackungen ist nicht in Sicht
Wenn Kartoffelchips-Beutel aufgebläht sind, geht es nicht darum, mehr Inhalt vorzutäuschen, sondern den Inhalt besser vor Bruchschäden zu schützen“, erklärt er. Die Luft stelle ein Polster dar. Echte Mogelpackungen müssten aber an den Pranger gestellt werden, findet der Experte.
Ob die Verbraucherschützer es allerdings kurzfristig schaffen, Mogelpackungen den Garaus zu machen, darf bezweifelt werden. Der Trick funktioniert einfach trotz aller Aufklärung zu gut. „Wir kaufen auch mit dem Auge. Die größere Verpackung suggeriert mehr Inhalt, und damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir zugreifen. Das ist ganz stark in uns verankert“, erklärt der Marketingexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf. Vielleicht werde ja die höhere Preistransparenz durch den Onlinehandel zu einer allmählichen Besserung führen, hofft der Marketingexperte. Doch schränkt er ein: „Das kann noch zehn Jahre dauern.“ (dmn mit dpa)