1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Finanzen
  6. >
  7. Bundesverfassungsgericht: Bundesverfassungsgericht: Karlsruhe prüft Erbschaftssteuer

EIL

Bundesverfassungsgericht Bundesverfassungsgericht: Karlsruhe prüft Erbschaftssteuer

Von Markus Sievers 08.07.2014, 10:32
Die Erbschaftssteuer wird vom Bundesverfassungsgericht geprüft.
Die Erbschaftssteuer wird vom Bundesverfassungsgericht geprüft. dpa Lizenz

Berlin - Bei der Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht am Dienstag steht viel auf dem Spiel: Begünstigt der deutsche Staat Firmennachfolger über Gebühr bei der Erbschaftsteuer? Dies sieht der Bundesfinanzhof so. Schließt sich Karlsruhe an, droht schwerer Schaden für den deutschen Mittelstand, warnt die Wirtschaft.

Warum prüft das Bundesverfassungsgericht jetzt die Erbschaftsteuer?

Den Anstoß dazu gab der Bundesfinanzhof. Das oberste deutsche Steuergericht bemängelte eine „Überprivilegierung“ von Betriebserben. Es sieht einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil nur Erben von Firmen von der Abgabe freigesellt werden können. Firmennachfolger müssen weniger oder keine Erbschaftsteuer zahlen, wenn sie die Firma der Eltern weiterführen und die Arbeitsplätze über einen längeren Zeitraum im Wesentlichen erhalten

Wie sieht das Gesetz heute aus?

Wer eine Firma fünf Jahre lang weiterführt und die Lohnsumme wenn überhaupt nur mäßig reduziert, muss sich nur 15 Prozent seines betrieblichen Erbes anrechnen lassen. Wer sieben Jahre durchhält und die Lohnsummer gar nicht abbaut, bekommt die komplette  Steuerschuld erlassen. Diese Jobklausel greift nur bei größeren Unternehmen mit mehr als 20 Angestellten – bei kleineren gibt es die Vergünstigung auch ohne Gegenleistung.

Was beanstandet der Bundesfinanzhof konkret?

Aus Sicht der Richter in München reicht die Begründung Arbeitsplatzerhalt nicht aus, um solche Ausnahmen zu rechtfertigen. Es treffe nicht zu, dass die Erbschaftsteuer den Generationenwechsel im Mittelstand gefährde. Zudem begünstige das Gesetz die Betroffenen auch dann, wenn sie leistungsstark beziehungsweise vermögend genug seien, um sich die Erbschaftsteuer ohne Einschnitte für die Firma leisten  zu können.

Außerdem hätten mehr als 90 Prozent der Betriebe weniger als 20 Angestellte und bekämen daher den Erlass auch ohne Gegenleistung. Darüber hinaus lüden die Regeln zum Missbrauch ein. So werde privates Vermögen in den Betrieb hinübergeschoben,  um der Erbschaftsteuer zu entgehen.

Was sagt die Bundesregierung?

Kurz vor Beginn der Anhörung verteidigte Finanzstaatssekretär Michael Meister (CDU) das geltende Gesetzt. Das Vermögen von Betrieben sei größtenteils illiquide und werde dringend für Investitionen im laufenden Geschäft benötigt. Die Verschonung diene daher dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Zudem habe der Gesetzgeber die Missbrauchsmöglichkeiten bereits beseitigt. Forderungen, die Ausnahmen für Betriebe zu streichen und dafür den Tarif der Erbschaftsteuer für alle zu senken, wies Meister zurück. Die Koalition hat sich darauf verständigt, nur das zu ändern, was Karlsruhe verlangen sollte. Eine grundlegende Reform ist nicht geplant.

Was sagen die Betroffenen?

Bei einem Wegfall der Verschonung drohe der Verlust von Arbeitsplätzen. „Das ist kein Steuerschlupfloch, sondern für viele Unternehmensnachfolger die einzige Möglichkeit, um die existenzbedrohenden Nebenwirkungen im Erbfall abzumildern und den Betrieb zusammenzuhalten“, sagte der Präsident des Verbands „Die Familienunternehmer“, Lutz Goebel. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnt vor einem Ausverkauf der Familienunternehmen. „Die aktuellen Regelungen dienen der wirtschaftlichen und politischen Kontinuität in Deutschland und sind angesichts der regelmäßigen Überbewertungen zwingend erforderlich“,  sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber. Damit meint er, dass die Werte von Familienbetrieben zu hoch angesetzt würden – sie seien oft gar nicht oder zu diesen Preisen verkäuflich.

Was sagt das Bundesverfassungsgericht?

Das ist die spannende Frage. Möglicherweise lässt die Anhörung eine Tendenz erkennen. Dass der Bundesfinanzhof so starke Bedenken geltend macht, sorgt für viel Spannung bei dem Verfahren. Ein Urteil aber wird Karlsruhe erst später fällen.