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Autoritär oder nicht Autoritär oder nicht: Wie wird man eigentlich ein guter Chef?

Von Ingo Leipner 15.03.2016, 14:56
„Hierarchie schafft klare Rollen, Mitarbeiter erledigen die übertragenen Aufgaben, und die Führungskräfte sorgen für die Rahmenbedingungen.“
„Hierarchie schafft klare Rollen, Mitarbeiter erledigen die übertragenen Aufgaben, und die Führungskräfte sorgen für die Rahmenbedingungen.“ imago stock&people

Sterben sie aus? Oder werden sie immer noch gebraucht? Die großen Patriarchen der Wirtschaft, die mit Weitblick und harter Hand ihr Unternehmen führen. Oder wenigstens diesen Eindruck erwecken wollen – wie Donald Trump. Teil seines Gaukelspiels war das Brettspiel „Trump. The Game“, beworben mit dem Slogan: „I´am back and you are fired“. Ein amerikanisches “Monopoly”, das schnell wieder vom Markt verschwand. Daran konnte auch das Cover nichts ändern, das den Multi-Milliardär neben Wolkenkratzern aus Gold zeigte.

Doch Immobilien waren Trumps Weg zu den Milliarden, wobei er wohl nie in einer Spülküche geschuftet hat. Vom Tellerwäscher zum Millionär? Im NBC-Interview sagte er: „Es war nicht leicht für mich, mein Vater gab mir ein kleines Darlehen über eine Million Dollar.“ Viele Leute würde das für einen leichten Start halten, erwidert der Moderator. „Sie haben Recht“, sagt Trump, „aber eine Million Dollar ist kein großer Betrag, verglichen mit dem großartigen Unternehmen, das ich aufgebaut habe.“ Ein Tellerwäscher mit goldenem Löffel im Mund – so platzt die Legende vom „Self-made man“, der laut n-tv 2011 verkündete: „Ich habe viele Menschen und Firmen geschlagen, und ich habe viele Kriege gewonnen.“

„Trump pflegt ein Image als harter Hund, der ohne Hemmungen zubeißt“, erklärt Prof. Thomas Fischer. Seit 2011 ist er Lehrbeauftragter für Führungspsychologie an der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz Außerdem engagiert er sich im Netzwerk culture²business, um eine wertschätzende Unternehmenskultur zu fördern. Für Fischer ist klar: „Trump würde gerne zur aussterbenden Spezies der Patriarchen gehören, denen Mitarbeiter bedingungslos folgen.“

Autoritärer Führungsstil stirbt nicht aus

Diesen autoritären Führungsstil gibt es auch heute, denn eindeutige Strukturen geben Orientierung in komplexen Systemen. „Hierarchie schafft klare Rollen, Mitarbeiter erledigen die übertragenen Aufgaben, und die Führungskräfte sorgen für die Rahmenbedingungen“, sagt die systemische Beraterin Sabine Gilliar, ebenfalls bei culture²business engagiert. Das sei für viele Menschen ein akzeptables Modell der Arbeitsteilung.

„Dieses Modell passt aber mehr zu den Babyboomern“, sagt Fischer, „diese Generation ist von einem wechselseitigen Vertrauen zwischen Chef und Mitarbeitern geprägt.“ Der Phase des „Vertrauens“ folge eine Kultur des „Misstrauens“, wie sie sich in der Generation X ausgebreitet hat. Kontrolle rücke in den Vordergrund. Und die Generationen Y und Z? Für sie fordert der Psychologe eine „Kultur des Zutrauens“: „Führungskräfte sollten nicht nur als Vorgabe- und Kontrollinstanz agieren, sondern Menschen befähigen, ihre Aufgaben erfolgreich zu erfüllen.“ 

Bis zu diesem Ziel liegen aber viele Steine im Weg: „Führungskräfte sind fachlich prima ausgebildet“, sagt Fischer, „ihnen fehlt aber oft ein fundiertes Wissen über Menschen.“ Dessen „Psychodynamik“ müsse viel besser erfasst werden: „Es geht darum, das ‚innere Erleben‘ der Mitarbeiter zu verstehen, das sich im ‚äußeren Verhalten‘ ausdrückt.“ „Menschenwissen“ statt Fachwissen sei gefragt.

Eine moderne Führungskraft habe die „eigene Persönlichkeit stetig und systematisch weiterzuentwickeln“. Zu einem wirklichen Vorbild, das wiederum die Entwicklung der Mitarbeiter fördert. Früher wurden „Funktionen, Systeme, Organisationen und Prozesse“ in den Mittelpunkt gestellt. „In Zukunft ist es aber wichtig“, so Fischer, „dass sich menschliche Persönlichkeiten individuell entfalten.“ 

Diese Generation ist im Optimismus der Nachkriegszeit groß geworden. Viele Chefs der Gegenwart stammen aus dieser Generation, die sich in erster Linie an hierarchischen Systemen orientiert.

Sie erlebte den Wohlstand der 1970er Jahre – mit einem stärkeren Wunsch nach Selbstverwirklichung, als es in der Generation der Eltern üblich war („Generation Golf“).

Zu ihr gehören Menschen, die selbstverständlich mit digitalen Medien aufgewachsen sind. Sie werden auch als „Generation Why“ bezeichnet, da sie häufig gesellschaftliche Verhältnisse hinterfragen, um sich beruflich optimal positionieren zu können.

Die kurze Zuschreibung von Eigenschaften darf nicht täuschen, sie dient nur der Beschreibung grundlegender Trends. Aber so wird deutlich: Je nach Generation sollte ein Chef seinen Führungsstil variieren, da er vor sehr unterschiedlichen Herausforderungen steht.

Wenig Selbsterkenntnis bei Führungskräften

Erstaunlich: „Erkenne Dich selbst“ – dieser Spruch ist schon in Delphi zu lesen, am Tempel des Apollo. Auch der griechische Philosoph Heraklit stellte vor über 2000 Jahren fest:  „Allen Menschen ist zuteil, sich selbst zu erkennen und verständig zu denken.“ Doch gerade diese Form der Selbsterkenntnis vermisst Fischer, wenn er an viele Führungskräfte denkt. „Sie rennen immer gegen dieselben Wände, sammeln schmerzhafte Selbsterfahrungen, aber zur Selbsterkenntnis reicht es nicht.“ Da ist es häufig leichter, äußere Umstände oder angeblich unfähige Mitarbeiter verantwortlich zu machen – statt die dunklen Ecken der eigenen Seele aufzuräumen. 

Wer aber glaubwürdig Autorität ausstrahlen will, sollte den dornigen Weg der Selbsterkenntnis einschlagen. Besonders im Verhältnis zur Y- und Z-Generation, die Luftballons voll heißer Luft schnell platzen lassen. Formale Autorität statt authentischer Kompetenz? Schon hat das klassische Alpha-Tier verloren … Vielleicht wird auch Donald Trump auf diese Weise entzaubert. 

Der Blick ist nach innen zu richten – bei Führungskraft und Mitarbeiter: „Unterschiedliche Menschen reagieren auf vergleichbare Situationen sehr verschieden“, sagt Fischer, „aber dieselbe Person auf ähnliche Situationen immer wieder gleich.“ Wenn bestimmte „Persönlichkeitsfaktoren“ einer Führungskraft bewusst sind, kann sie sich leichter auf ihre Mitarbeiter einstellen. Vorausgesetzt, sie weiß genau, welche Wesenszüge und Verhaltensweisen sie selbst ausmachen.

Vier Charaktertypen mit unterschiedlichen Stärken

Um den Blick dafür zu schärfen, hat Fischer das EIAM-Modell entwickelt, das seine Wurzeln auch in der Antike hat, nämlich in der Temperamenten-Lehre. Doch der Psychologe hat das Verhalten von Sanguiniker und Co. modern interpretiert – und so steht EIAM für den Enthusiasten, Integrator, Analysten und Macher. Natürlich zeigt jeder Mensch Eigenschaften dieser vier Charaktertypen, je nach Situation und Rolle sticht aber ein Typus besonders hervor. 

Enthusiast: Er kann sich leicht für eine Sache begeistern und andere mitreißen. Der Enthusiast wirkt in der Regel optimistisch, kreativ und visionär. Sein Entwicklungspotenzial: Er sollte sich nicht immer von einer Idee stark hinreißen lassen, realistisch bleiben und bei Schwierigkeiten nicht gleich aufgeben. 

Integrator: Seine Rolle ist es, ein hohes Maß an Empathie zu zeigen. Dabei legt er viel Wert auf Harmonie und ist hilfsbereit, kooperativ und teamorientiert. Sein Entwicklungspotenzial: Er sollte lernen, auch seine eigene Meinung zum Ausdruck zu bringen. Wichtig wäre, sich selbst einmal helfen zu lassen – und sich bei Problemen nicht ins Schneckenhaus zurückzuziehen. 

Analyst: Er handelt sachlich und überlegt, wobei er gründlich und diszipliniert vorgeht. Entscheidungen werden erst getroffen, wenn alle Aspekte abgewogen sind. Entwicklungspotenzial: Der Analyst muss lernen, dass nicht alle Dinge im Leben exakt zu planen sind. Dazu gehört ebenfalls, die Unvollkommenheit anderer Menschen zu akzeptieren. Bei Schwierigkeiten sollte er vor lauter Details nicht das Ziel aus den Augen verlieren. 

Macher: Seine Stärke ist es, zielorientiert und energisch zu handeln. Dabei geht er geradlinig und rasch voran – und fordert viel von seinen Kollegen. Entwicklungspotenzial: Der Macher könnte mehr Geduld aufbringen und lernen, anderen Mitarbeitern besser zuzuhören. So kann er auch von Ideen profitieren, die andere entwickelt haben. Tauchen Probleme auf, sollte er nicht gleich drauflosschießen. 

Soweit ein erster Blick ins EIAM-Modell, das noch viel tiefere Einsichten über Menschen zulässt, zum Beispiel über ihre Stress-Resistenz oder die Fähigkeit, Konflikte auszutragen. Ob sich so Patriarchen alter Schule in die Karten schauen lassen? Eher unwahrscheinlich, sie sind aus einem anderen Holz geschnitzt. Etwa wie Hasso Plattner, der inzwischen 72 Jahre alt ist. Laut „Forbes“ kam er 2015 auf Platz 10 der reichsten Bürger Deutschlands – mit einem Vermögen von 9,1 Milliarden Dollar.

Er leitet immer noch den Aufsichtsrat von SAP, die er 1972 mitgegründet hat. Und: Plattner stößt eigene Projekte an, allerdings nur zu seinen Bedingungen, wie er in einem Interview der „WirtschaftsWoche“ sagt. Ein „Godfather“ sei er nicht: „Ich habe nur darum gebeten, hier will ich entscheiden, was gemacht wird, quasi als guter Diktator, sonst mache ich es nicht.“ 

Guter Diktator? Die Patriarchen sind lebendiger als je zuvor.