«Faszination Friese» - Hof züchtet seltene Pferderasse
Bunderhee/dpa. - Hengst «Tjade» lebt im Pferdehimmel auf Erden. Er ist der Star des Polderhofs in Bunderhee (Kreis Leer), eine der wenigen deutschen Zuchtstationen für die seltene Pferderasse der Friesen.
Momentan genießt Tjade den täglichen Luxus seines eigenen Verwöhnprogramms: Belinda Schneider (19) hat ihm die wilde Mähne, die fast zum Boden reicht, kunstvoll zu Zöpfen geflochten. Die angehende Pferdewirtin gönnt dem liebevoll auf Hochglanz gestriegelten Fell noch ein wenig Spray und fertig ist der frisierte Friese. Belinda führt Tjade aus dem Stall hinaus ins Sonnenlicht. Dort schimmert der geschniegelte Rappe in seiner ganzen Pracht.
Tjade stach die versammelte deutsche Konkurrenz im Alter von vier Jahren aus, als er 2002 die Hengstleistungsprüfung des Friesenpferde-Zuchtverbandes gewann. «Mit der Traumnote von 8,23», lobt sein Besitzer Helmuth Brümmer, Chef des ostfriesischen Polderhofes. Bis zur Note 10 reicht die Skala des Verbandes, der das Erscheinungsbild und die Bewegungen der Pferde in Schritt, Trab und Galopp bewertet. Seither kommen Friesenstuten aus ganz Deutschland zu Tjade in den Stall - und das Herausputzen ist für den Deckhengst obligatorisch.
Wenn Brümmers Frau Gesa die «Faszination Friese» erklärt, schwärmt sie von «unglaublich menschenbezogenen, neugierigen und zutraulichen» Tieren. Dabei wäre die aus dem holländischen Friesland stammende Rasse vor rund 100 Jahren beinahe ausgestorben. «1890 gab es nur noch eine Hand voll Pferde weltweit. Züchter in Holland sicherten den Bestand in jahrzehntelanger Arbeit», erklärt Klaus Vössing, Präsident des Friesenpferde-Zuchtverbandes im hessischen Burg. 600 Züchter zähle sein Verband. Den Bestand an deutschen Friesen schätzt Vössing auf 4000. Das macht sie zu Exoten, weil es nach Angaben der Deutschen Reiterlichen Vereinigung bundesweit eine Million Pferde gibt.
«Früher waren die Friesen Kutsch- und Arbeitstiere», berichtet Helmuth Brümmer. Als Traktoren und Autos kamen, seien sie überflüssig geworden. Für die Sportarten Rennen und Springen sei die Rasse wenig attraktiv, weil ihr die Statur dafür fehle. Und in der «hohen Schule» der Dressur rümpften nicht wenige Punktrichter ihre Nase über das Gangvermögen der Friesen. Etwa bei ihrer «hohen Knieaktion». Und sowieso: «Die Friesen fußen nun einmal anders auf», meint Brümmer.
Umso erstaunlicher, dass es doch einen Friesen im internationalen Reitsport gibt: Karen Schnoor ist die amtierende Deutsche Meisterin der Dressurreiter mit Handicap und reitet auf dem vom Polderhof stammenden Friesen-Wallach «Enova's Merlin». Die 30-Jährige aus Wahlstorf in Holstein trainiert derzeit mit dem Bundeskader für die diesjährigen Paralympics in Hongkong. «Ich habe mich auf Merlin gesetzt und wusste 'den behalte ich'», lobt sie den Friesen. Auf dem Exoten müsse sie bei Turnieren oft Überzeugungsarbeit leisten. «Von einigen Punktrichtern habe ich schon Sprüche gehört wie 'Was wollen Sie denn mit einem Friesen? Das hier ist nur für richtige Pferde'.»
Hürden dieser Art können die Faszination der Familie Brümmer für die Exoten nicht stoppen. Dabei sei der Markt für Friesen so klein, dass die Deckstation Polderhof Hobby bleiben müsse. Lohn gebe es in anderer Form: Etwa, als Deckhengst Tjade 2007 bei der «Equitana», der Weltmesse des Pferdesports, vor mehr als 5000 Zuschauern auftrat.
Und vielleicht sichert sich Karen Schnoor bei den Paralympischen Spielen dieses Jahr einen guten Platz. Nicht nur für sie wäre das ein Erfolg - auch für die einst fast ausgestorbene Rasse der Friesen.
Der Polderhof: www.derpolderhof.de
Friesen-Wallach «Enova's Merlin»: www.enovas-merlin.de
Friesenpferde-Zuchtverband e. V.: www.friesenpferde-zuchtverband.de