Uniklinikum Halle „Wir sind ein eingespieltes Team“: Wie ein Arztehepaar Frauen bei Geburten und Krebserkrankungen hilft
Es ist eine nicht ganz alltägliche Konstellation: Stephanie und Markus Wallwiener stehen als Ehepaar an der Spitze von Geburtshilfe und Gynäkologie am Uniklinikum Halle. Wie sich ihre Zusammenarbeit gestaltet – und was sie für ihre Patientinnen tun wollen.
Halle/MZ. - Fragt man Stephanie und Markus Wallwiener danach, wie es so ist, als Arztehepaar an der Spitze von zwei fachlich verwandten Bereichen in einem Krankenhaus zu stehen und somit auch viel zusammen zu arbeiten und zu forschen, dann müssen beide erst einmal schmunzeln. „Das sind wir schon lange so gewohnt“, sagt die Medizinerin, die wie ihr Mann nach längerem Wirken in Heidelberg im vorigen Jahr zur Universitätsmedizin nach Halle gewechselt ist.
Ihre gesamte Karriere, von der Assistenzarztstelle bis zur Klinikleitung, absolvieren beide bereits zusammen. „Wir sind ein sehr eingespieltes Team, wir ergänzen uns sehr gut“, sagt die Kommissarische Leiterin der Universitätsklinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin. „Jeder von uns hat seine eigene Expertise und bringt sie mit ein“, fügt ihr Mann hinzu, der den Posten als Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Gynäkologie übernommen hat.
Die psychische Belastung in der Schwangerschaft ist ein Problem.
Prof. Dr. Stephanie Wallwiener, Kommissarische Leiterin der Universitätsklinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin
Denn natürlich sei jeder Bereich unterschiedlich und erfordere eine hohe Spezialisierung, aber es gebe eben auch einige Schnittmengen, betonen beide. Etwa, wenn sich für die Geburt Schwierigkeiten abzeichnen und sie vorab gemeinsam planen, was zu tun ist. Zudem eint sie ein gemeinsames Ziel: die Versorgungssicherheit und die Behandlung von Patientinnen zu verbessern – und dabei möglichst individuell zugeschnittene Therapien anzubieten.
Zwei Karrieren parallel sind heutzutage möglich
Die Zeiten, in denen in einem Paar nur eine Person in der Medizin Karriere machen konnte, seien ohnehin vorbei, sagen die Wallwieners. Gerade die Unimedizin Halle sei in diesem Punkt sehr fortschrittlich. Das war einer der Gründe für ihren Wechsel aus leitenden Positionen vom Uniklinikum am Neckar an das an der Saale. Und natürlich die Aussicht, hier das bereits vorhandene Potenzial zu nutzen und ihre Kliniken noch weiter voranzubringen. Immer gestützt durch intensive Forschung.
Jeder von uns hat seine eigene Expertise und bringt sie mit ein.
Prof. Dr. Markus Wallwiener, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Gynäkologie
„Wir wollen das Beste für Mutter und Kind rund um die Geburt erreichen“, fasst Stephanie Wallwiener, die nach Vater und Großmutter bereits die dritte Geburtshelfergeneration in ihrer Familie darstellt, den Fokus in ihrer Klinik zusammen. Das Spektrum reicht dabei von der Pränataldiagnostik, also dem Erkennen und möglichen Behandeln von Auffälligkeiten wie Herzfehlern, Fehlbildungen und Erbguterkrankungen, über die Therapie von Schwangerschaftsvergiftungen bis hin zum Umgang mit Komplikationen im direkten Umfeld der Geburt.
Doch es geht nicht nur um die körperliche Komponente: „Die psychische Belastung während eine Schwangerschaft ist oft ein Problem, das Thema wird allerdings häufig stigmatisiert“, sagt die erfahrene Ärztin. Gerade erst hat sie die Ergebnisse einer von ihr geleiteten Forschungsstudie zur mentalen Gesundheit werdender Mütter präsentiert, an der auch ihr Mann mitgearbeitet hat.
App verbessert mentale Gesundheit von Schwangeren
Demnach kann die Nutzung einer speziellen App, die eigens für diese Forschungsarbeit entwickelt wurde, die mentale Gesundheit von Schwangeren deutlich verbessern und auch das Auftreten von Depressionen nach der Geburt verringern. „Die App kombiniert klassische Achtsamkeitsübungen mit geburtshilflichen und psychotherapeutischen Ansätzen.“ Dabei werden auch medizinische Infos vermittelt – und zwar nicht als allgemeingültige Aussagen wie bei „Dr. Google“, wie die Professorin sagt, „sondern ganz individuell auf die Patientinnen zugeschnitten.“
Auch bei onkologischen Erkrankungen wie Brustkrebs seien Angst und Depressionen ein großes Thema, sagt Markus Wallwiener. Hier benötige man ebenfalls mehr individualisierte, möglichst hybrid-digitale Angebote für Patientinnen. „Sie haben ein halbes Jahr lang die Behandlung in der Klinik mit Operation, Bestrahlung, Chemotherapie. Aber dann ist die Patientin wieder im Alltag – und muss ein, zwei, drei Jahre noch weiter mitbetreut werden.“
Auch ambulante Angebote würden in Zukunft eine noch größere Rolle spielen, so der Professor. „Das macht die Arbeit in Halle so spannend, hier ist man sehr offen, hier wird schon viel vorausgedacht.“ Alles vor dem Hintergrund einer möglichst ganzheitlichen Betreuung. „Wir begleiten hier die Frauen vom Kinderwunsch über die konkrete Familienplanung bis ins hohe Alter.“ Auch dann, wenn eine schwere Erkrankung auftritt.
Rekonstruktion und gezielte Therapie bei Brustkrebs
„Da brauchen sie eine Hochleistungsmedizin mit Wohlfühlfaktor und Personalisierung – das ist die Vision“, sagt Markus Wallwiener. Mit modernster robotergesteuerter OP-Technologie und minimalinvasiven Verfahren, aber auch mit verständlichen Erklärungen und optimal abgestimmtem Behandlungskonzept. Beispiel Brustkrebs, der fast jede zehnte Frau trifft: Hier könne man einerseits schon präventiv agieren und die Brustdrüsen entfernen, wenn ein bestimmtes Risiko-Gen vorhanden sei. „Danach können wir die Brust wieder rekonstruierten, mit einem sehr guten kosmetischen Ergebnis.“
Andererseits könne man bei einem bestehenden Tumor die Behandlung exakt anpassen: „Wir machen heute im Gegensatz zu früher eine Chemotherapie immer vor einer OP, mit dem Ziel den Tumor zu verkleinern.“ Dank dieser Reihenfolge könne man sehen, ob eine Behandlung tatsächlich wirke, und sie bei Bedarf modifizieren. „Generell ist die positive Nachricht: Brustkrebs wird heute oft frühzeitig entdeckt, die Prognose ist gut.“
Bei anderen Tumoren wie Eierstockkrebs sei das leider oft noch nicht der Fall. Genauso bleibe eine Endometriose, eine Ansiedlung von Gebärmuttergewebe in anderen Bereichen wie der Bauchhöhle, im Schnitt zehn Jahre lang unentdeckt – und bereite Frauen oft starke, chronische Schmerzen, ergänzt Stephanie Wallwiener. Hier, wie zu vielen anderen Themen, sieht das Ehepaar noch etliche interessante Ansatzpunkte für Klinik und Forschung im Bereich Geburtshilfe und Gynäkologie: „Das ganze Fach ist so spannend“, sagt Markus Wallwiener. „Das reicht eigentlich für zwei Leben.“
Mehr als 1.200 Geburten pro Jahr am Universitätsklinikum Halle
Von den 1.205 Geburten im Universitätsklinikum im Jahr 2022 entfielen über 100 auf den Hebammenkreißsaal. Bei entsprechenden medizinischen Voraussetzungen ist dort kein Arztkontakt nötig. „Die natürliche Geburt seht im Vordergrund“, erklärt Stephanie Wallwiener. Die Inanspruchnahme sei sehr gut, „das ist ein besonders Merkmal“.
Gleichzeitig könne man unter dem Dach des Universitätsklinikums aber auch andere Optionen anbieten, im Kreißsaal unter ärztlicher Betreuung. Und natürlich auch schnelle Versorgungsmöglichkeiten, sollte bei der Geburt ein akutes medizinisches Problem auftreten. „Wir sind sehr gut aufgestellt, um allen Patientinnen ein Angebot machen zu können“, lautet die Einschätzung der aus Heidelberg gewechselten Medizinerin. Das entspreche dem Anspruch, Hochleistungsmedizin mit einer stärkeren Personalisierung vorzuhalten.
Die Behandlungszahlen im Brustzentrum sowie dem gynäkologischen Krebszentrum der Universitätsmedizin beliefen sich im Jahr 2023 auf fast 500 Patientinnen, die stationär und ambulant versorgt wurden. mm