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#WineMom Gefährlicher Freund: Wenn Mütter ihren Stress im Alkohol ertränken 

Im Dry January entscheiden sich viele Menschen, einen Monat lang keinen Alkohol zu trinken. Eine Gruppe von Müttern macht da nicht mit: Die Winemoms zeigen in den sozialen Netzwerken, wie cool ihr Glas Wein ist. Aber: Hilft Alkohol gestressten Müttern?

Von Lena Högemann Aktualisiert: 20.01.2025, 18:12
Bei sogenannten Winemoms wird das Glas Wein zur Pause und Erholung und letztendlich als „Self-Care“ inszeniert.
Bei sogenannten Winemoms wird das Glas Wein zur Pause und Erholung und letztendlich als „Self-Care“ inszeniert. (Foto: IMAGO/Depositphotos)

Jeden Tag ist es das gleiche: Das Kind braucht etwas zu essen, muss zur Kita gebracht und wieder abgeholt werden, vorher die Frühstücksbox packen, die Freizeit organisieren und abends steht die Einschlafbegleitung an. Und es gibt diesen Berg von Dingen, die organisiert werden müssen, auch Mental Load genannt. Mutter sein ist anstrengend.

Natürlich können auch Väter das alles übernehmen und viele tun es auch, aber die so genannte Care-Arbeit ist noch immer sehr ungleich verteilt in Deutschland. Frauen wenden durchschnittlich 44 Prozent mehr Zeit für diese unbezahlte Sorge-Arbeit aus, das sind 79 Minuten mehr jeden Tag. Diese Lücke - auch Gender-Care-Gap genannt- hat das Bundesfamilienministerium berechnet.

Es ist also durchaus nachvollziehbar, wenn Mütter öffentlich zeigen, dass sie erschöpft sind und es oft einfach zu viel ist. So wie diese Mutter im sozialen Netzwerk Instagram: Eine Frau im Kapuzenpulli und Leopardenleggins kriecht über den Fußboden ihrer Küche, sie atmet schwer.

Der Text in dem Instagram-Reel verrät uns: Diese Frau hat gerade Abendessen gemacht, die Kinder gebadet und zwei Stunden Einschlafbegleitung hinter sich. Dann zieht sich die Frau in dem Video an der Theke in der Küche hoch, wo eine Rotweinflasche und ein Glas stehen. Feierabend hat sie jetzt, verrät sie uns.

Und, dass sie sich jeden Tag ab 17 Uhr genau nach diesem Moment sehnt. Viele Mommy-Blogerinnen wie sie posten Inhalte, in denen ihr anstrengender Alltag als Mutter mit Alkohol erträglicher wird. Einige von ihnen nennen sich Winemoms.

Die Autorin Natalie Stüben, die Online-Kurse für ein Leben ohne Alkohol anbietet, schreibt in ihrem neuen Buch Frauen und Alkohol über Winemoms: "Das Glas Wein mutiert zu einem Statussymbol." Sie beschreibt, wie Mütter versuchen, den letzten Rest ihres alten Ichs in das Leben als Mutter zu integrieren. Bei Winemoms werde das Glas Wien zur "Me-Time", zur Pause und Erholung und letztendlich als "Self-Care" inszeniert, also eigentlich als etwas, das Müttern guttun.

Der Schlaf leidet

Das Problem an der Sache: Durch den Alkohol wird das Leben als Mutter gar nicht leichter. Wenn wir Alkohol getrunken haben, schlafen wir schlechter. Wir schlafen zwar schneller ein, aber der Alkohol stört die Schlafphasen, weswegen wir weniger erholt sind.

Die Autorin Susanne Mierau beschreibt in ihrem Buch "Das Schlafbuch für die ganze Familie" einen regelrechten Negativkreislauf durch den abendlichen Alkoholkonsum. „Der Alltag mit Kind wird noch anstrengender wahrgenommen, um sich abends wieder ein Glas Wein oder Bier zu gönnen, um jetzt wirklich mal zu entspannen“, schreibt Mierau.

Nathalie Stüben und Falk Kiefer: „Frauen und Alkohol“, 22 Euro, erschienen am 25. Dezember 2024 im Kailash-Verlag.
Nathalie Stüben und Falk Kiefer: „Frauen und Alkohol“, 22 Euro, erschienen am 25. Dezember 2024 im Kailash-Verlag.
(Foto: Verlag)

Zur Wahrheit gehört auch, dass Alkohol sehr ungesund ist. Durch Alkoholkonsum können über 200 Krankheiten entstehen, darunter verschiedene Krebsarten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes. Für Frauen steigt das Risiko für Brustkrebs, wenn sie regelmäßig Alkohol trinken.

Elternschaft erträglich trinken?

Die Pädagogin Nicola Hengels-Stitou, der bei Instagram auf ihrem Kanal „inliebebegleiten“ 254.000 Menschen folgen, hat sich online gehen den Kult der Winemoms ausgesprochen. Sie sagt, es gehe ihr nicht darum, dass Eltern keinen Alkohol trinken sollten. „Aber, dass da suggeriert wird, dass es normal sei, sich die Elternschaft erträglich zu saufen, das kritisiere ich“, sagt die Influencerin.

Lesen Sie auch: "18 Jahre keinen Alkohol": Wie stark sollten Eltern ihr Leben für ein Kind umstellen?

Autorin Natalie Stüben, die selbst nüchtern lebt, kritisiert die Bewältigungsstrategie der Winemoms. "Betrink dich lieber, als dich zu beschweren", fasst sie es in ihrem Buch Alkohol und Frauen zusammen. Sie zitiert außerdem eine Studie, die nachgewiesen hat, dass die Fähigkeit, die Bedürfnisse des Kindes zu erkennen schon bei moderatem Alkoholkonsum sinkt. Trotzdem seien Eltern eine schwer zu erreichende Zielgruppe für Hilfsangebote. Stüben empfiehlt daher die App Elma für suchtkranke Eltern.

Aber was bedeutet eigentlich, alkoholabhängig zu sein? Viele Menschen denken bei dieser Frage an den alkoholkranken Obdachlosen, deren Hände zittern, wenn er nicht trinkt.

Was viele Menschen nicht wissen: Es gibt auch eine psychische Abhängigkeit von Alkohol. Autorin Nathalie Stüben erklärt im Interview, dass diese psychische Abhängigkeit vor allem an sogenannten Cravings und an Kontrollverlusten zu erkennen sei. "Cravings sind Momente, in denen Sie einen inneren Druck verspüren zu trinken, einen großen Wunsch, der andere Dinge verdrängt und weniger wichtig erscheinen lässt", erklärt Stüben.

Kontrollverlust beim Alkoholtrinken könne auch bedeuten, eine Zeit lang nichts zu trinken. "Aber sobald Sie trinken, ist es, als würde sich ein Schalter umlegen. Dann finden Sie einfach kein Ende“, beschreibt Stüben. Sie selbst hat es genau so erlebt, bevor sie sich für ein Leben ohne Alkohol entschied.

#Winemoms als Verkaufsmasche

Im Endeffekt scheinen die Winemoms auch eine Verkaufsmasche zu sein. Es gibt eine Analyse von Forscherinnen, die Social Media-Seiten in den USA, Kanada und Australien betrachtet haben. Sie weisen darauf hin, dass dort gezielt Müttern das Gefühl gegeben wird, dass Alkohol eine Lösung ihrer Probleme sei. Das sei vor allem deshalb fatal, weil schon während der Coronapandemie der Alkoholkonsum von Müttern stark angestiegen sei, erkläre die Forscherinnen. Wir erinnern uns: Home-Office, Home-Schooling, keine sozialen Kontakte und Unterstützungsangebote.

Die vermeintlich witzigen Inhalte bringen Mommy-Influencerinnen eine große Reichweite, mit der sie ihr Geld verdienen. Und ganze Firmen springen auf den Trend auf, wie dieses Video zeigt: Wir sehen den Körper eine Frau in einem schicken Jeans-Jumpsuit, sie schenkt sich ein großes Glas Rotwein ein. Darüber steht: „They say it takes a village… We say it takes a vineyard.“ Auf Deutsch: Sie sagen, es bräuchte ein Dorf – zum Kindergroßziehen ist damit gemeint. Was brauchen Mütter, um ihre Kinder zu erziehen? Um gut durch den Tag zu kommen mit all den Anforderungen der Elternschaft? Diese Weinfirma meint, es bräuchte einen Weinberg dafür.

Dabei brauchen Mütter eigentlich etwas anderes: Gleich verteilte Care-Arbeit, bessere und mehr Kita-Plätze, kostenfreie Nachmittagsbetreuung auch für Schulkinder, freie Entscheidung darüber, wie viel wir Sorgearbeiten und wie viel sie Erwerbsarbeiten wollen. Am besten gleich noch kostenlose Thermentage, Babysitter und endlich mehr Schlaf dazu. Und eben keinen Weinberg und kein Glas Wein.