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Kinder und Smartphones Digitaltrainer im Interview: Was Eltern tun können, um ihre Kinder am Handy zu begleiten und vor Gefahren zu schützen

Das Handy ist ein kleiner Computer, mit dem Kinder sehr vieles entdecken, das gar nicht für sie gedacht ist. Welche Gefahren das birgt und was Eltern wissen müssen, erklärt Digitaltrainer Daniel Wolff.

Von Lena Högemann 27.01.2025, 14:53
Das Handy ist ein kleiner Computer, mit dem Kinder sehr vieles entdecken können, das gar nicht für sie gedacht ist.
Das Handy ist ein kleiner Computer, mit dem Kinder sehr vieles entdecken können, das gar nicht für sie gedacht ist. Foto: DPA

Ein Handy ist für viele Eltern ein Segen. Egal, ob auf einer langen Autofahrt oder am Nachmittag, wenn noch ein Videocall ansteht und sich das Kind allein beschäftigen muss, das Smartphone hilft. Aber: Das Handy ist ein kleiner Computer, mit dem Kinder sehr vieles entdecken, das gar nicht für sie gedacht ist. Daniel Wolff arbeitet als Digitaltrainer an Schulen. Im Interview berichtet er was Eltern tun können, um ihre Kinder zu schützen und am Handy zu begleiten.

Sie beschreiben in Ihrem Buch, dass sehr viele Eltern keinen Plan davon haben, was ihre Kinder auf dem Handy schauen. Warum ist das so?
Weil sie als Kinder selbst keine Smartphones hatten, fehlt ihnen ganz einfach die eigene Erfahrung. Sie haben das Internet nie aus der Perspektive der Kinder erlebt.

Stattdessen sind digitale Medien für viele Eltern vor allem erst einmal sehr praktisch: Kinder sitzen dann meist in ihrem Zimmer, trinken keinen Alkohol und rauchen nicht – Erziehungsauftrag erfüllt! Vor allem aber sind sie still – dann können die Eltern sich ausruhen oder selbst in Ruhe in digitale Welten abtauchen.

In den Workshops berichten viele Kinder davon, dass ihre Eltern auch selbst „immer“ auf ihr Handy schauen. Jeder kennt die Szene im Restaurant, wo das Kleinkind vorm Smartphone oder Tablet geparkt wird, damit die Eltern in Ruhe essen können. Es gibt aber Familien, da läuft das auch zu Hause jeden Tag so!

Wohin das führen kann, zeigt diese Geschichte: Ein Kind im Workshop hat mir letzte Woche von seinem zweijährigen Geschwisterkind erzählt, das täglich zu Hause mehrere Stunden YouTube gucken darf. Eines Abends fing es dann plötzlich laut an zu schreien und zu weinen, weil es zwischen zwei YouTube-Clips eine Horrorfilm-Werbung gesehen hatte. Man glaubt es kaum, aber so etwas ist in manchen Familien leider bittere Realität.

Vielen ist nicht bewusst, dass Inhalte leicht zugänglich sind.

Daniel Wolff, Digitaltrainer

Sie berichten von ganz schlimmen Beispielen, was Kinder auf ihren Handys schauen: Horror, Pornos, Gewalt. Wie geht das?

Vielen Eltern ist nicht bewusst, dass all diese Inhalte kinderleicht zugänglich sind – und Kinder sich das auch tatsächlich ansehen, ganz einfach weil alle Kinder neugierig sind.

Manchmal bekomme ich es in meiner Arbeit mit einer Medienverwahrlosung zu tun, die so groß ist, dass viele Eltern sich es gar nicht vorstellen können. So erlaubt über die Hälfte der Eltern in Deutschland ihren Kindern, das Smartphone mit ins Bett zu nehmen.

Leider geht das oft schief: Neulich erzählte mir ein Kind im Workshop, dass es nachts etwas Schlimmes gesehen hatte und große Angst bekommen hatte. Es lief um drei Uhr nachts zu seiner Mutter hinüber – die aber selbst gerade durch Tiktok scrollte und das Kind wieder wegschickte!

Wir haben immer wieder Kinder in unseren Workshops, die buchstäblich die ganze Nacht mit YouTube, TikTok oder Spielen wie Brawl Stars oder Roblox verbringen – und dann in die Schule gehen! Kein Wunder, wenn sie dann in der Schule viel zu müde sind, um noch irgendetwas zu lernen.

Je jünger die Kinder sind, die ihre Smartphones oder Tablets tagsüber und nachts grenzenlos nutzen dürfen, desto größer ist die Katastrophe, die deren Eltern durch ihre fehlende Medienerziehung anrichten.

Lesen Sie auch: Stiftung Warentest warnt: Apple-Kinderschutz hat gefährliche Lücken

Ganz grundsätzlich: Ab wann sollten Kinder ein Smartphone besitzen, ab wann welche Apps?

Man muss hier stark differenzieren, auch die Situation in der Klasse des Kindes spielt eine große Rolle. In einer idealen Welt ohne Gruppendruck würde ich Eltern empfehlen, Kindern ein Smartphone ab einem Alter von 14 Jahren zur Verfügung zu stellen und Social-Media-Apps erst mit 16 Jahren zu erlauben.

Eltern müssen sich klar machen, dass ein Smartphone immer bedeutet, dass Kinder im Internet regelmäßig auch Sachen sehen, die absolut nicht für Kinder geeignet sind. Deshalb müssen Eltern sich fragen: Ab welchem Alter möchte ich das meinem Kind zumuten?

Viele Eltern nutzen Schutz-Funktionen, damit die Bildschirmzeit des Kindes reguliert ist oder nur bestimmte Inhalte verfügbar sind. Ist das nicht ein guter Ansatz?

Wer sich entscheidet, Kindern schon im Grundschulalter oder in der 5./6. Klasse ein Smartphone zu geben, kommt um Kinderschutz-Software wie Apples Bildschirmzeit oder Google Family Link aus meiner Sicht gar nicht herum: Sonst weiß ich ja gar nicht, welche Apps mein Kind nutzt – und wie lange! Das halte ich für komplett unverantwortlich.

Allerdings sollte man von vornherein wissen: Je älter die Kinder werden, desto wahrscheinlicher finden sie einen Weg, so gut wie jede Kinderschutz-Software zu umgehen. Wenn Eltern solch eine Schutz-Funktion nutzen, müssen sie deshalb ganz sicher gehen, dass ihr Kind nicht die Pin-Nummer ihres Handys kennt.

Sie glauben gar nicht, wie viele Kinder mir in den Workshops erzählen, dass sie den Pin-Code vom Smartphone ihrer Eltern kennen – und die Eltern das nicht einmal wissen.

Viele weitere Tricks sind online zu finden, die Kinder tauschen zudem die besten „Hacks“ auf dem Schulhof aus. Das wird also auf ein ständiges Katz- und Mausspiel zwischen Eltern und Kindern hinauslaufen – aber man sollte hier nicht aufgeben, sondern immer mit seinen Kindern „auf Tuchfühlung“ bleiben.

Auch interessant: Das Sprachniveau bei Kindern sinkt seit Jahren. Dabei helfen oft kleine Veränderungen, um den Nachwuchs zum Sprechen zu motivieren. Expertinnen geben Tipps für Eltern.

Was raten Sie Eltern konkret?

Die technischen Lösungen sollten nur für Zeiträume gedacht sein, in denen die Kinder mit dem Smartphone allein sind. Wenn die Eltern zuhause sind, sollten sie deshalb mit den Kindern auch einmal zusammen deren Lieblings-Apps nutzen und mit ihnen darüber sprechen.

Ich rate Eltern von Kindern bis zur 6. Klasse grundsätzlich, YouTube nur im Wohnzimmer auf dem Fernseher laufen zu lassen. Dann muss ich als Elternteil nicht immer daneben sitzen, bekomme aber trotzdem sofort mit, wenn etwas abgespielt wird, das nicht passend ist. Es ist für Eltern anstrengend, das auszuhandeln, aber es ist nötig.

Bevor ein Kind WhatsApp auf dem Smartphone haben darf, rate ich Eltern immer, in etwa Folgendes zu vereinbaren: Du kannst gerne Whatsapp haben, aber wir haben eine Bedingung. Du musst uns ab und zu reinsehen lassen. Denn in vielen Klassenchats passieren Dinge, die nicht gut sind für dich. Wir wollen dich und uns schützen – vor allem, weil Whatsapp laut Nutzungsbedingungen erst ab 16 Jahren ist.

Wenn die Alternative ist, kein Whatsapp zu haben, stimmen die meisten Kinder dieser Vereinbarung zu – und man kann später mal mit gutem Gewissen nach dem Rechten sehen – natürlich immer gemeinsam mit seinem Kind.

Sie empfehlen Eltern, einen Mediennutzungsvertrag mit Ihrem Kind abzuschließen. Was ist das und wofür ist es gut?

Ich rate Eltern, sich tatsächlich ungefähr zwei Tage lang mit der hervorragenden Website www.mediennutzungsvertrag.de zu beschäftigen, bevor sie ihrem Kind ein Smartphone geben. Dort können Eltern Vorschläge für Regeln bei der Handynutzung finden und diskutieren, die man in einen eigenen „Vertrag“ übernehmen kann.

So vergisst man schon einmal nichts Wichtiges; bei den Nutzungszeiten ist es sinnvoll, niedrig zu beginnen und sie zu steigern, wenn die Kinder älter werden. Vor der Fertigstellung sollten Eltern und Kinder dann alles noch einmal gemeinsam besprechen; das Kind kann dabei auch selbst Vorschläge machen.

Sind alle einverstanden, druckt man den Vertrag zweimal aus und alle Beteiligten unterschreiben ihn feierlich. Das Schöne daran: Alle wissen nun Bescheid, was eigentlich Sache ist – dadurch erspart man sich viel unnötigen Streit. Ein letzter Tipp noch: Heben Sie sich Ihre Kopie gut auf – Sie werden sie noch brauchen.

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