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So finden Jugendliche echte Freundschaften TikTok-Psychologe: "Viele schreiben mir, dass sie gar keine Freunde haben"

Wie finde ich gute Freunde? Wenig beschäftigt die junge Generation so sehr wie diese Frage. Der TikToker Felix Wunnike sagt, was er Jugendlichen rät und wie Eltern helfen können.

Von Lena Högemann Aktualisiert: 17.02.2025, 17:48
Die BFF, die „Best Friends Forever“, – wie Jugendliche es zu sagen pflegen – zu finden, ist in digitalen Zeiten nicht einfach.
Die BFF, die „Best Friends Forever“, – wie Jugendliche es zu sagen pflegen – zu finden, ist in digitalen Zeiten nicht einfach. (Foto: IMAGO/Cavan Images)

Für uns Menschen ist es eines der wichtigsten Dinge überhaupt: Menschen, die für uns da sind, wenn wir sie brauchen, mit denen wir Freude erleben und Leid teilen können. Das gilt auch für Kinder und Jugendliche. Aber es ist nicht immer einfach, gute Freunde zu finden, zu erkennen oder auch nur neue Menschen kennenzulernen. Genau dazu gibt Felix Wunnike bei Tiktok als @felix.psychotipps seinen mehr als 200.000 Followern Tipps.

Im Interview mit Lena Högemann spricht er über Einsamkeit, Social Media und Zuhören im echten Leben.

Herr Wunnike, auf Ihre Tiktok-Videos bekommen Sie viele Kommentare. Womit melden sich junge Leute bei Ihnen?

Felix Wunnike: Bei den Rückmeldungen gibt es eine große Bandbreite. Das geht los mit Fragen wie „Wie kann ich aufhören, meine Fingernägel zu kauen?“ bis zu Fragen nach dem Umgang mit Stress mit den Eltern oder unglücklich verliebt zu sein.

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Ein ganz großer Aspekt ist die Frage, wie junge Menschen Freundinnen und Freunde finden können. Immer, wenn ich ein Video poste, in dem es um Freundschaften geht, schreibt jemand darunter, dass er oder sie gar keine Freunde hat.

Was vermuten Sie, sind die Gründe für die Einsamkeit?

Felix Wunnike: Zum einen liegt das an der Coronapandemie und der Isolation, die viele junge Menschen erfahren haben. Auch Social Media und die Tatsache, dass sich so viel ins Digitale verlagert hat, spielt eine Rolle. Man ist viel mehr online, statt sich persönlich zu treffen.

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Viele zwischenmenschliche Interaktionen gehen dadurch verloren, und es ist viel normaler, allein zuhause zu sein. Die sozialen Netzwerke haben auch für junge Menschen Vorteile, aber ich möchte nicht verschweigen, dass es auch negative Folgen hat. Junge Menschen sitzen zuhause mit ihrem Handy und haben das Gefühl, auf dem Laufenden zu sein, dabei scrollen sie durch die Feeds anderer Menschen und haben eben keine direkten Kontakte mehr.

Sie beschreiben in Ihrem Buch, wie sich Freundschaften durch Smartphones verändert haben. Wir stehen ständig in Kontakt, gleichzeitig wollen Eltern nicht, dass ihr Kind permanent am Handy hängt.

Felix Wunnike:  Natürlich ist es schwierig, wenn junge Menschen Promi-Accounts folgen und dann ihr eigenes Leben im Vergleich deprimierend finden. Das gibt es alles und wenn Eltern sich hier Sorgen machen, kann ich das absolut nachvollziehen. Trotzdem können Eltern Social Media nicht verbieten und sollten sich dem Thema nicht verschließen.

Soziale Medien sind ein wichtiger Aspekt unseres Lebens und sie werden immer wichtiger. Soziale Netzwerke haben aber auch positive Aspekte. Auf Tiktok sind wahnsinnig viele junge Menschen aktiv, die sich dort kreativ ausleben. Sie lernen dort, wie Videoschnitt funktioniert, nehmen Tanzvideos auf und treten in Austausch mit anderen, die ähnliche Interessen haben. Jugendliche haben damit einfach sehr viel Spaß.

Wie kann Social Media helfen?

Felix Wunnike:  Ein Beispiel: Es fällt vielen Jugendlichen viel einfacher, bei jemandem aus der Parallelklasse, den man nett findet, ein paar Likes auf dem Social Media-Kanal zu hinterlassen und ihn oder sie via Social Media anzuschreiben, als die Person tatsächlich auf dem Schulhof anzusprechen. Das ist eine gute Möglichkeit, dass aus Bekannten Freundinnen und Freunde werden und man sich dann auch im echten Leben trifft. 

Sie sind bei Tiktok aktiv. Viele Eltern fürchten, dass ihre Kinder dort schlechte Inhalte konsumieren. Was raten Sie?

Felix Wunnike: Diese Probleme gibt es leider wirklich. Für Eltern heißt das ganz konkret: Sie müssen mit ihren Kindern darüber sprechen und in den Austausch gehen. Wenn die 13-jährige Tochter bei Tiktok aktiv ist und beispielsweise einen Account hat, auf dem sie Fanvideos zusammenschneidet und damit Hunderttausende Aufrufe generiert, kann sich das Elternteil das zeigen lassen.

Wenn Eltern Interesse haben, sind die Kinder offener. So können Eltern auch mitkriegen, wenn sich das Ganze in eine negative Richtung entwickelt.

Zurück zu den Freundschaften: Sie zeigen Schritt für Schritt, wie Jugendliche Freunde finden. Warum braucht es so eine Anleitung?

Felix Wunnike: Es wäre natürlich schön, wenn es ganz einfach wäre. Viele junge Menschen sind aber unsicher. Sie wissen nicht, wie sie andere Menschen ansprechen können, sind zu schüchtern, trauen sich nicht. Oder sie haben zwar Menschen in ihrem Umfeld, wissen aber nicht, woran sie gute Freundinnen und Freunde erkennen.

Oder sie haben ganz viele Bekannte, aber keine richtigen Freunde. Ich bin vor vier Jahren nach München gezogen, habe ganz neu angefangen, mir einen Freundeskreis auszubauen. Zu dem Zeitpunkt hätte ich gerne dieses Buch gelesen. Das hätte mir ganz viel Stress auf dem Weg erspart.

Was können Jugendliche tun?

Felix Wunnike: Mein erster Tipp ist, immer zu schauen, was man gerne mag und wo man das mit anderen tun kann. Das ist viel leichter, als fremde Menschen auf der Straße anzusprechen, um sie kennen zu lernen.

Felix Wunnike „Alles, was du übers Freunde finden wissen musst“, erschienen im September 2024, Penguin Verlag, 14 Euro
Felix Wunnike „Alles, was du übers Freunde finden wissen musst“, erschienen im September 2024, Penguin Verlag, 14 Euro
(Foto: Verlag)

Das heißt: Wenn du gerne joggen gehst, such die eine Laufgruppe. Magst du Schach? Dann such dir einen Schachclub. Liest du gerne, geh in einen Buchclub. Auf dem Land gibt es die Freiwillige Feuerwehr. Was auch immer es ist: Junge Menschen sollten dort anfangen, Freundinnen und Freunde zu suchen, wo sie gemeinsam Dinge tun können, die ihnen Spaß machen. Das ist in der Regel ein super Weg, neue Freundschaften zu knüpfen.

Ab einem bestimmten Alter kommt es nicht gut an, wenn Eltern etwas empfehlen. Was können Eltern trotzdem tun?

Felix Wunnike: Wenn ich an meine Teenagerzeit zurückdenke und meine Mutter mir damals gesagt hätte, was ich anders machen sollte, um Freunde zu finden, wäre das schwierig geworden. Für Eltern geht es eher darum, die richtigen Denkanstöße zu geben und die Kinder und Jugendlichen selbst entscheiden zu lassen.

„Immer, wenn ich ein Video poste, in dem es um Freundschaften geht, schreibt jemand darunter, dass er oder sie gar keine Freunde hat.“

Foto: Dieter Mayr

Ich habe zum Beispiel von einem Elternteil mitbekommen, dass es dem Kind eine Broschüre hingelegt hat, in dem es um eine Parcours-Gruppe im Ort ging – also diese Sportart, bei der Jugendliche nur mit ihrer Körperkraft verschiedene Hindernisse überwinden. Das Kind geht da jetzt total drin auf und hat viele Freundschaften geschlossen. Es kann also klappen, wenn Eltern Impulse geben. Entscheiden tut aber letztendlich das Kind, ob es das umsetzen möchte.

Es gibt Menschen, die nicht so gerne mit Fremden reden. Sie schreiben, dass man das wie einen Muskel trainieren könne. Wie soll das gehen?

Felix Wunnike: Im Prinzip funktioniert das wie bei allem anderen auch: Man übt es dadurch, dass man es tut. Das kann man auch im Kleinen machen, zum Beispiel, wenn man immer einen Satz mehr im Alltag sagt als man normalerweise würde.

Felix Wunnike, Jahrgang 1996, hat Wirtschaftspsychologie studiert und arbeitet als Social Media-Berater. Bei Tiktok und Youtube gibt er als @felix.psychotipps jungen Menschen Ratschläge.
Felix Wunnike, Jahrgang 1996, hat Wirtschaftspsychologie studiert und arbeitet als Social Media-Berater. Bei Tiktok und Youtube gibt er als @felix.psychotipps jungen Menschen Ratschläge.
(Foto: Dieter Mayr)

Ich kann der Kassiererin oder dem Kassierer im Supermarkt einfach sagen: „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.“ Es geht darum, jeden Tag ein kleines Bisschen aus der Komfortzone herauszukommen. Bei Kindern und Jugendlichen kann das auch heißen, sich jeden Tag einmal in der Schule zu melden. Nach und nach fällt es dann leichter, mit anderen sozial zu interagieren.

In Ihren Tipps steht auch: Geben ohne Hintergedanken. Warum ist das so wichtig?

Felix Wunnike: Das ist aus meiner Sicht ein ganz wichtiger Aspekt, nicht nur fürs Freunde finden, sondern für alle zwischenmenschlichen Kontakte. Das sollte eine Art Lebenseinstellung sein, dass ich gebe, ohne etwas Bestimmtes als Gegenleistung zu erwarten. Ich glaube, dass es Menschen langfristig sehr glücklich macht, wenn sie anderen helfen. Wenn sie fragen: Was kann ich dir Gutes tun? Was brauchst du?

Was zeichnet überhaupt gute Freunde aus? Gibt es schlechte?

Felix Wunnike: Entscheidend ist, wie man sich fühlt, wenn man mit einem Freund oder einer Freundin Zeit verbracht hat. Fühlt man sich leicht und gut, oder fühlt es sich schwer an? Leidet vielleicht auch das Selbstbewusstsein, wenn man mit dieser Person zusammen war?

Ich rate, dabei wirklich auf die eigenen Gefühle zu achten. Es gibt ganz klare Grenzüberschreitungen, etwa wenn der Freund einfach mein Handy nimmt, auch wenn ich das nicht möchte. Vertrauen spielt eine große Rolle für richtige Freundschaften.

Es ist eine große Sorge von Eltern, dass ihre Kinder die falschen Freunde finden. Oft erkennen Eltern ungesunde Freundschaften schneller als die Kinder.

Felix Wunnike: Wenn sie dann aber sagen, dass ihr Kind das andere Kind nicht mehr treffen darf, lösen sie genau das Gegenteil aus. Für Eltern heißt es wieder, in den Austausch zu gehen und mit dem Kind darüber zu sprechen, was sie beobachten. Die Entscheidung selbst muss das Kind treffen.