Familie Familie: Vaterschaftstests haben Konjunktur

München/Wiesbaden/dpa. - Schon Aristoteles wusste, warum Mütter ihre Kinder mehr lieben als Väter: Sie können sicher sein, dass es ihre sind. Der Zweifel nagt auch heute an vielen Vätern: Ob betrogene Ehemänner oder misstrauische One-Night-Stands - immer mehr Männer zweifeln an ihrer vermeintlichen Vaterschaft und lassen das Geschäft mit den genetischen Spurensuche boomen. Der Fortschritt der Wissenschaften und eine rechtliche Grauzone machen es möglich.
«Noch vor 20 Jahren bedurfte es komplexer Blutgruppenuntersuchungen, um verwandtschaftliche Verhältnisse nachzuweisen», erläutert Professor Wolfgang Eisenmenger von der Universität München. Heute reicht ein bisschen Speichel auf einem Wattestäbchen, einer Zahnbürste, einem Schnuller oder einer Briefmarke. «Im Idealfall nimmt man Proben von dem Vater, der Mutter und dem Kind und vergleicht deren DNA», sagt der Rechtsmediziner. In der Regel habe ein Kind zur Hälfte die DNA der Mutter, zur anderen die des Vaters. «Gibt es Abweichungen, gilt es zu untersuchen, ob eine natürliche Veränderung vorliegt oder einer der beiden gar nicht Vater oder Mutter ist.»
Insbesondere bei strittigen Unterhaltszahlungen für den Nachwuchs kommen der Rechtsmediziner aus München und sein Team zum Einsatz. «Oft haben auch die Jugendämter Interesse daran, die Vaterschaft zu klären, um allen Beteiligten belastende und teure Gerichtsverfahren zu ersparen», sagt Eisenmenger. Häufig werde der genetische Fingerabdruck zu Rate gezogen, wenn ein Kind in der Trennungsphase eines Paares entstanden ist, die Frau aber bereits einen neuen Partner hatte.
Nach einem Beschluss der Bundesärztekammer und des Robert-Koch-Instituts in Berlin sollen Mediziner und öffentliche Institute Vaterschaften nur mit Einwilligung aller drei Beteiligten testen. «Geheime Überprüfungen von zweifelnden Männern sind tabu, auch wenn es natürlich schwarze Schafe gibt», sagt Jürgen Henke, Leiter des Kölner Instituts für Blutgruppenforschung und Vorsitzender des Bundesverbandes der Sachverständigen für Abstammungsgutachten.
Anders ist es bei privaten Laboren, die eingeschickte Proben auch ohne Einverständnis etwa der Mutter oder des Erziehungsberechtigten des Kindes testen. Dabei berufen sich diese Dienstleister auf ein Urteil des Münchner Landgerichts I aus dem Juli 2003 (Az.: 17HK O 344/03). Unverheiratete Väter dürfen demnach die Abstammung eines Kindes ohne Wissen der Mutter genetisch überprüfen lassen. Ein heimlicher Abstammungstest sei für das Wohl des Kindes besser als eine gerichtlich erzwungene Klärung der Vaterschaft, so die Richter.
«Es gibt das Informationsrecht des Vaters - und das Kind muss es sowieso erfahren», sagt die Biochemikerin Angelika Lösch, die 1998 zusammen mit der Molekularbiologin Kirsten Thelen die ID-Labor GmbH in Wiesbaden gründete. Damals startete das Unternehmen mit etwa 250 Vaterschaftstests jährlich, mittlerweile sind es nach eigenen Angaben etwa 3000.
Mit 435 Euro pro Gutachten liegt das ID-Labor bei dem bundesweit rund einem Dutzend privaten Laboren etwa im Mittelfeld. Dafür werden im Labor 16 Abschnitte der im Speichel enthaltenen DNA vervielfältigt und gefärbt, anschließend vergleichen die Experten typische Merkmale von Vater, Mutter und Kind am Rechner. Wer von wem abstammt, ist dann eindeutig zu erkennen. Die Fehlerwahrscheinlichkeit liegt bei eins zu einer Million.
Allerdings sollten sich misstrauische Väter und Kinder auf der Suche nach Gewissheit über Konsequenzen im Klaren sein. «Bei den Gutachten, die wir für etwa 60 Gerichte in Deutschland erstellen, erfahren die Betroffenen die Ergebnisse per Brief», erläutert Lösch. Auch bei privaten Tests übermittele das Labor die Resultate nur schriftlich. «Gerade bei problematischen Fällen suchen die Interessenten aber häufig im Vorfeld das persönliche Gespräch mit uns», erzählt Lösch. Oftmals rieten die Wissenschaftlerinnen dann zu einem Anwalt oder einem Psychologen.
Gutachter Henke rät zur Vorsicht: «Wenn ein Mann sein Kind seit Jahren liebt und plötzlich Zweifel bekommt, sollte er lieber die Finger von einem solchen Test lassen.» Schließlich sei es ein Trugschluss, zu glauben, dass das Ergebnis das Verhältnis nicht beeinträchtige. «Möglicherweise steht man dann plötzlich ganz ohne Familie da», warnt der Biologe.
Von den menschlichen Tragödien, die sich um manch einen Test abspielen, bekommen die Münchner Rechtsmediziner nichts mit. «Wir liefern nur die nackten Daten und halten uns an die Beschlussfassung, keine heimlichen Tests zu machen», sagt Professor Eisenmenger nüchtern.
Bei privaten Labors ist laut Eisenmenger Vorsicht geboten, weil nicht alle seriös arbeiteten. Die Testwilligen sollten darauf achten, dass die Wissenschaftler im jeweiligen Labor mindestens zwei Jahre Erfahrung als Gutachter haben, am besten an einer Forschungseinrichtung. Zudem sollten sie sich auch mit der Analyse von DNA-Ergebnissen gut auskennen. «So ein Vaterschaftstest geht über das Handwerk eines Biologen und Humangenetikers hinaus», sagt Eisenmenger. Laut Henke ist es auch hilfreich, die örtlichen Jugend- oder Gesundheitsämter nach möglichen Adressen zu fragen.