«Etwas muss in der Seele klingen» - Gute Gedichte schreiben
Darmstadt/dpa. - Lange galten sie als uncool, und wer in der Schule damit behelligt wurde, verlor spätestens dann das Interesse: Gedichte. Doch inzwischen ist Lyrik wieder angesagt - dank Poetry Slam und anderer moderner Formen der Präsentation.
Dabei bringen Autoren ihre Werke in lockerer Atmosphäre unter das Volk. Wer Lust bekommt, eigene Verse zu verfassen, kann sich Ideen in Schreibwerkstätten oder Büchern holen.
Was macht ein gutes Gedicht aus, und kann man das Dichten lernen? Für Alex Dreppec ist es die höchste Kunst, sprachliche Bilder zu finden, die originell und trotzdem für viele Menschen verständlich sind. «Wortwitz und ein gekonnter Umgang mit dem Rhythmus der Sprache sind ebenfalls wichtig», sagt der Autor aus Darmstadt.
«Es gibt so viele verschiedene Arten von Gedichten. Ich denke, gut ist eins, wenn Form und Inhalt übereinstimmen», sagt Vera Simon, die bereits viele ihrer Gedichte veröffentlicht hat. Ein Kriterium ist der Freiburgerin besonders wichtig: «Es muss mich berühren und etwas in meiner Seele klingen lassen.»
Wer sich von diesen Ansprüchen überfordert fühlt, muss trotzdem nicht gleich aufgeben. «Das Schreiben kann man lernen», sagt Michaela Didyk vom Unternehmen Lyrik, das talentierten Dichtern hilft, ihre Werke zu veröffentlichen. «Dabei sollte aber die Liebe zur Sprache, mit ihr zu spielen und zu experimentieren, bereits vorhanden sein.» Das brauche kein außergewöhnliches Genie, jedoch Talent. Wer diese Voraussetzung mitbringt, kann sich in Schreibwerkstätten und Lyrikkursen den letzten Schliff holen.
Laut Dreppec kann jeder das Dichten mit ein bisschen Geduld auch allein üben. Dafür kann es nicht schaden, Gedichte der alten Meister zu lesen, sagt Simon. Dabei merke man schnell, dass selbst bekannte Dichter nicht von Anfang an perfekt waren. Gut sei aber auch, zu modernen Gedichten zu greifen. «Neuere Autoren zu lesen ist schon deshalb wichtig, um zu erfahren, wie sich die Stile geändert haben.»
Doch auch das schönste Gedicht verfehlt seine Wirkung, wenn es keiner liest. Im Internet gibt es viele Möglichkeiten, Eigenes zu veröffentlichen. Alex Dreppec rät, es bei Literaturzeitschriften und Herausgebern von Gedichtsammelbänden zu versuchen.
Wer seine Gedichte veröffentlicht, kehrt damit automatisch sein Innerstes nach außen. Viele Leser erfahren so von den persönlichen Gefühlen des Schreibers. «Darum sollte man schon Mut haben, wenn man veröffentlicht», sagt Vera Simon. Denn mit jeder Zeile, die man schreibt, sei man angreifbar und laufe Gefahr, sich lächerlich zu machen. Wem dieses Risiko zu groß sei, der sollte es besser lassen.
Zu viel Persönliches hat in Gedichten eh nichts verloren: Gedichte sollten kein Ersatz für Tagebucheinträge sein, sagt Dreppec. Für alle, die sich nicht sicher über die Qualität eines Gedichtes sind, hat er einen Tipp: «In Zweifelsfällen ist es gut, die Zeilen liegen zu lassen. Mit etwas Abstand kann man sie oft besser beurteilen.»
INFO: Poetry Slam - Wettbewerb der Dichter
Poetry Slam wurde Mitte der 80er Jahre von dem Dichter Marc Kelly Smith aus Chicago erfunden und kam zehn Jahre später nach Deutschland. Dabei rezitieren die Autoren auf der Bühne kurze Texte, die von einer aus dem Publikum gewählten Jury bewertet werden. Den Autoren ist jede Form der Präsentation erlaubt: Egal ob Rap, Comedy, Prosa oder Lyrik. Weil das Publikum seine Emotionen unmittelbar zeigt, die Künstler anfeuert oder kritische Bemerkungen auf die Bühne ruft, entsteht eine Wettbewerbsatmosphäre. An einem Poetry-Slam kann jeder teilnehmen, der sich mit eigenen Texten rechtzeitig anmeldet.