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Eltern von Schreibabys brauchen Hilfe

Von Barbara Laufer 23.04.2008, 08:13

Hamburg/Leipzig/dpa. - Mia kam auf die Welt und schrie. Wie alle Kinder. Doch Mia hörte einfach nicht mehr auf. Mit drei Wochen brüllte sie acht Stunden am Stück, nahezu ohne Pause und scheinbar ohne Grund.

Mia war ein Schreibaby - und ihr Vater Thomas Bruch mit den Nerven fast am Ende. Eltern, die am Weinen ihres Kindes zu verzweifeln drohen, sollten sich Unterstützung holen. Die finden sie mittlerweile in vielen Kinderkliniken in Schreibabyambulanzen.

«Wenn ein Kind über mindestens drei Wochen an mehr als drei Tagen in der Woche mindestens drei Stunden lang schreit, sprechen wir von einem Schreibaby», erläutert Margret Ziegler, Ärztin in der Schreibabysprechstunde des Kinderzentrums München. Meist handele es sich um Kinder, die schlecht zur Ruhe kommen, offen für Reize sind und Schwierigkeiten haben, einen eigenen Rhythmus zu finden.

Peter Hiermann rät, den Kindern in den ersten Lebensmonaten nicht zu viele neue Reize zu bieten. «Schreibabys reagieren auf starke Reize nur kurzzeitig mit Beruhigung», sagt der Therapeut von der Schreisprechstunde an der Universitätskinderklinik Leipzig. Das Kind sollte regelmäßig schlafen und möglichst kurze Wachzeiten von höchstens eineinhalb Stunden haben, rät Ziegler.

Ursachen für das Schreien sind in aller Regel nicht Schmerzen oder die berühmten Drei-Monats-Koliken. «Natürlich sollten Sie mit dem Kinderarzt abklären, ob körperliche oder organische Ursachen eine Rolle spielen», rät Evelyn Taplik-Kossak von der Schreibabyambulanz Hamburg. So sollten Blockaden und Verspannungen ausgeschlossen werden. Auch eine Nahrungsmittelunverträglichkeit oder zu wenig Milch der Mutter könnten ein Grund für Schreien sein, so Ziegler. Doch bei vielen Schreibabys greifen diese Erklärungen nicht.

Einig sind sich die Experten, dass Stress während der Schwangerschaft eine besondere Bedeutung zukommt, gleiches gilt für Wochenbettdepressionen. Für Taplik-Kossak ist auch der Geburtsverlauf ausschlaggebend. Möglicherweise sei die Geburt sehr schnell gewesen oder vor der Zeit. «Für die Babys bedeutet das Stress.» Schließlich spielt das Temperament des Kindes eine Rolle. «Es gibt einfach Kinder, die mehr Start-Schwierigkeiten haben», erklärt Hiermann.

Dauerndes Schreien, Erschöpfung, Ohnmachtsgefühle - in vielen Familien wird die Situation nach und nach immer angespannter. «Die Eltern fühlen sich von ihrem Kind angeschrien und haben das Gefühl, alles falsch zu machen», sagt Taplik-Kossak. Peter Hiermann rät Eltern, den Raum zu verlassen, sobald sie merken, dass Aggressionen aufsteigen. «Legen Sie das Baby sicher hin und gehen Sie raus.»

Mit Gesprächen und Entspannungstechniken versuchen die Mitarbeiter der Schreiambulanzen, den Familienfrieden wiederherzustellen. Mia und ihre Eltern haben nach sechs Beratungssitzungen ein neues Verhältnis zueinander gefunden. «Sie ist wie ausgewechselt», sagt Thomas Bruch, «ein ganz 'normales' Kind, das mal schreit - und sich dann auch wieder beruhigt.» Er rät allen Betroffenen, sich Hilfe zu holen. «Man ist kein Versager, wenn man das tut.»

Literatur: Christine Rankl: So beruhige ich mein Baby. Tipps aus der Schreiambulanz, Walter, ISBN: 978-3-491-40120-4, 14,90 Euro

Interaktives Netzwerk Schreibabys: www.trostreich.de