Durchgefallen: Wenn die Fahrprüfung zur Hölle wird
Osnabrück/dpa. - Schon seit Tagen denkt Till nur noch an seine Führerscheinprüfung. Es ist nicht seine erste. Viermal hat er das erdrückende Gefühl von Angst und Bedrohung schon erlebt.
Sein Fahrstundenkonto ist auf mehr als 60 Stunden angestiegen, und trotzdem zweifelt der 18-Jährige daran, seinen Führerschein beim erneuten Anlauf zu bekommen. Fahren kann er, das weiß er. Seine Prüfungsangst hindert ihn aber daran, den Führerschein in den Händen zu halten.
Eigentlich dachte Till, dass er gleich beim ersten Mal besteht. Ganz locker sei er an die Sache herangegangen. Nach dem ersten Durchfallen begann dann der Teufelskreis. «Mein Fahrprüfer hat mir das Gefühl gegeben, dass ich in den letzten Monaten nichts gelernt habe.» Neben dem Fehler an der Kreuzung, der zum Durchfallen geführt hatte, kritisierte er sämtliche Kleinigkeiten am Fahrstil. Alles war negativ. «Ich fühlte mich erniedrigt», erinnert sich Till.
«Prüfungsangst hängt oft mit früheren Erfahrungen zusammen», sagt Kirsten Hoerner-Maier, Verkehrspsychologin aus dem baden-württembergischen Bad Buchau. Bei praktischen Führerscheinprüfungen sei es häufig so, dass negative Erfahrungen aus früheren Prüfungen eine große Rolle spielen. So war es auch bei Till. Immer wieder gingen ihm bei der dritten und vierten Prüfung die Erfahrungen aus den vorhergehenden durch den Kopf.
Genau solche Ausgangssituationen sind Nährboden für Prüfungsangst, sagt Hoerner-Maier: «Da stellt die Prüfung für mich eine Bedrohung der Selbstachtung dar und wird zur Gefahr.» Der Betroffene gehe dann mit einer negativen Einstellung in die Prüfung. «An dieser Stelle sitzt der Schlüssel, an dem man die Prüfungsangst bearbeiten kann.»
Roland Dorsch vom TÜV Nord in Osnabrück hat in seinem Leben als Fahrerlaubnisprüfer bereits mehr als 25 000 praktische Prüfungen abgenommen und dabei schon so manchen zitternden Prüfling erlebt. «Wenn die Leute mit Zweifeln an ihren Fähigkeiten oder auch zu viel Erfolgsdruck in die Prüfung gehen, ist sie zu 50 Prozent zum Scheitern verurteilt.» Wer also merkt, dass er an Prüfungsangst leidet und dass die negativen Erfahrungen überwiegen, der sollte erst an seiner Einstellung arbeiten.
«Dabei kann es zum Beispiel helfen, wenn man sich immer wieder vor Augen führt, dass man in den Fahrstunden alles geübt hat und auch konnte», sagt Roland Dorsch. Oft sei es bei Menschen mit Prüfungsangst tatsächlich so, dass die entscheidenden Fehler nur in der Prüfung, nicht aber in den Fahrstunden gemacht werden. «Wir wissen, dass die Fahrlehrer in den Prüfungen andere Leute neben sich sitzen haben.» Der Fahrprüfling erlebe durch die Prüfungssituation einen Blackout und sei teilweise nicht mehr er selbst.
Auch Till erinnert sich noch an die Stunden vor seiner dritten und vierten Prüfung: Zitternde Arme und Beine, zuvor schon schlaflose Nächte und eine Phobie gegen Autowerbung im Fernsehen. «Das hat mich alles an diese Situation erinnert», sagt er. «Ich wollte auch einmal aufhören und alles hinwerfen.» Nach der vierten Prüfung griffen seine Eltern ein und rieten ihm, Hilfe zu holen. Till wandte sich an eine Beratungslehrerin, mit der er seine Zweifel durchsprach und überlegte, wie er neue Sicherheit bekommen kann.
«Man sollte sich unbedingt Zeit nehmen, mit seinem Fahrlehrer über die misslungenen Prüfungen sprechen und einen Plan machen, wie man das Ziel gemeinsam erreichen kann», rät Peter Tschöpe von der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände in München. Das sollte in jeder Fahrstunde passieren. Bei Till sagte der Fahrlehrer nur, er habe bei Angst vor der Prüfung auch kein Wundermittel. So wechselte Till nach der vierten Prüfung die Fahrschule. «Wenn Zweifel an der Fahrausbildung vorliegen, kann das ein guter Schritt sein, der einem neue Sicherheit bringt», sagt Kirsten Hoerner-Maier.
Till hat seine fünfte Prüfung schließlich nach zehn weiteren Fahrstunden bei der neuen Fahrschule bestanden. «Ich hatte dieses Mal niemandem erzählt, dass ich Prüfung habe, außer meinem Kumpel», sagt er. Der sei auch mit zum TÜV gekommen. «Der hat mir besonders in den Minuten vor der Fahrt geholfen, die Ruhe zu bewahren.»
Manchen hilft es, auf einem Fahrübungsplatz mit den Eltern im Auto Runden zu drehen und so Routine für die Prüfung zu bekommen. Der Fahrprüfer Roland Dorsch warnt allerdings: «Das ist wieder ein anderes Auto, ein anderer Beifahrer und neue Ratschläge, die auch Verunsicherung hervorrufen können.» Letztlich müsse jeder für sich selbst herausfinden, was die nötige Sicherheit gibt. «Tipps können bei so einer sensiblen Angelegenheit nur Ideen sein.»