"Du musst noch Mathe üben!" "Du musst noch Mathe üben!": Wie Sie es besser schaffen Ihr Kind zu motivieren
Köln - Nachmittags zuhause immer wieder das gleiche Dilemma: Die Hausaufgaben müssen gemacht werden, aber das Kind weigert sich. Außerdem sollte es noch Gitarre üben oder zum Handballtraining gehen, hat aber einfach keine Lust. Und die Eltern hängen in einer Schleife aus ständigen Ermahnungen fest. Aber wie kann man sein Kind motivieren, etwas anzugehen, ohne immer nur „Du musst noch!“ und „Jetzt mach schon!“ herunterzubeten?
Diplom-Pädagoge Detlef Träbert beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Lernverhalten von Kindern.
Er weiß, was Eltern tun und lassen sollten, damit Kinder Motivation entwickeln können.
Ein Gespräch.
Keine Lust auf Hausaufgaben oder Instrument üben: Wie können Eltern ihr Kind dazu bringen, Dinge anzugehen?
Detlef Träbert: Ich glaube, das ist die falsche Frage. Es klingt jetzt so, als ob die Eltern sehr viel für ihr Kind vor hätten. Motivation ist aber immer etwas, das der Mensch selbst in sich spüren muss. Wenn Kinder grundsätzlich gerne lernen oder Sport machen, aber einfach mal keine Lust haben, dann können Eltern sie schon mal daran erinnern, etwas dafür zu tun. Problematisch ist es, wenn ein Hobby ursprünglich die Idee der Eltern war. Dann ist es verständlich, dass ein Kind vielleicht keine Motivation hat, sich anzustrengen.
Gerade die Vielzahl der elterlichen Wünsche, was die Freizeit-Verpflichtungen der Kinder betrifft, sorgt oft erst für Motivationsprobleme. Wenn die Kinder damit überlastet sind, kommt irgendwann auch die Unlust dazu, die schulischen Verpflichtungen zu erfüllen.
Man sollte also bereits früh darauf achten, wie sich das Kind allgemein im Alltag fühlt?
Träbert: Genau. Bei Motivationsproblemen sollte erst die Gesamtsituation in den Blick genommen werden. Meine Erfahrung ist, dass immer mehr Kinder schon im Kindergarten- oder Grundschulalter unglaublich viele Freizeittermine nebenbei haben. Das ist einfach zu viel. Wenn ein Grundschüler eine wöchentliche Verpflichtung neben der Schule hätte, würde das völlig ausreichen. Die Kinder brauchen doch Zeit, um zu sich selbst zu kommen und auch mal Langeweile zu haben.
Und entwickelt sich so auch Motivation?
Träbert: Ja. Erst in der Langeweile, wenn Zeit und Ruhe da sind, kristallisiert sich heraus, was ein Kind wirklich will. Erst dann kommt auch seine Fantasie ins Spiel.
Eine Tatsache ist ganz klar: Kinder wollen lernen. Sie sind neugierig, erobern nach und nach die Welt und wollen ihre Kompetenzen erweitern. In der Schule spielt dieser Lernwillen allerdings weniger eine Rolle, weil man ständig lernen muss, was einem vorgesetzt wird.
Auf das, was ihnen vorgesetzt wird, haben die Schüler oft keinen Bock. Wie können sich Eltern richtig verhalten, wenn der Fünftklässler partout keine Hausaufgaben machen will?
Träbert: Sie sollten zunächst einmal schauen, zu welcher Tageszeit die Hausaufgaben am besten gemacht werden. Dazu hilft es herauszufinden, welcher Typ das Kind ist. Es gibt Kinder, die früher am Nachmittag fit sind und direkt nach dem Mittagessen Hausaufgaben machen können. Andere Kinder müssen sich zuerst ausruhen, vielleicht ein wenig vor sich hin spielen, um sich anschließend wieder konzentrieren zu können. Eltern könnten den Tagesablauf auch darauf abstimmen.
Sollte man mit dem Kind feste Zeiten für die Hausaufgaben ausmachen?
Träbert: Ich empfehle sogar, dass man mit den Kindern, etwa ab dem dritten Schuljahr, einen Wochen-Stundenplan anlegt, in dem auch die Nachmittags- und Wochenendzeiten stehen. Hier können Kinder alle Verpflichtungen eintragen: Freizeitaktivitäten und Lernzeiten, aber auch die freie Zeit. Die Eltern können sich dadurch auch einen Überblick verschaffen, was das Kind alles vorhat. Je mehr freie Zeit da ist, desto besser. So wissen die Kinder, wann sie verschnaufen oder sich mit ihren Freunden verabreden können.
Kinder haben ja von Natur aus kein Zeitmanagement im Kopf. Sie müssen Zeitstrukturen erst verinnerlichen. Ein solcher Plan kann helfen, sich an Zeiten zu orientieren und kalkulieren zu lernen.
Was kann Kindern helfen, sich besser zu konzentrieren?
Träbert: Generell ist ein Arbeitsrhythmus für Schulkinder optimal, bei dem sie über eine Dauer von einer halben Stunde hinweg jeweils fünf Minuten arbeiten und dann eine Minute Pause machen. Es hat sich in Studien gezeigt, dass Kinder so erheblich mehr schaffen, als wenn sie eine halbe Stunde ohne Pause arbeiten. Weil man in der kurzen Zeit, in der man sich konzentrieren muss, auch mehr Konzentration aufbringen kann.
Ein Kind mit zehn Jahren kann 20 Minuten Konzentration leisten, das ist der normale durchschnittliche Wert in diesem Alter. Dann ist auch ganz klar, dass man eine Stunde Hausaufgaben gar nicht ohne Pause machen kann.
Wie streng dürfen Eltern werden, wenn das Kind einfach nicht lernen oder üben will? Helfen Drohungen und Sanktionen?
Träbert: Ich empfinde es als schwierig, Kinder in solchen Zusammenhängen zu zwingen. Wenn man immer nur droht und Druck macht, wird Vertrauen zerstört. Irgendwann, spätestens in der Pubertät, weichen Kinder dann nur noch aus und sondern sich ab.
Eltern sollten dem Kind von Beginn an möglichst viel Freiraum lassen, aber immer mit ihm im Gespräch bleiben. Und gemeinsam herausfinden, was es erreichen möchte, was es für Ziele hat. Eltern sollten ihm nicht die Verantwortung abnehmen.
Dürfen sie ihr Kind im Zweifelsfall auch mal „ins Messer laufen lassen“? Damit es sieht, was passiert, wenn es keine Hausaufgaben macht…
Träbert: Genau. Viele Eltern trauen sich das nicht, aber es wäre viel einfacher, das Kind einfach mal machen zu lassen. Im Zweifelsfall könnte man auch bei den Lehrern irgendwann nachfragen, ob das Kind seine Verpflichtungen erfüllt. Oftmals haben Eltern aber viel strengere und höhere Ansprüche an die Qualität der Hausaufgaben als die Lehrer.
Falls es längere Zeit gar nicht läuft, Probleme etwa über ein Vierteljahr kontinuierlich auftreten, sollten Eltern sich nicht scheuen, die fachkundige und kostenfreie Hilfe von Beratungslehrern oder vom schulpsychologischen Dienst in Anspruch zu nehmen.
Helfen Ermutigung und Lob dabei, ein Kind zu motivieren?
Träbert: Ermutigung und Lob sind das A und O für eine gute Motivation. Es fällt Eltern aber oft sehr schwer zu loben. Kinder werden viel häufiger getadelt oder kritisiert als gelobt. Es sollte aber wenigstens ein Gleichgewicht hergestellt werden.
Ich erkenne, dass Kinder oft für Dinge gelobt werden, die gar kein Lob wert sind - wenn der Sohn zum Beispiel vor sich hin spielt und dafür ein „Du spielst so schön!“ bekommt. Damit wird das Kind nicht in positiven Verhaltensweisen bestärkt. Wichtiger wäre dagegen zu schauen, wann das Kind etwas gut macht. Man könnte es zum Beispiel dann loben, wenn es sich selbstständig an die Hausaufgaben setzt.
Wie viel dürfen Eltern helfen?
Träbert: Eltern dürfen helfen, wenn das Kind fragt. Wenn es aber nicht fragt, sollten Eltern wiederum nicht fragen, ob sie helfen sollen. Die Kinder sollen ja selbstständige Menschen werden. Und ich erlebe heute unglaublich viele Eltern, die ihre Kinder unselbstständig halten, weil sie ihnen viel zu viel abnehmen oder Dinge für sie organisieren.
Sollten sie auch mal etwas vormachen?
Träbert: Eltern sollten Beispiele geben. Wenn sie möchten, dass Kinder mehr lesen, dann sollten Kinder ihre Eltern häufig lesend erleben. Wir Erwachsenen sind die Vorbilder für die Kinder. Wir sollten ihnen vorleben, was wir für positiv halten und nicht ständige Dinge von ihnen fordern, die wir selbst nicht praktizieren.
„Komm, Turnen macht doch Spaß!“, „Gitarre ist doch cool!“ Manche Eltern versuchen, extra begeistert zu tun, um das Kind anzustecken. Kann so etwas klappen?
Träbert: Das kann klappen, wenn die Eltern turnen oder Gitarre spielen. Was motivierend wirkt ist Echtheit. Was die Schule betrifft, die haben die Eltern ja bereits hinter sich. Da können sie höchstens beim Abendbrot erzählen, wie das früher war. Dass sie vielleicht auch nicht immer perfekt waren, aber gemacht haben, was zu machen war. Auch so bekommen die Kinder ein Bild. Man sollte allerdings eine realistische Geschichte erzählen, weil Kinder ein gutes Gefühl dafür haben, was erfunden ist.
Wie sinnvoll sind Belohnungen, nach dem Motto: „Wenn du dich jetzt anstrengst, gehen wir danach raus…“?
Träbert: Wenn die Belohnung heißt, danach raus zu gehen, dann finde ich das positiv. Allerdings könnte es auch sein, dass das Kind erst raus muss, um sich danach konzentrieren zu können.
Computerspiele, Süßigkeiten oder Geld sind dagegen als Belohnungen sehr fragwürdig. Viele Eltern belohnen das Kind ständig, sodass es keine eigene Motivation um der Sache willen entwickelt, sondern sich nur wegen der Belohnung anstrengt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Buchtipp:
Detlef Träbert, Mehr Freude am Lernen! So motivieren Sie Ihr Kind, Medu Verlag, 2016