Die Letzten ihrer Art: Rum-Hersteller in Flensburg
Flensburg/dpa. - Das älteste Rumhaus Schleswig-Holsteins liegt in einer verwinkelten Gasse in Flensburg. Im Hinterhof des roten Fachwerkhauses riecht es bereits schwer nach Alkohol.
«Wir stellen noch nach alter Tradition Rum her», sagt Wolfgang Johannsen. Hinter dem 74-Jährigen, in der Ecke des Kellers, liegen große Eichenholzfässer, gefüllt mit dem braunen Branntwein. «Der hochprozentige pure Rum aus Jamaica wird erst ein paar Jahre gelagert und dann mit Wasser und und neutralem Trinkalkohol gemischt», erklärt der weißhaarige Experte.
Seine dunkle Färbung bekomme er durch die Zugabe von flüssigem Karamellzucker. Johannsen gehört zu den letzten Meistern seiner Art. Neben dem 1878 gegründeten Familienbetrieb gibt es nur noch ein weiteres Rum-Haus in der Fördestadt. Mit 150 Spirituosen-Häusern galt Flensburg einst als Rum-Metropole Europas.
«Diesen Ruf hat die Stadt ihrer ehemaligen Zugehörigkeit zum dänischen Königreich (1460-1864) zu verdanken», erklärt Walter Braasch, der zweite Rum-Macher im Norden. 1755 nahm das erste Flensburger Segelschiff Kurs auf Dänisch Westindien. Die dänische Kolonie bestand aus den drei karibischen Inseln St. Thomas, St. Jan und St. Croix. «Besonders auf St. Croix war fast jeder Quadratmeter mit Zuckerrohrplantagen bedeckt und die Insel für viele Jahre wichtigster Lieferant für Zucker und Rum», sagt der 54-Jährige, der zwei Wein- und Rumläden in der Innenstadt betreibt. Im Gegensatz zu Johannsen ist Braasch aber kein alteingesessener Rum-Meister, sondern mischt erst seit 1999 eigene Rezepturen.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sei etwa ein Drittel der Rum-Produktion von Saint Croix in die Fördestadt gelangt. Die Schiffe besegelten bei den Reisen oft auch die sogenannte Dreiecksroute. Sie transportierten Kram-Waren ins westafrikanische Guinea, nahmen dort Sklaven an Bord und verschifften die Menschen auf die Westindischen Inseln. Dort luden die Flensburger Segler Zucker und Roh-Rum sowie Kaffee, Tabak, Pfeffer und Mahagoniholz als Rückfracht. «Auf den mehrmonatigen Reisen merkten die Schiffsleute, dass der sehr starke Original-Rum mit längerer Lagerdauer viel aromatischer schmeckt», erklärt Johannsen.
«Flensburg wurde damals zur wichtigsten Rum-Stadt Europas», ergänzt Braasch. Der Bedarf in Nordeuropa sei enorm gewesen. Nicht zuletzt die Walfänger hätten den starken Alkohol gerne konsumiert, um sich vor der Jagd etwas Mut anzutrinken, sagt der Experte, während er aus einer Vitrine eine alte Flasche mit fast unleserlichem Etikett holt. «Die muss vor 1864 abgefüllt worden sein.» Danach sei der Handel mit Dänisch-Westindien abgebrochen worden.
Künftig konzentrierten sich die Seeleute auf dem Handel mit Rum aus Jamaica und selbst nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Flensburg noch große traditionsreiche Rum-Häuser wie Hansen, Asmussen oder Pott, das Kapitän Hans Hinrich Pott 1848 in einen kleinen Giebelhaus vor dem Nordertor gegründet hatte. Im Zuge des Konzentrationsprozesses übernahm erst das Flensburger Spirituosenhaus Hermann G. Dethleffsen («Bommerlunder») zahlreiche kleinere Unternehmen. 1997 kaufte schließlich die Berentzen-Gruppe im niedersächsischen Haselünne/Emsland Dethleffsen auf.
Von den Traditionshäusern überlebte lediglich Johannsen. «Das hätte ich nie gedacht, als ich 1968 den Betrieb von meinem Vater übernommen habe», sagt der Senior. «Die Geschäft laufen aber gut.» Besonders in Norddeutschland wüssten viele Kunden den heimischen «Verschnitt», wie die Mischung aus Rum, Wasser und Agraralkohol genannt wird, zu schätzen. Im Hinterhof des roten Fachwerkhauses soll die Hausrezeptur noch viele Jahre hergestellt werden. Sohn Martin Johannsen (44) ist bereits in die Geschäfte eingestiegen und wird eine fast ausgestorbene Tradition an der Förde aufrechterhalten.
Rum ist Branntwein, der durch Vergären und Destillieren von Zuckerrohrsaft, -melasse, -sirup oder anderen bei der Rohrzuckerherstellung anfallenden Stoffen gewonnen wird. Wichtige Herkunftsländer sind Kuba oder Jamaica. Das deutsche Gesetz unterscheidet drei Rumarten, die einen Mindestalkoholgehalt von 37,5 Prozent haben müssen. Als Original-Rum wird ein importiertes Erzeugnis bezeichnet, das unverändert verkauft wird. Echter Rum ist Original-Rum, der hierzulande auf Trinkstärke herabgesetzt wurde. Ein Rum-Verschnitt ist eine Mischung aus Rum, Wasser und Agraralkohol. Dabei muss der Anteil des Original-Rums nur fünf Prozent betragen.