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Delikatesse Delikatesse: Stör-Kaviar aus Mecklenburg

Von Barbara Breuer 31.03.2006, 18:32

Halle/MZ. - Knapp eine halbe Tonne Stör-Eier hat der Fischwirt zwischen September und Dezember 2005 geerntet, im Auftrag von Caviar Creator. Das Unternehmen mit Hauptsitz im US-amerikanischen Nevada züchtet seit kurzem in Mecklenburg-Vorpommern Störe. In diesem Jahr will Caviar Creator in Demmin elf Tonnen Rogen aus den Bäuchen der Störweibchen schneiden. Und damit das Zeitalter des ostdeutschen Zuchtkaviars einläuten.

Die Knappheit der Delikatesse bekommen die Gourmets zu spüren. "Aus Russland gibt es momentan gar keinen Kaviar mehr und nur ganz wenig aus dem Iran", sagt Alexander Frank. Er ist Chefeinkäufer für Feinkost im Berliner Kadewe. Der Münchener Feinkosthandel Käfer verkauft neben wildem den gezüchteten Störrogen. "Der Preisunterschied zu Wildkaviar ist gering und deshalb herrscht in der Zuchtkaviar-Branche Goldgräberstimmung", sagt der Fischabteilungsleiter von Käfer, Hans-Georg Staib.

Doch der lukrativen Ernte geht die zeitaufwändige Zucht voraus. Auch in Demmin: Einige zehntausend Sibirische Störe mit dem lateinischen Namen "Acipenser baerii" tummeln sich in 176 verschieden großen Becken. Sechs Mal am Tag, alle vier Stunden, füttert sie ein Automat mit Fischmehl, Eiweiß, Getreide, Sojaschrot, Vitaminen und Mineralstoffen. Ein bisschen Fischöl gibt dem Trockenfutter den Geschmack. Bei Wassertemperaturen bis zu 23 Grad sollen die Tiere vor allem eines: schnell wachsen.

Sind die Störe zwei Jahre alt, ermitteln die Beschäftigten per Ultraschall das Geschlecht: Jungs werden zu Fischfilets, Mädels dürfen leben. In freier Wildbahn wären sie erst nach elf bis zwölf Jahren geschlechtsreif. Gezüchtete Weibchen sind es bereits nach vier bis fünf Jahren. Dann ist Erntezeit.

Sergej Nickel schaufelt zerstoßenes Eis in den weißen Plastikcontainer mit den zappelnden Störweibchen. Sechs Wochen lang haben sie gehungert und von den körpereigenen Fettreserven gezehrt. Die plötzliche Kälte reduziert ihren Stoffwechsel, die Fische werden ruhig. Der Fischwirt holt ein Störweibchen aus dem Becken: Ein betäubender Schlag auf den Kopf, ein tödlicher Messerstich ins Herz, der Bauchschnitt. Sergej Nickel ist konzentriert. Schneidet er zu tief, platzt die Galle. Die Säure würde mit einem Schlag tausende von Euro vernichten. Die Zeit drängt: Nach 15 Minuten muss der Störrogen verarbeitet sein, sonst verdirbt er. Nickels Frau Tatjana nimmt das fettige Gonadengewebe entgegen. Die Fischeier darin sind zerbrechlich: Behutsam drückt Tatjana Nickel die kleinen graubraunen Kügelchen heraus, streicht sie durch ein Sieb und säubert sie.

Für das Veredeln der Fischeier hat sich Caviar Creator eine Spezialistin aus Russland geholt. Vera Kadzhespirova ist Kaviarmeisterin. Behutsam sortiert die in steriles Weiß gekleidete Russin ungenießbare oder unreife Eier aus: nur die glänzenden, prallen bleiben von der Pinzette verschont. Mehr als 40 Jahre lang hat Kadzhespirova damit ihr Geld in ihrer Heimat verdient, der Region Krasnodar am Schwarzen Meer. Nun wiegt die 65-Jährige hier Störrogen ab.

Für 50 Gramm Kaviar aus Demmin zahlen Gourmets etwa 95 Euro. Bevor der Rogen verkauft werden kann, muss Kadzhespirova noch Fingerspitzengefühl beweisen: Caviar Creator stellt ausschließlich die Kaviarsorte "Malossol" her - zu Deutsch "wenig Salz". Es ist nur eine kleine Prise, mit der die Expertin das nussige Aroma des Kaviars hervorheben und ihn haltbar machen kann. Hauptabnehmer für das schwarze Gold aus Mecklenburg-Vorpommern sind Restaurants in Las Vegas und deutsche Großhandelsketten. Das Berliner Kadewe hingegen hat den Störrogen wieder aus dem Sortiment genommen, weil ihn die Kunden nicht so gut annahmen. Den Unterschied zwischen gezüchteten Fischeiern und solchen aus freier Natur erkennt der Experte an Korngröße und Festigkeit. Trotzdem: Feinschmecker, die nicht auf Genuss verzichten wollen, sollten sich an den Zuchtkaviar gewöhnen. Die Zeit des Wildkaviars läuft langsam ab.