Souverän im Alltag Clever kontern: So werden Sie schlagfertiger
In unangenehmen Situationen könnten wir eine passende Antwort oft gut gebrauchen. Meist fällt die uns aber später erst ein. Wer ein paar Taktiken kennt und einsetzt, kann Schlagfertigkeit trainieren.
![Wer sich ungerecht behandelt oder kritisiert fühlt, neigt zum Rechtfertigen. Das kann die eigene Position schwächen.](https://bmg-images.forward-publishing.io/2025/02/09/f0750528-1d7f-42d2-8fcd-8c83bc0e4737.jpeg?w=1024&auto=format)
Berlin/München - Solche und ähnliche Situationen haben wir fast alle schon mal erlebt: Bei einer Familienfeier wendet sich ein Mann an seine Schwester. „Ich gehe zum Büfett, soll ich dir was mitbringen? Ein Steak vielleicht?“, fragt er die Vegetarierin und grinst. Zu seiner Überraschung nickt die Frau und sagt: „Ja, gerne. Und bring mir doch noch einen blöden Spruch mit.“ Die Familie lacht, der Bruder guckt verlegen, seine Schwester freut sich noch lange über ihre gelungene Antwort. Kein Zweifel: Mit Schlagfertigkeit kommt man lockerer durchs Leben.
„Schlagfertigkeit steigert das Selbstbewusstsein, denn ich weiß: Egal, was auf mich einprasselt, ich kann mich flexibel aus der Lage so befreien, wie ich es möchte“, erklärt der Coach Ilja Grzeskowitz aus Berlin. Und er nennt weitere Vorteile: Schlagfertige Menschen wirken charismatisch, nahbar, authentisch, sympathisch. Sie lockern schwierige Situationen und Gespräche auf. Das alles bringt ihren Mitmenschen und vor allem ihnen selbst ein dickes Plus in Sachen Lebensqualität.
Vorsicht, Rechtfertigungs-Falle!
In vielen Situationen reagieren die meisten Menschen aber klassischerweise alles andere als locker: Etwa, wenn man ungerecht behandelt oder bloßgestellt wird. Hat man zum Beispiel in einer Konferenz Vorschläge gemacht und der Kollege meint, die seien nicht sonderlich kreativ, fängt man oft an, sich zu rechtfertigen und zu argumentieren - und kommt dadurch automatisch in eine schwächere Position. Doppelt ärgerlich!
„Viele fragen sich, warum man so ungerecht behandelt, so bloßgestellt wird, warum der andere das macht“, sagt Monika Scheddin, Coach aus München. Sie wollten überzeugen, sich verstanden fühlen, der andere solle sich einsichtig zeigen und bereuen. Vor allem Frauen, die tendenziell mehr als Männer auf Harmonie bedacht seien, würden sich ein solches Verhalten wünschen. Doch das sei ein nicht erreichbares Ziel. Also braucht es eine andere Strategie.
Fürs Lernen ist es nie zu spät
Schlagfertigkeit kann helfen - und die meisten haben da durchaus Grundlagen. Bloß fällt einem die passende Antwort auf den verbalen Angriff erst Stunden später, mitten in der folgenden Nacht oder am nächsten Tag ein - zu spät für den eloquenten Gegen-„Schlag“. Möglich gewesen wären in einer Situation wie in der Konferenz vielleicht Sätze wie: „Was genau meinen Sie?“, „Nehmen sie das freiwillig zurück oder muss ich eine schlagfertige Antwort finden?“ oder ein ironisches „Ist mir auch gerade aufgefallen“.
Die gute Nachricht: Schlagfertigkeit ist lernbar. Allerdings müsse man dazu ein Risiko eingehen und den ausgetretenen Pfad verlassen, erklärt Scheddin. „Wer zum Beispiel denkt, wenn ich jetzt was sage, mache ich mich lächerlich, ist befangen. Und dann hat er nicht mehr den Zugriff auf seine kompletten Möglichkeiten.“
Locker schlägt Druck
Ihr Kollege Grzeskowitz sieht das ebenso. Ein positiver emotionaler Zustand sei „unfassbar wichtig“ für Schlagfertigkeit, betont er. Wer also innerlich bei sich und locker bleibt, dem fällt eine passende Antwort viel eher ein, als wenn er oder sie sich wütend oder frustriert fühlt.
Auch der Gedanke „Ich muss jetzt schlagfertig sein“ ist kontraproduktiv. Denn damit macht man sich selbst Druck, und der führt oft zur Denkblockade. Scheddin hat allerdings einen Vorschlag, wie man in einigen Situationen auch nachträglich noch schlagfertig sein kann: „Dem Kollegen eine Mail schreiben, so nach dem Motto: "Es hat zwar jetzt eine Stunde gedauert, aber das hier wäre die Antwort gewesen"“, schlägt sie vor.
Wer generell schlagfertiger werden will, sollte sich laut Grzeskowitz gezielt auf solche Situationen vorbereiten. Dazu gehört, dass man sich vornimmt, im Falle des Falles mental zentriert zu bleiben. Und sich in Ruhe zu überlegen, wie man bei verbalen Attacken reagieren möchte und auf welche Taktik man wahrscheinlich in einer solchen Situation innerlich am schnellsten zugreifen kann.
Es gibt nämlich verschiedene Möglichkeiten, am ehesten funktionieren die, die zum eigenen Typ passen und „am meisten Spaß“ machen, erklärt Monika Scheddin.
Vier Möglichkeiten und ein Extra-Tipp
Eine Taktik ist in einigen Situationen das schlichte Ignorieren des Gesagten, also den anderen „am langen Arm verhungern lassen“. Hier kann der Coachin zufolge auch bewusst Körpersprache eingesetzt werden, zum Beispiel ein Hochziehen der Augenbrauen.
Leicht umzusetzen ist auch die Rückfrage-Methode, etwa mit Sätzen wie „Wie darf ich das verstehen?“ oder einem schlichten, aber wirkungsvollen „Warum?“. Damit ist der andere am Zuge, und man selbst hat Zeit zum Überlegen und Zentrieren. Alternativ könne man auch scheinbar zustimmen, zum Beispiel mit: „Gut beobachtet“ oder süffisant mit „Da haben Sie sicherlich recht“.
Eine vierte Möglichkeit: den verbalen Angriff wörtlich und neutral aufnehmen. Zum Beispiel beim Vorwurf, man sei zu emotional, „"Okay" sagen und dann demonstrativ Pokerface aufsetzen“, rät Scheddin.
Extra-Tipp: Standardsätze, die in vielen Situationen passen, bei denen Schlagfertigkeit gefragt ist, und die verhindern, dass man in alte Reaktionsmuster-Fallen tappt. Dazu gehören beispielsweise „Ich mag Sie auch gerne leiden“, „Danke für den Hinweis“ oder „Die einen sagen so, die anderen sagen so“.
Training macht den Meister
Um generell schlagfertiger zu werden und sich immer mehr zuzutrauen, muss man es praktisch üben und systematisch trainieren. „Man sollte in seinen Alltag einbauen, dass man bewusst in Gespräche geht und schlagfertig pariert“, rät Ilja Grzeskowitz. „Und danach analysiert man, was gut geklappt hat. Wer das ein halbes Jahr lang macht, ist danach hundertprozentig besser.“ Und hat nicht nur das richtig sportlich genommen.