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Chamäleons Chamäleons: Zwei Schritt vor und einer zurück

Von Arnd Petry 08.09.2006, 07:15

Rheinbach/Leipzig/dpa. - Diese Echsen haben Rhythmus im Blut:Mit langsam wippenden Bewegungen gehen sie zwei Schritte vor, danneinen zurück - immerfort und selbst dann, wenn es gerade nicht passt.Wer je ein Chamäleon beim Versuch beobachtet hat, eine Straße zuüberqueren, empfindet unweigerlich Sympathie. Ähnlich nahe liegt derGedanke, dass sich eine derart schlecht an die Herausforderungen desmodernen Lebens angepasste Kreatur gut in einem geschützten Terrariummachen müsste. Tatsächlich stellen Chamäleons ihre Halter aber vor hohe Anforderungen.

«Chamäleons gehören zu den am schwierigsten zu haltenden Echsen»,sagt Matthias Berkel aus Leipzig. Nach Worten des Experten von derSpezialtierhandlung «Reptilienkosmos.de» sind die meistenChamäleon-Arten ausschließlich Fälle für erfahrene Reptilienhalter.Denn sie stellen ganz spezielle Ansprüche an unterschiedliche Tag-und Nachttemperaturen, an Feuchtigkeit und Luftzufuhr. In normalenTerrarien könnten sie nicht überleben, sagt Berkel. «Solche Artenlassen sich nur in voll klimatisierten Räumen artgerecht pflegen.»

Dass Chamäleons mit dem Straßenverkehr in ihrer afrikanischen,arabischen oder indischen Heimat nicht zu Recht kommen, kann manihnen noch durchgehen lassen. Aber was soll dieser innere Drang zurrhythmischen Bewegung? «Das ist Tarnung», sagt Joachim Wittgen vonder Arbeitsgemeinschaft Chamäleons der Deutschen Gesellschaft fürHerpetologie und Terrarienkunde in Rheinbach (Rheinland-Pfalz):Chamäleons leben vor allen in Baumen und Sträuchern. «Um nichtaufzufallen, bewegen sie sich wie zappelnde Blätter.» Ihrem Umfeldsind auch die Greifzangenfüße geschuldet: Zehen und Finger sind somiteinander verwachsen, dass sie Äste gut umschließen können.

Nichts mit Tarnung zu tun hat dagegen jene Fähigkeit, für die dieEchsen vor allen bekannt sind: Der Farbwechsel ihrer Haut dient derVerständigung mit Artgenossen. Bei Angst ist ein Chamäleon andersgefärbt als bei aggressiver Erregung. Auch auf Krankheiten kann dieFärbung hindeuten. Möglich werden die Wechselspiele durch Zellen inder Haut der Chamäleons, so genannte Chromatophoren. Sie sind mit jeeinem Farbstoff gefüllt und liegen in Schichten übereinander. DurchMuskeln werden sie auseinandergezogen oder zusammengepresst.

Nicht weniger speziell sind die Augen der Chamäleons: Unabhängigvoneinander beweglich, ermöglichen sie den Echsen einen Blickwinkelvon rund 340 Grad - ideal, um die Umgebung nach Beute abzusuchen.«Chamäleons fressen nur lebendes Futter», sagt Joachim Wittgen. «Wennman ihnen eine tote Fliege vorhält und damit zappelt, klappt esvielleicht, normalerweise aber nicht.» Auf der Speisekarte derKriechtiere stehen Insekten aller Art.

«Chamäleons fressen wie neunköpfige Raupen und benötigen währenddes Wachstums besonders viel Futter und eine angemessene Versorgungmit Kalzium», sagt Matthias Berkel. «Ein Terrarium zur Aufzucht vonjungen Tieren sollte aber niemals zu groß sein, damit die Kleinenausreichend Nahrung finden.» Die Behausung muss deshalb sozusagenmitwachsen.

Besonders nah muss die Beute aber auch nicht sein: «Die Zunge istwie eine Ziehharmonika auf dem Zungenbein aufgespießt», erklärtWittgen. Durch Anspannen der Muskeln wird sie losgeschleudert. EineFaustregel besagt, dass die Zunge in etwa der Körperlänge des Tieresentspricht - verständlich, dass die Echsen, die bis zu 60 Zentimetergroß werden können, den Zweitnamen Wurmzüngler tragen.

Von den rund 160 bekannten Chamäleonarten gibt es 2, die BerkelEinsteigern empfehlen kann: das Pantherchamäleon (Furcifer pardalis)und vor allem das Jemenchamäleon (Chamaeleo calyptratus). Beide Artenwerden seit Generationen in Terrarien gehalten und nachgezüchtet. DieHalter sollten dennoch bereits Erfahrung mit weniger anspruchsvollenReptilien gesammelt haben und müssen sich gründlich einarbeiten.

Ebenso wie alle anderen Arten müssen Neubesitzer selbst Jemen- undPantherchamäleons bei der nächstgelegenen Unteren Landschaftsbehördeanmelden. Gleiches gilt für Nachwuchs oder Todesfälle. Nötig ist auchein Herkunftsnachweis - in der Regel reicht dazu eine Bescheinigungdes Vorbesitzers.

Aus Artenschutzgründen und um Eingewöhnungsprobeme zu vermeiden,sollten Interessenten nur Tiere aus Nachzuchten kaufen, rät MarioBerschinski aus Meine (Niedersachsen) auf seiner Webseite«Jemenchamaeleon.de». Bei Nachzuchten dieser Art gebe es in der Regelkeine Schwierigkeiten, weil die Tiere an ein Leben im Terrariumangepasst sind.

In welches Terrarium ein ausgewachsenes Chamäleon gehört, hängtvon dessen Größe ab. Nach Berschinskis Worten errechnet sich derPlatzbedarf für ein Jemenchamäleon nach folgender Formel: Vier Mal solang und vier Mal so hoch wie das Chamäleon sollte das Terrariumsein. Bei der Breite genügt die 2,5-fache Körperlänge. Die Länge desSchwanzes wird bei der Berechnung nicht beachtet.

Zur Ausstattung gehören eine Wärmequelle, die den wechselwarmenKörper der Tiere auf Betriebstemperatur bringt, und eine Lampe mithohem Anteil an UV-A- und UV-B-Strahlung. Die Geräte gibt es entwedereinzeln oder als kombinierte Lösungen. Auch eine Tropftränke oder einWasserfall sind laut Berkel Standard: «Chamäleons nehmen in der Regelnur sich bewegendes Wasser wahr und trinken auch nur solches.»