Calissons d'Aix Calissons d'Aix: Süße Versuchung aus dem französischen Süden

Aix-en-Provence/dpa. - Hausnummer 33 an der Avenue Victor Hugo ist die süßeste Adresse in Aix-en-Provence. In dem sandfarbenen Haus mit der Säulenbalustrade über der breiten Fensterfront hat Leonard Parli seinen Sitz. Das Familienunternehmen, abgekürzt LP, ist spezialisiert auf typisch südfranzösische Leckereien, bei denen auf Kalorien keine Rücksicht genommen wird: mit Schokolade überzogene Orangenstücke, Nougat-Pralinen und vor allem die Calissons d'Aix. Letztere sind eine von Legenden umwobene Spezialität der Provence und eines der 13 klassischen Weihnachts-Desserts der Region. Hergestellt werden sie aus geschälten Mandeln, Melonen und bitteren Orangen.
Beim Bummeln durch Aix sind die Kartons voller Calissons in vielen Schaufenstern zu sehen, besonders jetzt in der Zeit vor Weihnachten. Leonard Parli ist nur einer von rund zehn Konditoren, die auf die marzipan-ähnliche Süßigkeit setzen. Die Familie stammt ursprünglich aus Graubünden in der Schweiz, ist aber schon seit 1874 in Aix ansässig. Die Calissons selbst sind definitiv deutlich älter - schon zur Zeit des Anjou-Königs René im 15. Jahrhundert hat es sie gegeben.
Angeblich sind die Calissons zum ersten Mal zur Hochzeit des Königs im Jahr 1454 serviert worden: Der Hofkonditor hatte sie eigens für die neue Königin Jeanne kreiert, lautet die Überlieferung. Im 17. Jahrhundert standen sie sogar in dem Ruf, gegen die Pest zu schützen, die in der Provence wütete. Jedes Jahr im September wird daran in Aix bei einer Gedenkfeier in einer kleinen Kirche erinnert.
Die Calissons-Herstellung war traditionell Sache der «Confiseurs» genannten Konditoren - kunstvolles Handwerk also. Leonard Parli, der Schweizer Immigrant, setzte auf ein anderes Modell und gründete die erste Calissons-Fabrik. Allerdings ist Fabrik ein ziemlich hässliches Wort für das, was heutige Besucher in der Avenue Victor Hugo zu sehen bekommen - Führungen sind nach vorheriger Absprache möglich.
Dutzende von Schüsseln und Bottiche stehen dort auf dem Fußboden, auf Tischen und überall sonst, wo Platz ist - gefüllt mit Melonen, Ananas, Birnen, Kiwis und Orangen. Leonard Parli stellt auch kandierte Früchte her, eine weitere süße Spezialität aus Frankreichs Süden. Die Melonen werden aber auch für die Calissons gebraucht: «Jedes Jahr im Frühjahr ruft ein Bauer an und fragt, wie viele wir haben wollen. Genau so viele baut er dann für uns an», erklärt Henon Sylvain, einer der rund 20 Mitarbeiter. «Im August meldet er sich dann noch einmal, wenn sie reif sind und wir sie abholen können.»
In Nebenraum stehen säckeweise Mandeln. Auf einem Tisch ist ein kleiner Berg davon aufgehäuft: «Sie werden mit einer Maschine geschält und danach per Hand sortiert», erklärt Sylvain. Maschinell werden sie zerquetscht und mit kandierten Früchten und Sirup gemischt. «Die Maschinen, die wir benutzen, sind zum Teil schon mehr als 50 Jahre alt», sagt Sylvain. «Das Rezept ist noch viel älter.»
Der Teig, der so entsteht, kommt in ein Blechbecken und dann für eine halbe Stunde bei 100 Grad in den Ofen. Unten hat er eine Oblate, oben Guss. Die einzelnen Calissons bekommen durch Ausstanzen ihre trapezförmige Form und werden dann in Kartons verschiedener Größen verpackt - derzeit bevorzugt solche mit weihnachtlichem Deko: goldfarben, mit Sternen und dann in Geschenkpapier eingewickelt. «Rund 70 Prozent des Umsatzes machen wir zu Weihnachten. Dann läuft das Geschäft auf Hochtouren», sagt Renée Maucourt, die heutige Inhaberin. Die süße Spezialität ist längst nicht mehr nur in der Provence gefragt: Leonard Parli exportiert in alle Welt.
Informationen: Maison de la France, Postfach 10 01 28, 60001 Frankfurt (Tel.: 0190/57 00 25, Fax: 0190/59 90 61 für 62 Cents pro Minute).