Brandenburg Brandenburg: Kunstwerke aus Obst und Gemüse

Guben/dapd. - Auf den ersten Blick wirkt das Arrangement auf demTisch von Bernd Fabian wie ein Strauß exotischer Blumen. Erst beimgenaueren Hinschauen ist zu erkennen, dass die Rosenblüten aus RoterBeete bestehen, die Dahlien aus Chicoree, die Lilien aus Möhren unddie grün-weißen Blätter aus Gurkenschalen. «Alles aus Gemüsegeschnitzt und gemeißelt», sagt Fabian.
Der 45-Jährige aus dem brandenburgischen Guben hat diesesvergängliche Kunstwerk geschaffen. Dass er etwas davon versteht,stellt der Inhaber eines Feinkostgeschäftes mit Partyservicesogleich unter Beweis. Für ein Büffet verwandelt er eine halbeMelone mit Hilfe filigraner Messer in eine große Blüte mithauchdünnen Blütenblättern. Zudem schnitzt er ein Vogel-Relief indas feste Fruchtfleisch eines Kürbisses und arbeitet Radieschen zurot-weißen Hinguckern um.
«Das Auge isst schließlich mit», sagt Fabian. Wobei das mit demEssen der geschnitzten Obst- und Gemüsekreationen für ihn so eineSache zu sein scheint. «Wir Deutschen müssen immer alles gleichverzehren», klagt er. Sorgt er doch mit Wasser, Frischhaltefolie undKühlung dafür, dass seine Kunstwerke möglichst lange halten.
Zwtl: Tradition des Gemüseschnitzens stammt aus dem alten China
Damit steht er in chinesischer Tradition, wo das Schnitzen vonObst und Gemüse vor Tausenden von Jahren seinen Anfang gefundenhaben soll. «Ärmere Familien besaßen kein Tafelgeschirr, um Gästepompös zu empfangen. Also behalfen sie sich mit dieser Dekoration,um zu beeindrucken. Da dachte niemand daran, die Dekorationaufzuessen», erzählt Fabian.
Das Garnieren und Verzieren war für den gelernten Koch nacheigenen Angaben einst der ausschlaggebende Punkt für die Berufswahl.Zum Schnitzen von Obst und Gemüse kam der Gubener aber erst vorsechs Jahren. «Ich hatte Kunstwerke dieser Art auf einer Messegesehen und entschied mich, einen Grundkurs zu belegen», erinnert ersich.
Der Zufall führte ihn zu Xiang Wang, einem zweimaligenWeltmeister dieser Branche. Der Chinese verstand es, seinenBrandenburger Schüler so zu begeistern, dass dieser gleich nocheinen Aufbaukurs belegte. «Wenn schon, dann wollte ich das Schnitzenperfekt beherrschen. Es ist die Krönung meines Berufes», sagt derKüchenmeister.
Wichtig sei vor allem räumliches Denken, um Motive möglichstoriginalgetreu umsetzen zu können, sagt er. Noch lieber als Blütenschnitzt Fabian Tiere und Fabelwesen. Die Bezeichnung«Gemüseschnitzer» hören er und seine Berufskollegen allerdings nichtso gern. «Das klingt irgendwie geringschätzig. Wir nennen unsKochartisten und haben inzwischen einen deutschlandweiten Vereingegründet, betont der einzige Brandenburger im Verein »Xiang WangFood-Artistic«.
Zwtl: Fabian baute schon mannshohe Schau-Arrangements
Das Schnitzen vor Publikum fiel Fabian anfangs schwer. »Wenneinem alle auf die Finger schauen, wird man schon nervös«, bekennter. Inzwischen ist der Gubener selbstsicher geworden, hat im Teammit anderen schon an mannshohen Schau-Arrangements gearbeitet, einedreistöckige Hochzeitstorte geschnitzt und träumt vom Eintrag insGuinness-Buch der Rekorde mit riesigen Schaudekorationen.
Nächster Höhepunkt dürfte die Europameisterschaft derKochartisten sein, die im September in Leipzig ausgetragen wird. Biszu diesem ersten offiziellen internationalen Wettbewerb war es einweiter Weg. »Es gab bisher keine einheitlichen Regeln. Leistungenwaren also nicht vergleichbar«, sagt die Thüringerin KonstanzeTölpel, die eigenen Angaben zufolge die Kochartistik Mitte der 90erJahre nach Deutschland geholt hat.
Sie nahm als Vertreterin des deutschen Vereins kürzlich anVerhandlungen in Luxemburg teil und freut sich über die Einigung dereuropäischen Gemüse- und Obst-Schnitzkünstler. »Die Zeit wirdgestoppt, anschließend werden Kreativität, Genauigkeit undProportionen bewertet«, fasst sie zusammen.
Fabian sucht indes schon nach einer neuen Herausforderung. »Ichkenne jemanden in Kärnten, der als Konditor Skulpturen aus Butteroder Schokolade schafft, sich aber auch auf das Zuckerziehenversteht.« Dabei handelt es sich laut Fabian um das Formen vonflüssigem Zucker zu glänzenden Kunstwerken, das er bald selbstbeherrschen will.