Botschaften des Herzens: Liebesbriefe im Wandel der Zeit
Nürnberg/dpa. - «Mein Süßtönender, mein Schoßkindchen, mein Schmeichelkätzchen, mein Herzensnärrchen, mein Hyazinthenbeet»: Diese Worte fand Henriette Vogel, als sie im Jahr 1811 dem Schriftsteller Heinrich von Kleist einen Liebesbrief schrieb.
200 Jahre später ist SMS-Tipper Markus nicht weniger kreativ, schickt ein aus Punkten und Strichen zusammengesetztes Herz per Kurznachricht und schreibt noch ein «HDGDL - Hab dich ganz doll lieb» an seine Lisa darunter. Liebesbotschaften sind so alt wie die romantische Liebe selbst. Über die Jahrhunderte fielen Verliebten allerdings immer wieder neue Möglichkeiten ein, ihre Botschaft an Mann oder Frau zu bringen.
«Fast jedes Medium, das neu erfunden wurde, wurde ziemlich schnell für die Übermittlung von Liebesgrüßen genutzt», sagt Vera Losse vom Museum für Post und Kommunikation in Nürnberg. Dort thematisiert eine Ausstellung unter dem Titel «liebe.komm» die Geschichte des Liebesbriefes und seiner vielen Verwandten.
Einen richtigen Boom erlebte die Liebeskommunikation allerdings erst mit der «Erfindung» der bürgerlichen, romantischen Liebe. Bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren die meisten Ehen noch durch Vermittlung der Eltern oder andere Vorgaben zu Stande gekommen. Dann forderten die Vertreter der Romantik in Deutschland, Liebe müsse der einzige legitime Grund für eine Ehe sein. «Das war ein gewagtes Unterfangen», betont Ebba Drolshagen, die sich wissenschaftlich mit den Themen Liebe und Liebesbrief auseinander gesetzt hat. «Früher war es geradezu absurd, etwas so Folgenschweres wie die Heirat ausschließlich auf etwas so Vergängliches wie Verliebtheit gründen zu wollen.»
Damals wie heute musste allerdings erst einmal das richtige Ziel für die Verliebtheit gefunden werden. Das fällt nicht nur im 21. Jahrhundert so manchem Single schwer. Das war schon immer eine Herausforderung. Fächersprache, Rohrpost-Cafés oder Internetchats: Wenn es um Möglichkeiten ging, den passenden Partner zu finden, haben sich Menschen zu allen Zeiten kreative Kommunikations-Methoden ausgedacht.
Feine Damen traten schon im 18. Jahrhundert bei gesellschaftlichen Ereignissen über ihre Fächer dezent mit den Herren ihrer Wahl in Kontakt. Wer des Fächer-Alphabetes mächtig war, interpretierte ein Gleiten des Accessoires über die Wange richtig als «Ich liebe Dich», ein Flattern mit der rechten Hand als «Ich liebe einen Anderen».
In den «Goldenen 20er Jahren» wurde die Kommunikation dann etwas direkter. In Berlin eröffnete ein Café, an dessen Tischen jeweils ein Telefon und eine Rohrpost-Station angebracht waren. Interessierten sich die Besucher füreinander, scheuten aber den Weg durch den Raum, konnten sie einfach am jeweiligen Nachbartisch anrufen oder kleine Geschenke per Rohrpost verschicken. Dauerbrenner ist bis heute die Kontaktanzeige. Die erste Annonce erschien in Deutschland bereits 1738 in den «Franckfurter Frag- und Anzeigsnachrichten».
Haben sich zwei Menschen erst einmal gefunden, ist das Bedürfnis nach Austausch groß. Zunächst waren Briefwechsel nur den gehobenen Gesellschaftsmitgliedern möglich, die schreiben und sich das Papier leisten konnten. «Mit der Ausbreitung der Eisenbahn und der Erfindung der Telegrafie wurde es immer einfacher, Nachrichten auszutauschen», sagt Vera Losse.
Eine besondere Rolle spielten Liebesbriefe auch während des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Anrührende Botschaften, aber auch ganz alltägliche Schriften berichten scheinbar Banales, etwa was der Absender am jeweiligen Tag gegessen hat. Die Dokumente geben aber noch heute Zeugnis von der besonderen Bedeutung der Kommunikation zwischen zwangsweise getrennten Paaren.
«Kommunikation ist für die Liebe geradezu essenziell», erläutert Helmut Gold, der Direktor des Museums für Kommunikation in Frankfurt am Main. In seinem Haus wurde die Ausstellung unter anderem konzipiert. «Wer nicht allein im Kämmerlein vor Sehnsucht vergehen will, der muss seine Gefühle mitteilen.» Doch Briefe, E-Mails oder SMS zu schreiben ist nicht nur in der Phase des Flirts, der Kontaktanbahnung und der Werbung wichtig.
Anders als vielfach angenommen, ist der Liebesbrief auch in Zeiten von Handys und Telefonen nicht aus der Mode gekommen. «Die vielen tausend E-Mails, die täglich geschrieben werden, zeigen, dass der Liebesbrief keineswegs ausstirbt. Im Gegenteil: Der Liebesbrief erlebt gerade eine neue Blüte», sagt Losse. «Wir haben festgestellt, dass die Leute das Bedürfnis haben, die Nachrichten aufzuheben. Sie kommunizieren zwar über SMS, ein Medium, das nicht für das Aufbewahren geeignet ist. Anschließend schreiben sie die SMS aber ab», sagt Losse. Wie die Geschichte des Liebesbriefes weiter gehen wird, kann auch Losse nicht vorhersagen.
Der Wissenschaftler Alexander Roesler allerdings hat bereits eine Vorstellung von der Liebes-Mail der Zukunft: «Die Reduktion auf 160 Zeichen in einer SMS wird fallen, die Bilder werden laufen lernen, Töne, Musik werden per Handy aufgezeichnet und verschickt werden können.» Aussterben werde die Liebesnachricht nie. Sie werde höchstens ihre Form verändern, meint Roesler. «Die Liebe wird sich neue Wege der Kommunikation suchen. Und finden.»
Die Ausstellung «liebe.komm» ist bis 26. August im Museum für Kommunikation Nürnberg, Lessingstraße 6, zu sehen.
Weitere Informationen: www.museumsstiftung.de